Diese heiligen drei Tage, die wir jetzt feiern, sind im Grunde ein Tag:
Das Mysterium der Erhöhung Christi:
Wir feiern das Letzte Abendmahl,
den Tod Jesu am Kreuz
und seine Auferstehung.
Durch dieses Geschehen zeigt Gott uns seine unendlich große Liebe, mit der er uns in sein göttliches Leben hinein befreit.
Die beiden Lesungen des heutigen Festtages (Ex 12,1-8; 11-14 und 1 Kor 11,23-26) sowie das Evangelium (Joh 13,1-15) verkünden auf eindringliche Weise die Einheit von Paschamahl als Feier des Vorübergang des Herrn, und darin eingebettet die Einsetzung des Allerheiligsten Altarssakramentes im Abendmahl als bleibende Gegenwart des Herrn, „bis er (wieder)kommt“ (1 Kor 11,26).
Neuerdings sind die Einsetzungsworte Jesu – wie wir sie im Eucharistischen Hochgebet sprechen – wieder stärker ins Bewusstsein gekommen:
„Nehmet und esset alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird… Nehmet und trinket alle daraus: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und „für alle“ vergossen wird zur Vergebung der Sünden…“
Es geht um die Übersetzung des lateinischen Textes: „pro vobis et pro multis“, der vom Priester während des lateinischen Kanons gesprochen wird. Erst mit der offiziellen deutschen Übersetzung 1975 wurde das „pro multis“ im Deutschen mit „für alle“ wiedergegeben.
Ähnliches gilt für die englisch -, spanisch - und italienisch sprechenden Länder. Die französisch sprachigen Länder haben dagegen dieses Übersetzungsproblem nicht.
Worum geht es bei der vom Präfekt der Gottesdienstkongregation, Kardinal Arinze, im November 2006 – im Auftrag des Heiligen Vaters – verkündete Änderung von „für alle“ in „für viele“?
Es ist in der Theologie der Kirche unbestritten, dass Jesus für alle Menschen gestorben ist. Gottes Liebe zu uns Menschen ist schrankenlos. Papst Johannes Paul II. schrieb noch in seinem letzten – wenige Tage vor seinem Tode – veröffentlichen Gründonnerstagsbrief 2005: „Der Leib und das Blut Christi sind hingegeben für das Heil des Menschen, des ganzen Menschen und aller Menschen.“
Es ist wohl auch unbestritten, dass es sich im biblischen Text bei dem Opfer, das „für viele“ geschehen ist, in der semitischen Ausdrucksweise nicht nur um eine große Schar, sondern um die Gesamtheit der Menschheit handelt. Christus hat ja sein Fleisch „für das Leben der Welt“ hingegeben, wie wir auch bei Johannes (6,51) und im ersten Johannesbrief (2,2) nachlesen können.
Unser jetziger Heiliger Vater, Benedikt XVI., hat als Erzbischof von München und Freising in einem Artikel „Der Ursprung der Eucharistie im Ostergeheimnis“ geschrieben: „Im ganzen Neuen Testament und in der ganzen Überlieferung der Kirche ist immer klar gewesen, dass Gott das Heil aller will und dass Jesus nicht für einen Teil, sondern für alle gestorben ist. Er scheidet nicht zwischen solchen, die er nicht mag, nicht zum Heil lassen will, und anderen, die er bevorzugen würde; er liebt alle, weil er alle geschaffen hat. Deshalb ist der Herr für alle gestorben.“ (In: Eucharistie – Mitte der Kirche, Erich-Wewel-Verlag, München 1978).
Jesus ging es im Abendmahlssaal also mit dem Begriff „für viele“ nicht um die Frage, ob „alle“ oder vielleicht nur „viele“ in den Himmel kommen – das ist durch das bisher Gesagte schon eindeutig geklärt –, sondern darum, dass sein Ziel, „das Gottesvolk Israel angesichts der nahen Gottesherrschaft neu zu sammeln und zu heiligen“ (Gerhard Lohfink: Für wen ist Christus gestorben – für alle oder viele? In: Katholische Integrierte Gemeinde `Heute`3/2007, 3) verwirklicht wird.
Er sammelt im Abendmahlssaal nicht seine Familie um sich – was beim Pessach-Mahl durchaus üblich war, sondern er lädt die zwölf Jünger ein. Gerhard Lohfink (Ebd.): „Während des Mahles deutet er Brot und Wein auf seinen Tod. Und indem er den Zwölfen das Brot und den Wein reicht, gibt er ihnen Anteil an seinem Tod – und damit an sich selbst. Er gibt sich den Zwölfen im Brot und im Wein.
Man kann die Deuteworte, die er dabei spricht, nur dann wirklich verstehen, wenn Jesus sein Leben hergibt als ‚Sühne’ für den Unglauben des Gottesvolkes. Deshalb das ‚für euch’ in Lukas 22,20. Es richtet sich ja an die Mahlteilnehmer, also an die Zwölf. Die aber repräsentieren das endzeitliche Israel.“
Jesus gibt also sein Leben für Israel, für das Volk Gottes.
Und dennoch ist damit noch nicht alles gesagt. Jesus hat seinen bevorstehenden Tod sicherlich auf dem Hintergrund der Jesaja Texte (52-53) gesehen, die vom „Knecht Gottes“ sprechen, gegen den sich die „Vielen“ (damit sind die Völker gemeint) zusammenschließen. Sie quälen und töten ihn. Dieser Gottesknecht steht bei Jesaja für das von den Völkern bedrängte Israel. So hat sich auch Jesus selbst verstanden. Und vor diesem Hintergrund sind die „Vielen“ in den Abendmahlsworten Jesu „die Völker“. Jesus stirbt also nicht nur für Israel sondern auch für die Völker. „Nach alttestamentlicher Theologie ist Israel ja gerade das Zeichen Gottes für die Völker“, schreibt Gerhard Lohfink: „ Es soll für die Völker zum Segen werden.“ (Ebd.)
Dieser wichtige Zusammenhang wird durch das Bewusstmachen des ursprünglichen Wortlautes der Wandlungsworte wieder deutlicher. Abgesehen von der Ehrfurcht vor einer 2000-jährigen Worttradition dürfen wir uns wieder neu bewusst werden, dass wir, die kleine Schar des Gottesvolkes, das sich Gott zusammengesucht hat, für viele Verantwortung tragen.
Gott schafft das Heil für alle. Aber es muss auch von uns angenommen werden.
Ohne die innere Einheit von Jesu Willen aufzuheben, dürfen wir bis zur Neuübersetzung des Messbuches die seit 1975 im Deutschen gewohnten Wandlungsworte „für alle“ gebrauchen.
Wenn das zukünftige Messbuch mit der Neuübersetzung von „pro multis“ diese geschärfte Sicht des Gesamtzusammenhanges der Stiftung der heiligen Eucharistie wieder deutlich hervortreten lässt, dann gilt es diese tiefe Bedeutung den Mitfeiernden immer wieder – wie ich es gerade versucht habe – neu zu erschließen. Es geht nicht um eine Ausgrenzung, sondern um die besondere Beauftragung derer, die in der Christusnachfolge stehen. Diese Beauftragung des Volkes Gottes hat mit der Stiftung der heiligen Eucharistie im Abendmahlssaal ihren entscheidenden Anfang.
Die Fußwaschung aber geht der Einsetzung des Altarssakramentes voraus. Seine Liebe zu uns bindet auch uns in seine Nachfolge. Sind wir dazu bereit? Amen.
(1507/0554)