Liebe Schwestern und Brüder, liebe Mitbrüder,
wir haben bewegte Wochen hinter uns: Mit der zunächst verblüffenden Nachricht von Papst Benedikt XVI., am 28. Februar 2013, von seinem Petrusamt zurückzutreten und der überaus schnellen Wahl seines Nachfolgers, Papst Franziskus, am darauffolgenden 13. März, sind wir alle überrascht worden. Weltweit ist jetzt das Augenmerk auf die charismatische Gestalt des heiligen Franz von Assisi gelenkt, dem Papst Franziskus durch seine Namensgebung wieder verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt hat.
In dieser gesellschaftlich wie kirchlichen Umbruchssituation ist es gut, den Blick von den kirchlichen Strukturfragen weg und auf das eigentliche Charisma unserer Berufung hin zu lenken: die gelebte Liebe, mit der auch der missionarische Aufbruch verbunden ist.
Immer wieder höre ich bei den Begegnungen: Wir brauchen mehr Zeit für den missionarischen Aufbruch.
Ich weiß um die Sorge möglicher Vergrößerung von pastoralen Räumen und kenne die damit einhergehende Verunsicherung. Sicherlich wird keiner widersprechen, wenn angedacht wird, dass wir unser priesterliches und diakonales Leben neu ordnen sollen. Die Frage ist nur: Wie?
Sicherlich will keiner von uns die unterschiedlichen Priester- und Diakonenpersönlichkeiten aufheben – Bischof Wanke hat dies eben deutlich gemacht. Ohne seine einzelnen Gedanken wiederholen zu wollen, bleibt das Faktum, dass wir unsere Ideale aus der Heiligen Schrift und der christlichen Tradition schöpfen sollen.
Jesaja bringt seine Berufung in der heutigen ersten Lesung auf den Punkt: „Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist.“ (Jes 61,1) Gilt das nicht genauso für uns? Wir verkünden eine befreiende Botschaft, nicht weniger und nicht mehr als das Versprechen eines in Gott zukünftig vollendeten Lebens. Damit man uns diese Botschaft abnimmt, brauchen wir Zeit für die Menschen, die zu uns kommen und mit uns reden wollen – Zeit, sie anzuhören, Zeit ihnen die Botschaft zu vermitteln, Zeit ihnen Anteilnahme und echte Nächstenliebe zu schenken.
Zeit ist aber die große Mangelware! Ich weiß natürlich auch um die prekäre Situation, in der viele von uns stecken. Viele fühlen sich überfordert und stöhnen unter dem Ballast der vielen Aufgaben. Aber wir können – und sollen – auch nicht mehr alles allein bewerkstelligen. Es kann nur im Zusammenspiel der vielen Ämter, Charismen, Dienste und Berufe eine vernünftige Zukunft gelingen. Nur wenn wir das ‚Gemeinsame Priestertum aller Gläubigen’ (Lumen gentium) ernst nehmen, finden wir Freiräume, um die nur dem Priester oder Diakon aufgetragenen Verantwortungen leben zu können.
Der auferstandene und gegenwärtige Christus lädt uns zum Gebet und zur Anbetung ein. Bei Christus weilen zu dürfen gehört mit zum innersten Kern unserer gelebten Berufung. Wie anspornend ist es auch für eine Gemeinde, wenn sie ihre Geistlichen auch außerhalb der Gottesdienste in der Kirche beten sieht.
Das Breviergebet ist ein großer Reichtum durchbeteter Jahrhunderte. Wir werden dabei mit in den weltweit tragenden Gebetsstrom genommen und tragen dadurch selbst auch andere mit.
Unser Auftrag, einander im Glauben zu stärken, kann immer nur missionarisch sein und ist nicht auf Priester, Diakone oder pastorale Mitarbeiter beschränkt. Dieser Auftrag kommt allen Getauften und Gefirmten zu. Johannes schreibt in der Offenbarung: „(Jesus Christus) …liebt uns und hat uns von unseren Sünden erlöst durch sein Blut; er hat uns zu Königen gemacht und zu Priestern vor Gott, seinem Vater.“ (Offb 1,5u.6) Damit werden alle Christen für den Aufbau des Leibes Christi gerüstet (vgl. Eph 4,12). Und ihnen ist – wie uns allen – dabei besonders der Dienst an den Armen aufgetragen.
Unsere Mitchristen brauchen dafür weitere Zurüstung durch die Heilsgaben der Kirche, die nicht aus der Gemeinde heraus erwachsen, sondern von Christus selbst kommen: Dazu gehören die Verkündigung des Evangeliums, die Feier der Sakramente – und dabei erst recht die heilige Messe. Die von Christus ausgehende Berufung verlangt nach der freien Bejahung und Annahme derselben. Die Weihe und Sendung schenkt die Ermöglichung und das Fruchtbarwerden dieser Berufung.
So ist die sakramentale Weihe innerhalb des „ordo“ nicht eine Bevorzugung des Geweihten. Die sakramentale Weihe belässt den Priester im Volke Gottes und stellt ihn doch auch gegenüber. Wer denkt jetzt nicht an den berühmten Satz von Augustinus: „Für euch bin ich Priester, mit euch bin ich Christ.“
Dem Priester fällt die Leitungsaufgabe zu, die vielen verschiedenen Dienste und Charismen zu wecken, zu begleiten und zu fördern. Er ist keineswegs zur Herrschaft über andere berufen. Ihm steht es nicht zu, Macht auszuüben. Vielmehr soll die Schwerpunktsetzung in der Seelsorge den Grundansatz Jesu Christi bei der Fußwaschung deutlich machen: Wir sind zum Dienen bestellt.
Im Evangelium hörten wir soeben, dass Jesus in der Synagoge von Nazareth seine spezifische Sendung mit dem Zitat aus dem Buch des Propheten Jesaja einleitete: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe…“ (Lk 4,18)
Um diesen Auftrag erfüllen zu können, brauchen wir gerade wegen unserer priesterlichen ehelosen Berufung eine eigene Lebenskultur. Die zölibatäre Lebensform, die uns eine ganzheitliche Nachfolge Jesu ermöglichen soll, bedarf der gelebten Gemeinschaft der Kirche. Dazu gehört ebenso ein gastfreundlicher Haushalt als auch ein Zusammenwirken mit dem Presbyterium und der ganzen Gemeinde. Nehmen wir uns auch Zeit, miteinander zu kommunizieren und auch zweckfrei mit einander umzugehen. Je mehr eine Kultur des Miteinanders und des Vertrauens wächst, desto leichter wird die Zusammenarbeit mit den Diensten und Charismen gelingen.
Am heutigen Abend werden die heiligen Öle geweiht. So verdichtet sich das Heilswirken Jesu gleichsam sichtbar in diese Stunde hinein. Gott bleibt damit immer als Ersthandelnder auch der Heilsbringer. Aber die Begegnung mit Jesus sucht sich auch einen Weg über die Berührung mit uns. Deshalb ist unsere glaubwürdige Zeugenschaft mit entscheidend für das Erreichen der Herzen unserer Mitmenschen.
Amen.