Würzburg (POW) „Mein Priesterbild und meine Motivation sind heute genau die Gleichen wie vor 60 Jahren“, sagt Weihbischof em. Helmut Bauer (84). „Im Mittelpunkt steht die ganz persönliche Beziehung zu Jesus. Und es bereitet mir Freude, den Menschen – gerade in schwierigen Situationen – durch Gebet und Messfeier beizustehen.“ Der christliche Geist im Elternhaus, der engagierte Heimatpfarrer, der den talentierten Bub förderte, eine lebendige katholische Pfarrgemeinde, die Freude an der Liturgie, die gute Atmosphäre im Knabenseminar und die bedrückenden Erfahrungen der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs: All das lässt in dem jungen Mann aus dem Kahlgrund den Entschluss reifen, Priester zu werden. „Was in der NS-Zeit geschah, hat uns sehr tief bewegt. Daraus wuchs ein innerer Impuls, im Geiste des Evangeliums den Wiederaufbau mitzutragen“, sagt er im Rückblick auf die Jahre der Entscheidung vor seiner Priesterweihe am 21. Juli 1957 in Würzburg. Sechs Jahrzehnte später feiert er am Sonntag, 23. Juli, um 10 Uhr im Kiliansdom sein Diamantenes Priesterjubiläum.
1933 geboren und aufgewachsen in Schimborn im Kahlgrund, ist Bauer fest in der unterfränkischen Heimat verwurzelt. Der seit 2008 emeritierte Weihbischof ist beliebt im Frankenvolk. Beredter Beweis dafür ist nicht zuletzt die Auszeichnung mit dem „Frankenwürfel“ im Jahr 2003, die den „Unneruffer“ als Wendigen, Witzigen und Widersprüchlichen ehrte. Zahlreiche ranghohe Vertreter aus Kirche, Politik und Gesellschaft haben sich bereits für den Jubiläumsgottesdienst am 23. Juli im Kiliansdom und zur anschließenden Begegnung angemeldet. Domsingknaben und Dombläser bringen unter der Leitung von Domkapellmeister Christian Schmid Orlando di Lassos „Missa Octavi toni“ und Charles Villiers Stanfords „Jubilate Deo, op. 10“ zum Erklingen.
Das entspricht ganz dem Wunsch des großen Freunds der Kirchenmusik. „Die Kirchenmusik ist ein Teil meines ganzen Lebens“, sagt der Weihbischof. Schon als Bub begeistert sein Gesang bei Maiandachten und anderen Gottesdiensten. Kurz vor dem Abitur in Miltenberg ermutigt ihn sein Musiklehrer dazu, Musik zu studieren und Sänger zu werden. Doch der junge Kilianist entscheidet sich für die Theologie und wird Priester. Der Päpstliche Nuntius Erzbischof Dr. Aloys Muench weiht ihn und 23 weitere junge Männer am 21. Juli 1957 in der überfüllten Würzburger Seminarkirche Sankt Michael zum Priester. Als der damals 24-jährige Bauer bei der Allerheiligen-Litanei am Boden liegt, steigen Gedanken in ihm hoch: „Wirst du diese Ganzhingabe in deinem Leben durchhalten können?“ Eine Woche später wird der Neupriester bei Donner und Blitz in seiner Heimat Schimborn zur Feier der Primiz begrüßt. Bauers Primizspruch weist den Weg für das bevorstehende priesterliche Leben: „Der Herr öffne uns die Herzen, wenn wir das Evangelium verkünden!“
Ein außergewöhnlicher – mittlerweile 60 Jahre währender – priesterlicher Lebensweg nimmt seinen Lauf. Der junge Priester wird Kaplan in Schweinfurt-Heilig Geist, ab 1961 Musikpräfekt des Kilianeums in Würzburg, ab 1964 Direktor des Kilianeums in Bad Königshofen und ab 1968 Leiter des Kilianeums in Würzburg. 15 Jahre später wird Bauer zum Dompfarrer und Domkapitular in Würzburg berufen und übernimmt zusätzlich die Aufgabe des Stadtdekans. Papst Johannes Paul II. ernennt ihn am 8. Juli 1988 zum Titularbischof von Velefi und Weihbischof in Würzburg.
Kurz nach seiner Bischofsweihe am Fest des heiligen Burkard, 14. Oktober 1988, übernimmt Bauer die Aufgabe des Bischofsvikars für Liturgie und Kirchenmusik sowie des Dompropsts und leitet die Abteilung Kirchenmusik im Bischöflichen Ordinariat Würzburg. Hinzu kommt die Verantwortung für die Kirchenmusik in der Deutschen Bischofskonferenz, wo er in seiner Amtszeit den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft Ökumenisches Lied und der Ständigen Kommission für das Gesangbuch „Gotteslob“ innehat. Zwölf Jahre wirkt Bauer zudem als Vorsitzender der Ökumenekommission der bayerischen Bischöfe. Nach der Ruhestandsversetzung von Bischof Dr. Paul-Werner Scheele im Juli 2003 bekleidet er bis zum Amtsantritt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann die Aufgabe des Diözesanadministrators. Mehrere Jahre vertritt Weihbischof Bauer die Freisinger Bischofskonferenz in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (AcK).
„Ich habe mich für keine einzige dieser Aufgaben beworben“, sagt Bauer und betrachtet seinen Lebenslauf dankbar als göttliche Fügung. „Es war mir vergönnt, viel mitzugestalten.“ Seine Begabung und seine Aufgaben hätten immer gut zusammengepasst. Nur sein „Ja“ zur Ernennung zum Weihbischof habe ihn wirklich Überwindung gekostet. „Ich bin kein schlechter Theologe, Aber ich war mir in diesem Moment nicht sicher, ob ich theologisch-spirituell der Aufgabe gewachsen bin.“
Was sich in seiner aktiven Zeit als Priester und Bischof bewährt hat, behält der Weihbischof auch im Ruhestand bei. Am Morgen ist die beste Stunde des Tages für die Feier der heiligen Messe reserviert. Dort und beim Brevier- und Rosenkranzgebet sowie bei der Anbetung vor dem Allerheiligsten holt er sich Kraft und bringt die Sorgen und Anliegen, die ihm anvertraut wurden, Gott vor. „Das ist heute mein wichtigster Dienst an den Menschen.“ Vor seinem Ruhestand bestimmten intensive Begegnungen mit den Menschen des Bistums seinen Alltag: Jährlich rund 7000 jungen Menschen spendete er das Sakrament der Firmung. Eine Vielzahl von Altären, Glocken und Orgeln wurden von ihm geweiht. Visitationen und Pfarrjubiläen, Sitzungen, Gespräche, Bürodienst und viele öffentliche Auftritte bestimmten das Tagesgeschäft. Bis vor wenigen Jahren reiste der Weihbischof gern, begleitete zum Beispiel viele Pilgerfahrten ins Heilige Land, spürte dem Wirken europäischer Missionare in Fernost nach oder besuchte das Partnerbistum Mbinga in Tansania, wo er bei der Gelegenheit gleich 500 junge Leute auf einmal firmte. Nicht zu vergessen seinen Einsatz als „Wirtekaplan“ bei der jährlichen Wirtewallfahrt auf dem Kreuzberg. Dort gehörten ganz selbstverständlich Bauers mitreißende Predigten beim Gottesdienst und das Scherzen und Singen bei der anschließenden Begegnung zum festen Ritual.
Als Weihbischof Bauer vor 60 Jahren seinen priesterlichen Dienst begann, waren katholische Priester hoch angesehen. „Die Wertschätzung der Priester war wegen ihres äußeren und inneren Widerstands gegen die Nazis zu spüren“, sagt er rückblickend. Das habe sich damals auf die Entscheidung junger Menschen zum Priestertum ausgewirkt. Die jungen Priesterseminaristen hätten gemerkt, dass die Menschen geistliche Vorbilder brauchten. Heute ist die Ausgangssituation für junge Priester in Zeiten von Priestermangel, Glaubensschwund, Umstrukturierung in der Seelsorge, Säkularisierung, Individualisierung und Bindungsangst ganz anders. Was bleibt für ein Priesterleben durch alle Zeiten wichtig? Weihbischof Bauers Antwort ist kurz und prägnant: Der Priester müsse ein betender Mensch sein, sonst gehe ihm bald die Kraft für seine Berufung aus.
Weil die Gnade laut Thomas von Aquin auf der Natur aufbaut, hat sich der in seinen jungen Jahren leidenschaftliche Bergsteiger inzwischen eine andere sportliche Betätigung gesucht, die seinem Alter angepasst ist: Jeden Nachmittag nimmt er sich ein paar Stunden Zeit und radelt mit seinem E-Bike von der Würzburger Innenstadt aus am Main entlang in Richtung Kleinochsenfurt. „Unterwegs mache ich gerne Pause in den schönen Gotteshäusern am Weg und genieße als Bauersbub die Schönheit der Weinberge und Felder unserer fränkischen Landschaft.“
mh (POW)
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