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Dokumentation

Gottes Gegenwart inmitten der Welt

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung am Gründonnerstag, 1. April 2021, im Würzburger Kiliansdom

Jubiläumsjahr: 800 Jahre Ankunft der Franziskaner in Würzburg, ältestes Kloster Deutschlands

Wir dürfen in diesem Jahr mit unseren Minoriten auf 800 Jahre franziskanischer Präsenz in Würzburg zurückschauen. Unser Minoritenkloster ist das älteste, ununterbrochen bestehende Kloster nördlich der Alpen und wurde 1221 noch zu Lebzeiten des heiligen Franziskus gegründet. Es reicht also bis in den Ursprung der Ordensgründung selbst zurück. Das möchte ich in diesem Jahr zum Anlass nehmen, die heiligen drei Tage im Licht des heiligen Franziskus zu betrachten.

Franziskus und die Eucharistie

Heute am Gründonnerstag geht es um die tiefe Eucharistie-Frömmigkeit des heiligen Franziskus. Die ist ein Zug seiner Persönlichkeit, der nicht sehr bekannt ist. Und doch kann man Franziskus nur verstehen, wenn man seine tiefe Verehrung der Eucharistie kennt. In seinem Brief an den Orden schreibt er:

Der ganze Mensch erschauere, die ganze Welt erbebe und der Himmel juble, wenn auf dem Altar in der Hand des Priesters „Christus, der Sohn des lebendigen Gottes ist“!

O wunderbare Hoheit und staunenswerte Herablassung! O erhabene Demut, o demütige Erhabenheit, dass der Herr des Alls, Gott und Gottes Sohn, sich so erniedrigt, dass er sich zu unserem Heil unter der anspruchslosen Gestalt des Brotes verbirgt!

Seht, Brüder, die Demut Gottes und schüttet euer Herz vor ihm aus. Demütigt auch ihr euch, damit ihr von ihm erhöht werdet! Behaltet darum nichts für euch zurück, damit euch als Ganze aufnehme, der sich euch ganz hingibt.

(1225, Brief an den Ganzen Orden, 2)

Ehrfürchtige Teilnahme am Gottesdienst und Ehrfurcht vor dem Geheimnis der Eucharistie

Der ganze Mensch erschauere, die ganze Welt erbebe und der Himmel juble,

wenn auf dem Altar in der Hand des Priesters „Christus, der Sohn des lebendigen Gottes ist“!

Gegen alle Gewöhnung des Messbesuchs betont Franziskus das ganz Ungewöhnliche, ja Umstürzende, das sich bei jeder Messe ereignet, das wir aber nur selten in dieser Intensität wahrnehmen. Der Mensch soll erschauern, weil er plötzlich dem lebendigen Gott gegenübertritt. Die Welt soll beben, weil Gottes Herrlichkeit in dieser Welt offenbar wird. Und der Himmel soll jubeln, weil in der Eucharistie Himmel und Erde miteinander verbunden werden, Gottes Gegenwart inmitten der Welt sichtbar wird.

Man könnte auch so sagen: Immer wenn ein Mensch wirklich erschaudert, weil ihm plötzlich zu Bewusstsein kommt, was hier gefeiert wird, dann löst das gewissermaßen ein Erdbeben aus und dann beginnt der Himmel in Lobpreis auszubrechen. Denn so hat es Franziskus selbst erlebt. Als ihm einmal das Ungeheuerliche aufgegangen war, das da gefeiert wird, wusste er, dass er sein Leben ändern muss. Die Wandlung war nicht nur ein Teil der Liturgie, des Gottesdienstes, sondern sein ganzes Leben wurde zu einem einzigen Gottesdienst.

Der Hymnus auf das Geheimnis der Menschwerdung

O wunderbare Hoheit und staunenswerte Herablassung! O erhabene Demut, o demütige Erhabenheit, dass der Herr des Alls, Gott und Gottes Sohn, sich so erniedrigt, dass er sich zu unserem Heil unter der anspruchslosen Gestalt des Brotes verbirgt!

Franziskus staunt und er lässt uns teilhaben an seinem unendlichen Staunen. Er staunt über die unendliche Hoheit Gottes, der in Christus Mensch wird und sich herablässt in die Niederungen dieser Erde.

Das Wunder des Gottmenschen Jesus Christus meditiert er in einem herrlichen paradoxen Bild:

Er spricht von der erhabenen Demut und der demütigen Erhabenheit. Die erhabene Demut hat nichts mit Unterwürfigkeit zu tun oder mit falscher Bescheidenheit. Nein, erst im Gottmenschen Jesus Christus, der sich nicht zu schade ist, den Menschen zu dienen, zeigt sich, wozu der Mensch berufen ist. Der Dienst ist nichts Schäbiges oder Minderwertiges, sondern die Norm, die Christus uns vorgelebt hat.

Mit demütiger Erhabenheit beschreibt Franziskus den Gott, der nicht stolz, dünkelhaft oder überheblich auf die Welt herabschaut. Seine Größe und Gottheit erweist gerade in seinem Dienst. Nur weil er gewissermaßen über jeden Zweifel erhaben ist, gebührt ihm Anbetung und Ehre. Er zwingt niemanden in die Knie wie die Herrscher der Welt, die andere klein halten wollen. Sondern er verdient jede Ehre, weil er den Menschen in seiner Würde erhöht.

Er verbirgt sich, wie Franziskus sagt, in der anspruchslosen Gestalt des Brotes, das ebenso unscheinbar und alltäglich wie lebensnotwendig zugleich ist.

Aufforderung zum Dienst

Seht, Brüder, die Demut Gottes und schüttet euer Herz vor ihm aus. Demütigt auch ihr euch, damit ihr von ihm erhöht werdet! Behaltet darum nichts für euch zurück, damit euch als Ganze aufnehme, der sich euch ganz hingibt.

Die Konsequenz ist eindeutig und unmissverständlich. Wenn Gott sich demütigt, muss dem Menschen das Herz aufgehen. Behaltet nichts für euch zurück, gebt nicht immer nur unter Vorbehalt oder unter Zwang oder wenn es gar nicht mehr anders geht. Nein, behaltet nichts für euch zurück, sondern wie Gott sich in Christus ganz verausgabt hat, so müsst auch ihr euch füreinander verausgaben, um dem Herrn etwas von dem zurückzuerstatten, was er euch rückhaltlos geschenkt hat. Nur wer sich ganz hingibt, darf auch darauf hoffen, ganz aufgenommen zu werden.

Dreischritt als untrennbare Einheit

Ehrfurchtsvolle Mitfeier des Gottesdienstes – Staunen über die Offenbarung der Liebe Gottes – Aufforderung zum Dienst, alle drei Vollzüge gehören für Franziskus untrennbar zusammen. Und so wird er nicht müde, immer wieder dazu zu ermahnen, sorgfältig und schön den Gottesdienst vorzubereiten. Den Sakristanen und Priestern redet er ins Gewissen, die Altartücher und Kelchtüchlein zu reinigen. Die Kelche und Opferschalen sind unbedingt sauber zu halten, ja, nur kostbare Kelche und Schalen zu haben, denn für Gott ist nur das Beste gut genug. Wenn sie irgendwo in Kirchen Schmutz sehen oder sehen, wo der Leib Christi unwürdig aufbewahrt wird, sollen sie sofort darangehen, die Missstände abzustellen.

Für Franziskus ist klar: wer unwürdig, oberflächlich und unachtsam die Heilige Messe feiert, der wird auch dem Anspruch nicht genügen können, der von der Messe ausgeht. Wer Christus nicht ehrt im Sakrament, sagt Franziskus, der wird ihn auch nicht ehren in den Armen. Wer vor der demütigen Gestalt des Brotes keine Ehrfurcht empfindet in der Messe, der wird auch an den armseligen und unscheinbaren Gestalten der Bettler und Hilfsbedürftigen vorbeigehen und sie übersehen. Gottesdienst der Kirche und Gottesdienst des Lebens gehören für Franziskus immer zusammen.

Abendmahlssaal

Genau das ist auch die Botschaft, die vom heutigen Evangelium ausgeht. Auch hier findet sich der Dreischritt des Franziskus: Ehrfurchtsvolle Mitfeier des Gottesdienstes – Staunen über die Offenbarung der Liebe Gottes – Aufforderung zum Dienst. Jesus wäscht den Jüngern wie in einem gottesdienstlichen Akt die Füße. Sie müssen mit Staunen erkennen: der Meister selbst macht sich zum Diener. Und Jesus fragt sie, ob sie denn verstanden hätten, was er an ihnen getan hat? „Wenn ich der Meister euch die Füße gewaschen habe, müsst auch ihr einander die Füße waschen!“ Wer so etwas erlebt hat, der muss sich das Vorbild Jesu zum Maßstab eigenen Handelns machen.

Franziskus war diese Stelle aus dem Evangelium so wichtig, dass er sie sich am Ende seines Lebens auf dem Sterbebett noch einmal vorlesen ließ.

Zuletzt ließ er sich das Evangelienbuch bringen und bat, man möge ihm das Evangelium nach Johannes vorlesen von der Stelle an, wo es heißt: „Sechs Tage vor Ostern, da Jesus wusste, dass für ihn die Stunde gekommen war, aus dieser Welt hinüber zum Vater zu gehen.“ Auch der Minister hatte sich vorgenommen, dieses Evangelium zu lesen, noch ehe es ihm geboten wurde. Er stieß sofort auf diese Stelle, als er das Buch zum ersten Male öffnete, obwohl es eine vollständige Ausgabe der ganzen Heiligen Schrift war, aus der das Evangelium gelesen werden sollte.

Der, der sie ihm vorlesen soll, muss sie nicht erst lange in der Bibel suchen. Er schlägt sie auf wundersame Weise gleich richtig auf. Die Fußwaschung als Ausdruck erhabener Demut und demütiger Erhabenheit war ihm zum Mittelpunkt seiner eigenen Frömmigkeit geworden.

Die Herausforderungen von Corona

Für die Corona-Pandemie, die uns nun seit über einem Jahr fest im Klammergriff hält, gilt das Vermächtnis Jesu auch unvermindert. Wir brauchen die Vergewisserung im Gottesdienst. Denn die Feier des Gottesdienstes unterbricht unseren Alltag und öffnet uns die Augen dafür, was Gott an uns tut. Wir müssen auch das Staunen wieder lernen über einen Gott, der sich nicht zu schade ist, sich für die Menschen die Hände schmutzig zu machen. Und wir brauchen Menschen, die bereit sind, alles zu geben, so wie Jesus alles gegeben hat. Dankenswerterweise gibt es in unseren Tagen so viele Zeugen, die in ihrem täglichen Dienst, unter Anstrengungen, Mühen, unter Müdigkeit und Mehrfachbelastung, zuweilen auch trotz der traurigen Erfahrungen von Undankbarkeit unverdrossen ihren Dienst tun. Sie sollen heute Abend hier zu Wort kommen, an diesem Abend, an dem die Jünger erschauderten, die Erde bebte und der Himmel in Jubel ausbrach.