Würzburg (POW) Andere Länder, andere Sitten. In der Interviewserie „Weihnachten in aller Welt“ erzählen im Bistum Würzburg tätige ausländische Seelsorger von Weihnachten und den damit verbundenen Bräuchen in ihrer ursprünglichen Heimat. Den Anfang macht der in Würzburg lebende Zisterzienserpater Vinzenz Tran van Bang (71), der seit 1982 Seelsorgebeauftragter für die katholischen Vietnamesen in den Bistümern Würzburg, Bamberg, Eichstätt und Regensburg ist.
POW: Wie sieht der typische Heilige Abend in Ihrer Heimat aus?
Pater Vinzenz Tran van Bang: In Vietnam findet am Heiligen Abend vor der Mette eine vorweihnachtliche Veranstaltung statt, eine Art Adventsfeier. Die Kinder stellen in dieser Feier weihnachtliche Szenen dar, von der Verkündigung Mariens, über die Herbergsuche und die Geburt Jesu bis hin zur Anbetung durch die Weisen aus dem Osten. Zugleich werden Weihnachtslieder auf Vietnamesisch sowie in Fremdsprachen gesungen – vor allem auf Englisch und Latein. Viele Chöre und Gesangvereine der Pfarrei und der Umgebung zeigen ihr Können wie in einem Wettbewerb. Manchmal geht der Mitternachtsmesse eine Prozession mit Laternen und Gesängen voraus, wobei die Kinder das Jesus-Kindlein in die Kirche tragen. Nach dem Gottesdienst gibt es in vielen Gemeinden auch Weihnachtsgeschenke, verteilt durch den Pfarrer oder einen Mitarbeiter.
POW: Wie sehen der Weihnachtsbaum und die Krippe aus?
Pater Vinzenz: Der Weihnachtsbaum und die Krippe in Vietnam sind eigentlich europäische Produkte. Die Missionare haben diese Bilder und Bräuche mitgebracht. Die Gläubigen finden sie sehr gut und schön – bis heute. Künstlicher Schnee und typische Tiere wie Kamele und Schafe dürfen nicht fehlen. Die Heilige Familie und die Hirten sieht man heutzutage auch in nationalen Trachten, dank der Inkulturation.
POW: Welche besonderen Lieder gehören zu einer typischen Weihnachtsfeier?
Pater Vinzenz: Die vietnamesischen Weihnachtslieder sind sehr beliebt. Man hört sie in den Familien das ganze Jahr hindurch und man singt sie auch mit Freude und Betrachtung. Die schönsten Lieder sind „Đêm đông lạnh lẽo Chúa sinh ra đời“ (d. h. „Jesus ist in einer kalten Wintersnacht geboren“) und „Stille Nacht“ (übersetzt: „Unendliche Nacht, voller Freunde und Jubel, in der hat sich der Himmel mit der Erde vereint“). Andere Lieder wie „O Tannenbaum“ und das „Ave Maria“ von Schubert werden auch auf Vietnamesisch gesungen.
POW: Wer bringt bei Ihnen die Geschenke?
Pater Vinzenz: Geschenke sind eigentlich kein unverzichtbarer Teil der Weihnachtsfeier in Vietnam. Es gibt weder Nikolaus noch Weihnachtsmann. Aber Weihnachtsgrußkarten sind überall zu finden. In manchen Pfarreien verteilen die Pfarrer selbst kleine Geschenke an die Kinder oder Mitarbeiter.
POW: Was vermissen Sie in Deutschland an Weihnachten am meisten?
Pater Vinzenz: Ich vermisse vor allem die Weihnachtslieder und die Atmosphäre in den vietnamesischen Gotteshäusern, wo einem die Weihnachtsbotschaft wirklich ins Herz geht.
POW: Was können die Deutschen von Ihrer Art, Weihnachten zu feiern, lernen?
Pater Vinzenz: Vielleicht, das Fest weniger materiell und mehr geistlich zu feiern. Man sollte sich mehr auf den Kern, auf das Fest der Liebe als auf die Geschenke konzentrieren.
POW: Welche Anregungen für Weihnachten haben Sie in Deutschland schätzen gelernt?
Pater Vinzenz: Die Spenden- und Hilfsbereitschaft der Deutschen – durch Adveniat – schätze ich sehr hoch. Das Opfer der Kinder in Kindergärten und Schulen sowie die Sternsinger-Aktion zugunsten der Weltmission können als nützliche Anregungen für die Weltkirche betrachtet werden.
Zur Person:
Zisterzienserpater Vinzenz Tran van Bang (71) ist seit 1982 Seelsorgebeauftragter für die katholischen Vietnamesen in den Bistümern Würzburg, Bamberg, Eichstätt und Regensburg. Er wurde in Hoa Lac (Vietnam) geboren. 1960 trat er im vietnamesischen Phuoc Son in den Zisterzienserorden ein und legte 1964 die Profess ab. Von 1964 bis 1973 studierte er in Fribourg in der Schweiz Philosophie und Theologie. Am 20. August 1969 empfing Tran van Bang im schweizerischen Hauterive die Priesterweihe. Von 1973 bis 1975 war er Direktor des Juvenats von Phuoc Son, anschließend bis 1978 Prior des Klosters Phuoc Hoa (Vietnam). 1978 flüchtete er mit vielen anderen so genannter Boat People nach Indonesien und lebte bis 1979 in Jakarta, danach bis 1981 im Kloster Notre Dame de Fatima in der Schweiz. Neben seiner Tätigkeit als Seelsorger für die katholischen Vietnamesen half er viele Jahre in Sulzthal und in Albertshausen im Landkreis Bad Kissingen in der Seelsorge mit.
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