Einem verängstigten Volk in einer verwüsteten Landschaft ruft der Prophet vor mehr als zweieinhalbtausend Jahren (um 730 v. Chr.) zu:
Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf.“ (Jes 9,1 – erste Lesung)
Finsternis und Licht sind uns allen gewohnte Metaphern für Grundbefindlichkeiten und Lebenserfahrungen. Nicht umsonst durchleben wir die dunkelste Jahreszeit im Advent und bereiten uns auf das Fest des Lichtes mit dem strahlenden Weihnachtsbaum vor.
Als Kind war dies für mich ein starkes Erlebnis. Die langsam zunehmende Helligkeit beim sonntäglichen Entzünden einer weiteren der vier Kerzen am Adventskranz bereitete mich langsam auf das Erlebnis des alles überstrahlenden geschmückten Tannenbaums vor. Ein Stückchen Himmel wurde erlebbar. Ein Strahl göttlicher Wirklichkeit brach in mein kleines Leben ein.
Leider wird heute diese Erfahrung durch die schon weihnachtlich voll erleuchteten Märkte und Geschäfte sehr gedämpft. Die allzeit verfügbare Lichtflut schränkt die tiefe menschliche Sehnsucht nach Licht ein. Wonach soll man sich sehnen, wenn man schon alles in der Sehnsucht Erwartete hat? Was soll man sich noch wünschen, wenn man alles Begehrenswerte schon besitzt und mit Konsum reichlich eingedeckt ist? Mit der Sehnsucht nach Licht verbindet sich aber zutiefst auch das Verlangen nach Geborgenheit, Friede und Liebe. Und genau das wird mit Konsum und dem äußeren Besitz des Lichtes nicht erreicht.
Wenn Weihnachten nur auf eine romantische Familienidylle reduziert wird, die leider oftmals auch nur noch Fassade ist, aber nicht den eigentlichen Inhalt, das Licht der Welt, das in Jesus Christus zu uns gekommen ist, als das Begehrenswerte, als die Mitte und Erfüllung sieht, dann wird das Weihnachtsfest für viele zu einer Mogelpackung. Wen wundert es, dass dann manche junge Menschen noch in der Nacht ausrücken und mit Gleichaltrigen auf ihre Art feiern wollen.
Der Prophet verkündete seinem Volk: „Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter.“ (Jes 9,5) Und dann folgt eine Reihe von gewichtigen Bezeichnungen, die die Bedeutung dieses Kindes aufschlüsseln: „Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.“
In Jesus Christus ist uns nicht nur ein Kind geboren worden, das – wie jedes andere neugeborene Kind – signalisiert, dass Gott diese Welt noch nicht aufgegeben hat, sondern in diesem Kind von Betlehem ist Gott selbst zu uns gekommen!
Alle Jahre wieder werden rechtzeitig vor Weihnachten die Berichte über Jesu Geburt kritisch auseinandergepflückt und in Zweifel gezogen. Dieses sich jährlich wiederholende Verfahren darf uns aber nicht blind dafür machen, dass in unserer Zeit eine schleichende bis hin zu offenem Kampf bereite atheistische Welle unser Land überflutet. Plakate bekennender Atheisten wie: „Da ist wahrscheinlich kein Gott. Also sorg dich nicht. Genieß das Leben.“ wurden in Bahnen, Zügen, an öffentlichen Plätzen in 250 Städten und Dörfern – gut sichtbar und in dreifarbigen Großbuchstaben gedruckt – in einem Nachbarland drei Monate vor diesem Weihnachtsfest angebracht. Diese Art ‚Freudenbotschaft’, die manchem unserer Zeitgenossen aus dem Herzen sprechen mag, da sie die Bindung des Christen an den Willen Gottes aufheben möchte, ist nur ein Merkmal des neuerlichen Zeitgeistes. Dabei zeigt die unverantwortliche Gier nach Geld, in deren Gefolge die Weltwirtschaftskrise über uns hereingebrochen ist, der bedrohliche Weltklimawandel, der auch aus unverantwortlicher Ausbeutung der Schöpfung erwachsen ist, der greifbare moralische Verfall bis hin zur Anmaßung über das Leben einzelner (auch Ungeborener) entscheiden zu dürfen, die ungerecht verteilten Güter dieser Erde, die weltweit wachsende Hungersnot, der zunehmende Wassermangel – dabei zeigt all das, zusammen mit dem unverständlichen europäischen Kreuz-Urteil, welcher Geist sich ausbreitet. Dies deckt sich nicht mit den prophetischen Bezeichnungen für das Kind von Betlehem, lässt sie aber umso eindringlicher für uns werden: „Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.“
Mit der Menschwerdung Gottes, mit der die Zeitenwende gekommen ist, ist das Licht der Welt erschienen, das die Dunkelheit unseres Lebens aufhellen kann. Mit der Geburt Jesu Christi ist uns der Schlüssel zu einem erfüllten Leben in die Hände gelegt worden. „Wären Hirten oder Jünger eine diskutierende Klasse geblieben“, bemerkte ein zeitgenössischer Schriftsteller (Erich Kock), „dann wäre das Evangelium mit Sicherheit nie unter die Leute gekommen. Denn dies Evangelium ist eben kein bloßer Diskussionsbeitrag oder eine Randbemerkung zur Weltgeschichte, sodass man darüber zur Tagesordnung übergehen könnte.“ (wendelinusbote, 03/2009, S. 8) Diese Frohbotschaft von der Menschwerdung Gottes ist Zündstoff für eine Welt, die sich alleine nicht aus der Dunkelheit auswegloser menschlicher Katastrophen befreien kann. Was müssen wir tun, damit diese Frohe Botschaft auch greift?
Die Hirten haben sich aufgrund der Botschaft der Engel auf den Weg zur Krippe gemacht, um das verheißene Kind, den Retter, den Messias zu finden – und anzubeten. Genau das gilt auch für uns.
Sie, liebe Schwestern und Brüder, haben sich in der heutigen heiligen Nacht auf den Weg gemacht, um dasselbe Kind zu finden, das sich damals wie heute in seinem zerbrechlichen Menschsein an uns ausgeliefert hat. Erkennen auch wir das vom Engel verkündete Zeichen: „Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt“ (Lk 2,12)?
Ziehen auch wir für uns die Konsequenzen, damit seine Gottesherrschaft für alle Menschen zur erfahrbaren Realität wird!
Amen.