Wie das Fronleichnamsfest, das „Hochfest des Leibes und Blutes Christi“ seinen Bezug zum Gründonnerstag in der Heiligen Woche hat, so steht das einen Tag nach dem Oktavtag von Fronleichnam gefeierte Hochfest „Heiligstes Herz Jesu“ in Beziehung zum Karfreitag. Darum haben wir auch gerade das Evangelium von der Kreuzigung Jesu nach Johannes gehört. Gott wird Mensch in Jesus von Nazareth, in ihm zeigt er seine Liebe und Nähe zu unserer Welt und zu jedem Menschen in ihr. Er wird geboren im Stall oder in der Höhle, abseits von den Mächtigen der Welt. Er kommt zur Welt im Dreck und Dunkel unseres Lebens. Er stirbt keinen schnellen, leisen und schmerzlosen Tod, wie wir ihn uns vielleicht für unser Leben wünschen. Er stirbt am Kreuz einen brutalen und schmerzerfüllten Tod, um uns seine Liebe, das Herz Gottes für diese Welt zu zeigen: Es ist nicht der richtende Gott, es ist der barmherzige Gott, der uns nahe ist im Leben und Sterben, in unserem Versagen und Vergehen, in Schuld und Tod. Der Apostel sagt es in der Lesung des Epheserbriefes so: „Durch den Glauben wohne Christus in euren Herzen, in der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet. So sollt ihr mit allen Heiligen dazu fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und die Liebe Christi zu erkennen, die alle Erkenntnis übersteigt“ (Eph 3,17-19). Gottes Liebe reicht bis in die Untiefen und Unergründlichkeiten unseres Lebens.
Die Fenster zum Kirchenjahr an der Ostseite der Sepultur in unserem Dom enden im letzten Fenster nicht mit dem Weltenrichter, sondern mit dem Verweis auf den Gründonnerstag und den Karfreitag, dem Fronleichnams- und dem Herz-Jesu-Fest.
Wie eine Fontäne steigt vor einem sanftgrünen Hintergrund ein Band empor, das oben die Symbole von Brot und Wein, von Kelch und Ähre zeigt. Klein die Hostie, das Brot des Lebens; und unscheinbar das Kreuz als Zeichen der Liebe Gottes. „Das ist mein Leib“, sagt Jesus im Abendmahlssaal: Ich lasse mich verzehren, damit ihr leben könnt. Ich richte nicht, ich möchte euch ausrichten auf meine Liebe, damit auch ihr lieben könnt. Mit dem Brot, das ich gebe und das ich bin, richte ich auf.
Dominant in diesem Fensterbild ist das Herz mit den vielen Tropfen. Dieses Herz will sich verströmen, sich verausgaben. Es zerreißt Gott das Herz, so sehr liebt er den Menschen. Er zeigt es uns am Kreuz. „Aus seinem Herzen entspringen die Sakramente der Kirche“, so beten wir in der Präfation am heutigen Herz-Jesu-Fest. Die Sakramente sind die Zeichen der Nähe Gottes zu uns Menschen, Heilmittel für die Welt, Medikamente, damit unheiles Leben Heil erfährt. Gott hat ein Herz für uns, das ist die Botschaft des Karfreitages und des heutigen Festes. Schönes und Gutes mag unsere Herzen öffnen. Gott hat ein Herz auch für das Elende und Verdorbene, für den Abgeschriebenen und den Sünder. Gottes Herz ist offen für alle Menschen – wie der Mensch auch immer ist. Das zeigt er uns in der geöffneten Seite des Gekreuzigten.
„Man sieht nur mit dem Herzen gut“ (Antoine de Saint-Exupéry) wird uns geraten, wenn das Leben gelingen soll. Wie viel mehr gilt dies für Gott, der uns in Jesus seine grenzenlose Liebe gezeigt hat: ER sieht wahrlich nur mit dem Herzen – und so wird bei IHM alles gut. Das Herz macht keine großen Worte, so Jesus auch nicht. Auf dem Weg vom Abendmahlssaal nach Golgotha spricht er nicht über die Sorgen und Nöte von uns Menschen, er kennt sie. Mit dem Kreuz trägt er die Last und Bürde unseres Lebens. Er schweigt. Gott sagt nichts – er liebt. Er hat ein Herz aus Fleisch. Er ist Mensch geworden bis ans Kreuz. Im Kreuz zeigt er uns seine Barmherzigkeit. An seinem Herzen liegt und endet unser Leben. Amen.