Würzburg (POW) Vor allem junge Menschen erreichen will die neue Kleinschrift „Georg Angermaier (1913-1945). Ein Europäer aus Würzburg im Widerstand gegen die NS-Diktatur“ und ihnen Leben und Werk des bedeutenden Würzburger Juristen und Staatswissenschaftlers bekannt machen. „Ich würde mir wünschen, dass sich gerade Schülerinnen und Schüler sowie Studierende mit Angermaier in Würzburg vertiefter beschäftigen. Vielleicht gibt es hier noch etliches zu entdecken“, betont die Autorin und Kirchenhistorikerin Dr. Antonia Leugers von der Universität Tübingen. Nach den Worten des Vorsitzenden der Kreisau-Initiative Würzburg, Franz Fisch, haben Angermaiers schriftliche Aufzeichnungen nichts an Aktualität verloren. Das Büchlein ist in der Reihe „theologie.geschichte“, Arbeitshilfen 1, im Universitätsverlag des Saarlandes erschienen und wurde kürzlich bei einer Veranstaltung der Kreisau-Initiative, der Herausgeberin der Schrift, im jüdischen Gemeindezentrum „Shalom Europa“ in Würzburg vorgestellt.
Die Schrift enthält ein kurzes Lebensbild Angermaiers, das vom Knabenseminar und Theologiestudium in Würzburg bis hin zu den rätselhaften Todesumständen im März 1945 führt. Lebensdaten sowie eine Auswahl von Originalquellen aus den Jahren 1933 bis 1944 geben einen interessanten Einblick in Angermaiers Wirken und Bedeutung in der Auseinandersetzung mit dem NS-Regime. Ein bislang unbekannter Zeitzeugenbericht schildert die Aufhebung der Abtei Münsterschwarzach. Briefe Julius Döpfners an seinen engsten Jugendfreund Angermaier führen eine unerwartet offene Kritik Döpfners am römischen Studienseminar Germanicum vor Augen.
„Aber auch Angermaier hielt sich mit seiner beißenden Kritik am Verhalten der katholischen Kirche im Dritten Reich nicht zurück. Wir können bei diesen jungen, hoch gebildeten und überzeugten Katholiken lernen, dass Kirchenkritik nicht erst eine Erfindung der Nachkriegszeit ist, sondern sich schon immer, gerade von besonders engagierten Katholiken, in den Quellen niederschlug“, unterstrich Leugers bei der Vorstellung des Buchs. Ein Entwurf für den Hirtenbrief der Bischöfe von 1941, Angermaiers Staatsaufbau- und Verfassungspläne aus dem Umfeld des Kreisauer Kreises von 1942 sowie weitere Texte zu Europa und zur Erziehung sind ebenfalls abgedruckt. Teils erstmals veröffentlichte Fotos zeigen Szenen aus dem kurzen Leben dieser Persönlichkeit, die für die Kirchen- und Widerstandsgeschichte Deutschlands bedeutsam ist. Für Leugers lohnt die Beschäftigung mit Angermaier, um durch den Einsatz eines ungewöhnlichen Katholiken einen spannenden Teil der Würzburger Geschichte kennen zu lernen.
Georg Angermaier wurde 1913 in Würzburg geboren. Als Kilianist wollte er zunächst Priester werden, entschied sich aber für das Jurastudium. Eine enge Jugendfreundschaft verband ihn mit Julius Döpfner. 1937 und 1938 legte er die Doktorprüfungen in Jura und Staatswissenschaften ab. Er galt als Hochbegabter. Doch Angermaier war kein Nationalsozialist und kein Mitläufer, was für ihn das Berufsverbot bedeutete. „Um der sicheren Karriere willen war Angermaier nicht seit 1933 zum Opportunisten geworden, der mit geheuchelter oder wahrer Begeisterung, zumindest durch schweigendes Mitmachen, in die Parteigliederungen und angeschlossenen Verbände eintrat. Er schwor auch nicht seiner katholischen Studentenverbindung Normannia und seiner Glaubensüberzeugung ab, im Gegenteil: Er zog bei Fronleichnamsprozessionen demonstrativ mit“, schreibt Leugers. Letzter beruflicher Ausweg war die Anstellung als Justitiar des Bistums Würzburg ab Herbst 1939 und ab 1941 auch für die Erzdiözese Bamberg gewesen. Mit 28 Jahren gehörte er zu den Beratern des Münchner Kardinals Michael Faulhaber.
Ab 1940 begann Angermaiers kirchenhistorisch bedeutsamer Einsatz im Widerstand gegen die NS-Diktatur. Maßgeblich unterstützte er konspirative Gruppen, beispielsweise die „Grüne Gruppe“ um Ludwig Altenhöfer und Oskar Neisinger in Würzburg. Im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Aufhebung der Abtei Münsterschwarzach spielte er nach Angaben Leugers eine entscheidende Rolle. In Bamberg gehörte er zum Gesprächskreis um den 1944 hingerichteten Rechtsanwalt Hans Wölfel. Mit Jesuiten, Dominikanern und den Bischöfen von Fulda und Berlin gründete Angermaier den „Ordensausschuss“, der die katholischen Bischöfe 1941 dazu drängte, sich endlich öffentlich gegen das Regime zu stellen und die Menschenrechtsverletzungen und Morde unumwunden anzuklagen. Dicht waren seine Kontakte über den Ordensausschuss zum Kreisauer Kreis. Angermaier starb am 27. März 1945 mit 32 Jahren bei einem Verkehrsunfall in Berlin. Die genauen Todesumstände des Zusammenpralls mit einem SS-Wagen wurden nie geklärt.
Georg Angermaier (1913-1945). Ein Europäer aus Würzburg im Widerstand gegen die NS-Diktatur. Reihe theologie.geschichte. Arbeitshilfen 1. 72 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. 11,50 Euro. Universitätsverlag des Saarlandes, Saarbrücken 2010. ISBN 978-3-86223-012-9.
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