Bischöfe pflegen oft gerne bei Firmungen ein kurzes Wort an die Firmlinge zu richten. So auch der verstorbene Bischof Georg Moser. Er fragte einmal eine Firmandin: „Wie heißt du?“ – Prompt kam die Antwort: „Monika“. – Der Bischof: „Weißt du auch etwas über deine Namenspatronin?“ – „Nein!“ – Der Bischof gab nicht auf: „Die hatte einen ganz berühmten Sohn.“ Ungläubiges Kopfschütteln: „Nein, das stimmt nicht. Heilige bekommen keine Kinder!“
Liebe Schwestern und Brüder, das, was uns hier ein Schmunzeln entlockt, macht im Grunde deutlich, dass wir eigene Vorstellungen von Heiligen haben, die wir als Klischee aus unserer Sicht auf sie übertragen. So ist es auch für uns schwer vorstellbar, dass der heilige Paulus, dessen Hochfest der Bekehrung wir heute feiern, als Saulus wütete und die ersten Christen mit „Drohung und Mord“ bedrängte und quälte. Die Christen fürchteten sich zu Recht vor ihm und wollten nichts mit ihm zu tun haben.
Welche Wandlung hatte der heilige Paulus nach dem Ereignis vor Damaskus durchgemacht: Aus einem wütenden Christenverfolger wurde der glühendste Missionar, der mit seinem Lebenszeugnis und seiner packenden Theologie nicht nur die frühe Kirche geprägt hat, sondern auch uns heute Grundsätzliches und Maßgebliches mit auf den Weg gibt.
Unser ernannter Weihbischof Ulrich Boom hat den Abschluss des Zweiten Briefes des heiligen Paulus‘ an die Korinther als Wahlspruch ausgesucht: „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2 Kor 13,13) Schon in diesem einen Satz, den er als Segenswunsch formuliert, strahlt das Zentrum unseres Glaubens, das Geheimnis des Dreifaltigen Gottes auf: Die Gnade Jesu Christi, die Liebe Gottes (des Vaters) und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.
Wenn wir an den heiligen Paulus denken, der vor 2000 Jahren geboren wurde, drängt sich besonders heute das Damaskus-Erlebnis auf. Es wird sogar zweimal – in der Apostelgeschichte (Apg 9,1-22; 22,3-16) und im Galaterbrief (Gal 1,23f.) geschildert. Viele Künstler haben es ins Bild gesetzt und so durch ihre Sicht- und Gestaltungsweise unseren Blick auf den heiligen Völkerapostel gelenkt. Paulus ist dem auferstandenen Herrn begegnet, von ihm angesprochen und berufen worden. Und doch ist es ein besonderes Merkmal der Berufung des heiligen Paulus, dass er Apostel Jesu Christi wurde, ohne ihm während dessen irdischer Lebenszeit persönlich begegnet zu sein! Alle anderen Apostel hatten bisher Jesus predigen hören, haben seine Wundertaten erlebt, sind mit ihm herumgezogen. Selbst der für Judas nachgewählte Matthias war Augen- und Ohrenzeuge Jesu Christi. Paulus dagegen war im Grunde schon in unserer Situation. Er begegnete dem auferstandenen Herrn anders als die Zeitzeugen Jesu und baute seinen Glauben aus der Begegnung mit dem Auferstandenen auf dem Zeugnis der Apostel auf.
Seine Bekehrung ist kein solitäres Ereignis – mit Licht, Sturz, Stimme und Berufung – sondern eine Erfahrung des auferstandenen Herrn Jesus Christus, der sich mit der konkreten Kirche identifiziert und Paulus in einen Glaubensprozess hineinführt. Paulus umstrahlt das helle Licht, er stürzt zu Boden und vernimmt auf seine Frage: „Wer bist du, Herr?“ die Stimme: „Ich bin Jesus, den du verfolgst.“ Diese Begegnung ist kein punktueller Paukenschlag, sondern der Beginn eines Prozesses. So wie auch wir zumeist aus der Kindheit heraus in den Glauben unserer Kirche hineingewachsen sind und unterschiedliche Damaskuserlebnisse haben, wächst Paulus im Kontakt mit Petrus, den Aposteln und vielen anderen Christen in den Glauben der Kirche hinein.
Wie war das bei unserem Weihekandidaten?
1947 in Ahaus im Münsterland geboren, wuchs Ulrich Boom in einem gläubigen Elternhaus auf. Er war Ministrant, aktiver Pfadfinder und Mitglied im Kirchenchor Sankt Cäcilia. „Selbstverständlich katholisch“ und „bodenständig fromm, ohne überkandidelt zu sein“ schilderte ihn ein Jugendfreund. Seine Berufung zum Priester vollzog sich in aller Stille. Sein Weg als Priester wird von der Priestergemeinschaft „Jesus Caritas“ geprägt. Im Vertrauen auf Gottes Wirken, der uns immer schon zuvorkommt, kreist er – wie der heilige Apostel Paulus es auch von uns fordert – in seiner Spiritualität nicht um sich, sondern stets um Gott, um sich von Ihm her ergreifen zu lassen. So sagte er einmal: „Gott geht ganz leise durch die Welt. Liebesworte schreit man nicht. Liebesworte werden geflüstert. So spricht Gott zu uns, dass wir angenommen sind trotz unseres Versagens, trotz unserer Schuld.“ (Main Post, 08.12.08, 6).
Die drei Worte seines Wahlspruches GRATIA – CARITAS – COMMUNIO will ich in aller Kürze aufgreifen:
GNADE: Auch der heilige Paulus weiß um seine Schwächen und Anfechtungen und „den Stachel im Fleisch“. Aber er hat die Gnade erfahren – nicht nur im Bekehrungserlebnis vor Damaskus – sondern auch in allen Schwierigkeiten seines weiteren beschwerlichen, aufopferungsvollen Lebens. So fordert er uns auf, im Glauben an Gott den Vater und Schöpfer, Gott den Sohn und Erlöser, und Gott den Geist und Lebensspender unser Leben zu gestalten. Viele unserer Mitmenschen wissen nicht, was es heißt, erlöst zu sein. Sie haben oft ein gebrochenes Verhältnis zu Schuld und Sünde. Dabei zielt die Menschwerdung Gottes auf die Befreiung aus dieser tödlichen Situation. Deshalb hat Christus uns durch sein Sühnesterben am Kreuz gnadenhaft von Sünde und Tod befreit. (Der Computer streikt schon bei dem Wort gnadenhaft.) Der Tod hat durch Christi Auferstehung letztlich seinen lähmenden Schrecken verloren. Als Christen sind wir in der Taufe durch die Güte Gottes schon in die neue Dimension des ewigen Lebens hinein geboren. Dies unseren Mitmenschen zu vermitteln, ist eine der wichtigsten Aufgaben des Bischofs.
LIEBE: Die Liebe Gottes, des Vaters, die in Jesus Christus unter uns sichtbar, hörbar und anfassbar geworden ist, ist der neue Maßstab für unser Denken und Handeln. So bekennt Paulus im Römerbrief: „…ich bin mir gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“ (Röm 8,38f.) Diese Liebe ist unser Lebenselexier, bricht sie doch die selbst gezogenen Grenzen zwischen Rassen, Religionen und Ständen auf. Es gibt „nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ‚einer’ in Christus Jesus.“ (Gal 3,28) Die aus der Ebenbildlichkeit Gottes begründete Menschenwürde ist gerade heute hoch aktuell und drängt zur Umsetzung in unserem Leben durch die gelebte Liebe. Sie ist und bleibt die Antwort auf die uns zuvor geschenkte Liebe Gottes.
Freilich, die Abgründe menschlichen Lebens erleben wir auch wieder in diesen Tagen, aber eben auch die erstaunlichen Möglichkeiten zum Guten. Viele Frauen und Männer im Laufe der Kirchengeschichte bezeugen dies bis heute. Einer ist der Namenspatron unseres ernannten Weihbischofs: der heilige Bischof Ulrich von Augsburg. 890 geboren starb er über 80-jährig als Bischof von Augsburg. Er reiste unermüdlich umher, um das Sakrament der Firmung zu spenden, pflegte das Chorgebet und feierte die Liturgie so, dass die Gläubigen davon ergriffen wurden. Er schenkte den anderen Bischöfen seinen Rat, stiftete Armenhospitäler und mühte sich um die Domschule und die Heranbildung des Klerus. Auch nach 1000 Jahren ist er uns Vorbild und Fürsprecher – besonders für unseren neuen Weihbischof.
GEMEINSCHAFT: Gott will stets das Beste für uns Menschen. Deshalb schenkt er uns den Heiligen Geist. „Ohne dein lebendig Weh‘n nichts im Menschen kann besteh‘n“ singen wir in einem Pfingstlied (GL 862,3). Der Heilige Geist spendet jegliches Leben, erneuert, richtet auf, schafft Freiheit, Einheit und Gemeinschaft: Gemeinschaft mit Gott und untereinander. In der Gemeinschaft mit dem Heiligen Geist wird uns die zugedachte Liebe Gottes auch greifbar geschenkt: In den Sakramenten der Kirche – Taufe – Buße – Eucharistie – Firmung – Ehe – Krankensalbung und Priesterweihe.
Heute wird dies besonders erlebbar in der Bischofsweihe. Pfarrer Ulrich Boom wird in den Leitungsdienst innerhalb der Nachfolge des Apostelkollegiums hinein genommen. Im Ordo der Bischöfe besteht das Kollegium der Apostel weiter. Unter dem einen Haupt, dem Bischof von Rom als dem Nachfolger des heiligen Petrus, geeint, soll das Bischofskollegium Einheit, Vielfalt und Universalität der Kirche darstellen.
Die Verkündigung des Evangeliums nimmt eine herausragende Stellung ein. Die Bischöfe haben als authentische Lehrer die ganze Botschaft Christi zu verkünden – ob gelegen oder ungelegen. Sie sollen und dürfen die Gläubigen durch die Sakramentenspendung heiligen. Mit der Fülle des Weihesakramentes ausgestattet, untersteht jede Sakramentenspendung, insbesondere die Feier der Eucharistie, ihrer Leitung.
Dies bedeutet aber auch eine große Verantwortung. Dem Bischof wird in der Weihe durch Christus selbst diese Aufgabe übertragen, damit er sie in aller Demut und Bescheidenheit ausübt. Er wird nicht zu seiner eigenen Ehre gesalbt, sondern zum Dienst an den Menschen. In der Verantwortung vor dem Herrn der Kirche, Jesus Christus selbst, wird er in die Kreuzesnachfolge berufen, die nicht Theorie bleibt, sondern täglich eingefordert wird.
Du, lieber Mitbruder Ulrich, hast Dich schon sehr früh mit der Kreuzestheologie auseinandergesetzt und sie als Maßstab und Richtschnur erkannt. Fasse Mut und habe Vertrauen, dass Er, der Dich beruft, immer mit Dir auf dem Weg ist.
Mögest Du das Bekenntnis des heiligen Paulus‘ auch auf Dich anwenden: „Ich strecke mich nach dem aus, was vor mir liegt.“ (Phil 3,13)
„Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“
Amen.