„Gott lässt sich finden von denen, die ihn aufrichtig suchen. Er kommt bei denen an, die ihn mit Sehnsucht erwarten“ las ich kürzlich.
Sie, liebe Schwestern und Brüder sind in dieser heiligen Nacht in den Würzburger Dom gekommen, um Gott zu finden, der uns im Kind von Bethlehem entgegenkommt. Die Vorfreude auf dieses Geschehen durfte schon die ganze Adventszeit erfüllen. Wie aber steht es mit unserer Sehnsucht?
Die Frohe Botschaft dieses Festes lautet: Gott liebt uns und er wartet auf unsere Liebe.
Nelly Sachs sagte einmal: „Alles beginnt mit der Sehnsucht.“ Ja, das ist wahr: Alles beginnt mit der Sehnsucht. Wir Menschen tragen so viele Sehnsüchte in uns, die zum Motor unseres Handelns werden, dass wir uns manchmal gar nicht mehr im Klaren darüber sind.
Wir sehnen uns nach Liebe, nach Angenommensein und Geborgensein, nach Gerechtigkeit und Frieden. Oft genug erfahren wir, dass diese unsere Sehnsucht nicht erfüllt wird. Enttäuschung, Frust und sogar Verzweiflung sind nicht selten die Folgen.
Die Botschaft dieser Heiligen Nacht lautet: Gott liebt uns und Er wartet auf unsere Liebe.
Gott ist der Ersthandelnde. Er schaut nicht abwartend auf seine Schöpfung. Er ist sich nicht einfach selbst genug, sondern Er handelt. Er tritt aus seiner Unendlichkeit, Ewigkeit und Allmacht in die von Ihm geschaffene Schöpfung ein. Gottes Heiliger Geist wirkt in der Jungfrau Maria die Fleischwerdung. Er wird so klein, wie man nur klein werden kann: ein Kind. Er liefert sich uns Menschen aus. Gibt es etwas Schutzbedürftigeres als ein kleines Kind, das in allem abhängig ist von seiner Mutter?
Und welche Geburtsumstände berichtet die Bibel: Er kommt nicht einmal in einem vernünftigen Haus zur Welt. Die Welt bietet ihm keine Herberge. Er wird vielmehr in eine Futterkrippe gelegt. Das ganze geschieht nicht unter den Augen der Weltöffentlichkeit sondern vielmehr in der Verborgenheit eines abgelegenen Landstriches von Judäa. Die Welt hält nicht den Atem an. Alles verläuft wie immer. Und heute?
Die Hirten auf dem Feld sind die ersten Zeugen – vorbereitet durch die Boten Gottes, die Engel. Auch wir brauchen heute Zeugen dieser Suche Gottes nach den Menschen. Unsere Sehnsucht braucht die Erkenntnis der Erfüllung im Geschehen der Heiligen Nacht. Wir dürfen Hirten werden, die dieses unerhörte Ereignis wahrnehmen und annehmen.
Der Glanz des Himmels verbirgt sich damals wie heute. Aber dennoch erschließt sich der Glanz denen, die sich aufmachen, suchen, anbeten.
Den Hirten wurde als Zeichen das Kind angekündigt, das in Windeln gewickelt in einer Krippe liegt. Uns wird in der Feier der heiligen Messe die Verkündigung des Evangeliums und der sich in Brot und Wein gegenwärtig setzende Heiland geschenkt. Das Kind in der Krippe, das Brot auf dem Altar: Nur wer mit dem Herzen sehen kann, begreift diese Zeichen der Liebe.
Der im Evangelium angesprochene Glanz, der die Hirten umstrahlte, mag bei uns ein wenig die Festlichkeit der Liturgie sein, die wir feiern. Aber der eigentliche Glanz ist die innere Freude und Glaubensgewissheit des Ereignisses der Menschwerdung, die uns den Erlöser beschert.
Um das erfahren zu können, brauchen wir die Sehnsucht nach Erlösung. Diese Sehnsucht wiederum verlangt nach Orientierung. Nicht Hektik, Lärm und Unstetigkeit, auch nicht Langeweile und Konsumverfallenheit, sondern Gelassenheit, Stille, Demut und der Wille zur Umkehr schaffen Voraussetzungen für diese beglückende Erfahrung.
Möge uns in dieser heiligen Nacht das Herz aufgehen im Hören der Botschaft: Gott hat ja gesagt zum Menschen, ja gesagt zu mir. Er kommt mir entgegen und nimmt mich an. Er wartet auf meine Liebe.
Unsere Mitmenschen warten auf unsere Liebe. Wir werden gleichsam zu Hirten auf den Fluren Bethlehems, wenn wir unsere Liebe denen schenken, mit denen wir zusammen leben, die uns begegnen und die uns brauchen.
Amen.
(0107/0009)