Liebe Schwestern und Brüder,
das Leiden und Sterben Jesu Christi, das wir in dieser Stunde so eindringlich bedenken, ist nicht die Folge eines Justizirrtums oder die Folge einer Laune des Schicksals – so als hätte es bei anderen günstigeren Umständen auch zu einem anderen Ausgang kommen können. Das Wort Gottes, die zweite Person Gottes ist in diesem Jesus von Nazareth Mensch geworden, um uns aus der unentwirrbar verfahrenen menschlichen Situation in das Leben Gottes hinein zu befreien. Dazu gehört unausweichlich auch diese schmerzliche Liebeshingabe Jesu an den Vater für uns. Er opfert sein Leben für uns am Kreuz, damit wir zum ewigen Leben finden.
Vielen unserer Mitmenschen ist dies heute nur schwer verständlich. Ihnen ist der Zusammenhang von menschlichem Versagen und persönlicher Schuld im Blick auf den für uns leidenden Christus verborgen.
Dabei sollten wir klar bedenken, dass Gott nicht der unbarmherzige Richter ist, der grausam seinen eigenen Sohn für die Sünden der Menschen foltern und sterben lässt. Gott ist vielmehr der liebende Vater, der in seinem Sohn diesen erschütternden Tod auf sich nimmt und damit den größten Liebesbeweis an die Menschheit ablegt.
Gerade jungen Menschen versucht der Jugendkatechismus „Youcat“ auf die Frage „Warum musste uns Jesus ausgerechnet am Kreuz erlösen?“ folgende Antwort zu geben:
„Das Kreuz, an dem Jesus schuldlos grausam hingerichtet wurde, ist der Ort der äußersten Erniedrigung und Verlassenheit. Christus, unser Erlöser, wählte das Kreuz, um die Schuld der Welt zu tragen und das Leid der Welt zu leiden. So hat er die Welt durch seine vollkommene Liebe wieder zu Gott heimgeholt.“ (Nr. 101)
Bei den Exerzitien der deutschen Bischöfe in der vergangenen Woche hat der jesuitische Exerzitienleiter (Pater Josef Maureder SJ) uns darauf hingewiesen, dass wir das Erlösungsleiden vom Sohn her betrachten sollen. Gott, der Vater, ist der, der auf uns wartet. Durch Jesu Versöhnungsopfer sollen wir gütig gemacht werden, Gott zu empfangen, denn durch Jesu barmherziges Verhalten wird uns erst Umkehr zu Gott möglich.
In Jesus durchbricht der Vater den Kreislauf der Gewalt. Jesus hat gleichsam den Giftbecher, den andere gemischt haben, selbst ausgetrunken. So ist er unseren Leidensweg für uns bis zum bitteren Ende gegangen. Er hat sich nicht dem Leiden entzogen, sondern sich freiwillig in unser Leiden hinein begeben.
Und: Gott erweist in Jesu Hingabe, dass die Treue zum Leben führt. Dabei ist unsere Erlösung durch Jesus nicht auf sein Leiden und Sterben begrenzt, sondern von der Menschwerdung an durch sein ganzes Leben hindurch bis zum Tod am Kreuz der rote Faden seines Lebens.
Ist so bei allem Schmerz über diese erschütternde Lebenshingabe Jesu für uns nicht doch auch zutiefst Freude und Hoffnung für uns alle gegeben? Gott würdigt uns, Christus nachzufolgen, sein Kreuz auf uns zu nehmen und ihm nachzufolgen. Denn so können auch wir unseren Auftrag erfüllen, das Leid der Welt zu lindern. Im „Youcat“ heißt es auf die Jugendlichen hin gesprochen: „Wir können im Glauben unser eigenes Leid annehmen und fremdes Leid teilen. Auf diese Weise wird menschliches Leiden eins mit der erlösenden Liebe Christi und damit Teil der göttlichen Kraft, die die Welt zum Guten verändert.“ (Nr. 102)
Amen.