Die Definition des Paradieses nach Gerhard Polt
Ein Paradies ist immer dann,
wenn einer da ist,
der wo aufpasst,
dass keiner reinkommt.
So lautet die bayerische Definition des Paradieses von dem bekannten Kabarettisten Gerhard Polt. „Ein Paradies ist immer dann, wenn einer da ist, der wo aufpasst, dass keiner reinkommt“ – das heißt doch: Paradies, das gibt es nur im Modus des Verschlossen-Seins. Da kommt keiner rein. Paradies, das ist im wahrsten Sinne des Wortes „ex-klusiv“ – davon wird man ausgeschlossen.
Sündenfall und Verlust des Paradieses
Für seine Definition kann sich Gerhard Polt mit gutem Recht auf die Bibel berufen. Denn in der Geschichte vom Sündenfall wird erzählt, wie Gottvater Adam und Eva des Paradieses verwies. Und damit sie nicht mehr zurückkehren könnten, befahl er dem Engel mit dem Flammenschwert, am Eingang des Paradieses Wache zu halten und allen Unbefugten den Eintritt dahin zu verwehren. Die Paradiesespforte war endgültig zu. Vom Paradies reden heißt, vom Ausgeschlossen-Sein reden.
Die Nachahmung durch die Möchte-Gern-Paradiese dieser Welt
Was für das wahre Paradies gilt, versuchen die Pseudoparadiese dieser Welt zu kopieren. Um sich wichtig zu machen, setzen sie auf Exklusivität, darauf eben, dass „da einer ist, der wo aufpasst, dass keiner reinkommt“. Sei es in den feinen Hotels, den VIP-Lounges, den Edeldiscos und Edelclubs und den Luxustempeln dieser Welt, die dem normalen Menschen verschlossen bleiben, oder zu denen er nur nach peinlicher Kontrolle Zugang erhält. Ein bewährtes Mittel, um die Neugier und die Attraktivität zu steigern. Denn man will schon gerne wissen, wie es in dem vermeintlichen Paradies wirklich zugeht.
Erst im Verlust um das einstige Paradies wissen
Doch jenseits dieser billigen Paradieskopien bleibt es eine bittere Wahrheit: Paradies, das gibt es oft nur im Modus des Verlustes. Erst im Nachhinein geht einem zumeist auf, was man eigentlich gehabt hat. Erst wenn es einem abhandengekommen ist, spürt man den Verlust und kann ermessen, wie wertvoll es war und wie wenig man es zu schätzen wusste. Ansonsten hätte man es wohl nie soweit kommen lassen, dass man des Paradieses verwiesen worden wäre.
Weihnachten und die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies
• Die Weihnachtszeit ist wohl die Jahreszeit, in der wir uns am meisten nach den verloren gegangenen Paradiesen zurücksehnen. Wir erinnern uns an glückliche Kindertage, an denen wir Weihnachten im Kreis der Familie besonders intensiv und schön erlebt haben, und träumen von der unbeschwerten Geborgenheit und kindlichen Freude dieser längst vergangenen Tage.
• Viele Menschen erleben gerade an Weihnachten, wie sehr sie die Verluste im Leben schmerzen: nach der Flucht aus der angestammten Heimat, nach Trennung und nach Tod. Auch hier gilt, das oft erst im Verlust das einstige Gut so richtig ermessen wird und deshalb besonders schmerzt.
• Am Ende eines bewegten Jahres denken wir vielleicht aber auch darüber nach, wo in diesem Jahr Türen zugeschlagen wurden, sei es aus Zorn, Mutwillen oder Ärger oder weil man sich im Ton vergriffen hat. Im privaten Umfeld genauso wie in der politischen Debatte während des erhitzten Wahlkampfs. Und wie ein Glück jäh zerstört wurde – auch hier oft viel zu spät bemerkt. Es bleibt mühsam, die Türen wieder öffnen zu wollen.
• Oder wie aus Unachtsamkeit Türen lautlos ins Schloss fielen und wir uns selbst ausgeschlossen haben, weil wir das Gute für selbstverständlich hielten ohne zu erkennen, dass nichts im Leben selbstverständlich ist und dass man immer neu dafür kämpfen muss, dass die Dinge sich gut entwickeln und dass Beziehungen tragen.
• Vielleicht aber kommt uns auch in den Sinn, wie wir die Tür, die sich im vergangenen Jahr plötzlich für einen Spalt auftat, nicht genutzt haben. Verpasste Gelegenheiten, vermasselte Prüfungen, verstrichene Chancen…
Da ist es also wieder, das Paradies und der, „der wo aufpasst, dass keiner reinkommt“.
Ausgeschlossen und eingeschlossen zugleich
Ausgeschlossen heißt aber immer auch eingeschlossen: eingeschlossen in die eigenen Vorurteile, in den eigenen Zorn, in die eigene Trauer, in den eigenen unversöhnlichen Stolz. Das Paradies ist von außen verschlossen, aber wir schließen uns oft selbst ein, um uns zu schützen und abzugrenzen.
Weihnachten heißt, dass heute die Paradiespforte wieder geöffnet wird
Und doch gibt es Hoffnung. Denn Weihnachten heißt, dass Gott das Tor zum Paradies wieder öffnet.
Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis;
der Cherub steht nicht mehr dafür. Gott sei Lob, Ehr und Preis!
So dichtete Nikolaus Hermann in seinem Lied „Lobt Gott ihr Christen alle gleich“. Paradies gibt es ab heute ohne den abweisenden Türsteher. An die Stelle des Engels mit dem Flammenschwert treten heute die Engelchöre, die über den Feldern von Betlehem singen und die Menschwerdung Gottes bejubeln und die uns einladen, einzustimmen in den Lobpreis Gottes.
Christus als Paradiesespforte
Denn das Paradies ist nicht ein Ort, wie man meinen könnte. Sondern das Paradies meint Beziehung. In Jesus Christus, dem menschgewordenen Gottessohn, überbrückt Gott die Distanz zwischen Himmel und Erde. Hebt Gott den Fluch der Sünde auf, die uns von ihm trennte. So kann Jesus von sich sagen: „Ich bin die wahre Tür, wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden“ (Joh 10,9).
In Christus das verlorene Paradies wiedergewinnen
• Mit Christus gilt es an Weihnachten, zu Kindern Gottes zu werden, die neugierig sind und die darauf vertrauen, dass sich die Tür zur Bescherung auftut und dass Größeres auf uns wartet. Menschen, die mit leuchtenden Kinderaugen noch die Sehnsucht nach mehr in sich tragen.
• Mit Christus gilt es an Weihnachten, sich mit der eigenen Schwachheit zu versöhnen, weil Gott in dem kleinen Kind unsere menschliche Schwäche getragen hat und uns einen Zugang eröffnet zu unserer Verletzlichkeit, die wir annehmen können, weil er sie angenommen hat.
• Mit Christus gilt es, einander die Türen zu öffnen: vor allem den Menschen, die bei uns Zuflucht suchen und niemanden haben, der sie aufnimmt, damit ihnen nicht wie der Heiligen Familie bei der Herbergssuche die Tür vor der Nase zugeschlagen wird.
• Mit Christus, in dem die Macht der Sünde überwunden ist, gilt es Wege der Versöhnung und der Verständigung zueinander zu suchen, damit der weihnachtliche Friede Einzug halten kann.
Mit Christus zum Türöffner werden
Weil in Christus das Tor zum Paradies von innen her geöffnet wird, dürfen wir uns auch als Türöffner verstehen. Denn Weihnachten sagt, dass keine Tür mehr von Gott trennt seit der Heiland vom Himmel „Tor und Tür“ abgerissen hat, um den Zugang zum Leben Gottes weit zu öffnen.
Die Vierte O-Antiphon: Du öffnest und keiner kann schließen
O Schlüssel Davids,
Szepter des Hauses Israel –
Du öffnest, und niemand kann schließen,
du schließt, und keine Macht vermag zu öffnen:
o komm und öffne den Kerker der Finsternis und die Fesseln des Todes!
So haben wir in den letzten Tagen vor Weihnachten in der vierten der O-Antiphonen gesungen. Ja, Herr, du bist der wahre Schlüssel zum Leben. Du hast geöffnet und keiner kann mehr schließen. Komm und befreie uns aus den Kerkern, in die wir uns selbst eingeschlossen haben.
Komm und löse die Fesseln des Todes, damit wir in deinen Toren frei singen und jubeln.
Öffnen wir also Christus weit die Pforten unseres Herzens. Machen wir „hoch die Tür und weit das Tor“, damit der König endlich auch bei uns einzieht, heute an Weihnachten, und uns Anteil gibt an seinem Erbarmen und an seinem Frieden.
Amen.