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Dokumentation

Gottes überfließende Fülle

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung beim Pontifikalamt zum Mozartfest am Sonntag, 18. Juni 2023

Die Zeit der Aufklärung und die Entstehung der „Missa Brevis“

Unsere Kirchenmusik in Salzburg ist sehr verschieden von der in Italien,

und das um so mehr, als eine volle Messe mit dem Kyrie, Gloria, Credo, der Epistel-Sonate, dem Offertorium oder Motetto, Sanctus und Agnus Dei,

auch die feierlichste,

wenn der Fürstbischof selber die Messe zelebriert,

nicht länger dauern darf als höchstens dreiviertel Stunden.

Es bedarf eines besonderen Studiums für diese Schreibart;

und dazu muss es auch noch eine Messe mit vollem Orchester sein, mit Trompeten, Pauken usw. – Sehr verschieden von der in Italien!“

So schreibt Mozart in einem Brief am 4. September 1776 nach Bologna an seinen geschätzten Lehrer des Kontrapunkts, Padre Martini. Schnell muss es also gehen am Sonntag. Ein Hochamt dauert bei seiner Exzellenz, dem Herrn Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo, höchstens eine Dreiviertelstunde. Da möchten sich die hohen Herren doch mal ein Beispiel nehmen, höre ich jetzt schon den einen oder anderen munkeln…

Ganz den Idealen der Aufklärung verschrieben, setzte der Salzburger Kirchenfürst alles daran, die Liturgie zu entschlacken, die Bedeutung des Wortes Gottes wieder neu herauszustellen und die Belehrung zur Hebung der Sitten einzuschärfen.

Die Musica Sacra wurde dazu in ihre Schranken gewiesen. Wie gesagt: das volle Programm zwar, aber bitte in 45 Minuten! Das war der Beitrag des Oberhirten zur Entbarockisierung der Kirchenmusik im Fürstbistum Salzburg.

Die Beschränkung zwingt zur Konzentration

Wie so oft im Leben könnte man jetzt das große Klagelied anstimmen über den bösen Erzbischof, der nicht nur mit der Zeit knauserte, sondern sehr zum Leidwesen Mozarts auch mit der Bezahlung.

Aber ebenso oft gilt, dass ungeliebte Vorgaben zu kreativen Lösungen zwingen und einladen, sofern man nicht beleidigt hinwirft und kapituliert. Mozart hat zähneknirschend die Herausforderung angenommen. Das Ergebnis der erzbischöflichen Vorgaben ist die Komposition der „Missa Brevis“, heute also der „Missa Brevis in F-Dur“. „Missa Brevis“ heißt nichts anderes als „Kurze Messe“. Denn das gesamte Messordinarium wurde in äußerst konzentrierter und knapper Form vertont.

Missa Brevis“ und „Oratio Brevis“

Das führt mich zu einem ersten Punkt. In der Kürze liegt die Würze. Das gilt nicht nur für die Predigt, sondern auch für die Musik. Die Beschränkung macht den Meister. Denn in der Beschränkung muss man sich auf das Wesentliche konzentrieren und alles andere beiseitelassen, auch wenn es noch so wehtut.

Der Gewinn ist meist erstaunlich groß. Denn die Fassungskraft der Zuhörer wird jetzt zum Maßstab erhoben und nicht die Freude des Künstlers, sich ohne Rücksicht auf Verluste auszutoben.

Liturgisch ist der Gewinn ebenfalls nicht zu unterschätzen, da muss man dem Herrn Erzbischof schon Recht geben. Denn zur tätigen Mitfeier ist es sicher günstig, wenn das Kirchenvolk nicht nur in die Rolle des passiven Zuhörers gezwungen wird.

Schließlich aber bleibt festzuhalten, dass die Qualität des Betens sich nicht nach der Länge des Gebets bemisst. Das wussten schon die Wüstenväter, die Mönche und alle Lehrer des Gebets. Es geht nicht darum, stundenlang zu beten.

Vielmehr muss es darum zu tun sein, mit ganzem Herzen zu beten. Das ist aber erfahrungsgemäß nur kurz und bei rechter Sammlung möglich.

Insofern ist die Form der „Missa Brevis“ auch eine willkommene Einladung, über das eigene Beten nachzudenken. Kurz, aber dafür heftig! So geht es richtig.

Der Credo Stoßseufzer in der Kleinen Credo-Messe

Das führt mich zu einem zweiten Punkt, der mit dem vorgenannten zusammenhängt. Wenn der „Kurzen Messe“ auch das „Kurze Gebet“ angemessen ist, dann ist eines der kürzesten Gebete sicher das Stoßgebet. Ein Seufzer aus tiefem Herzen; das sich an die Brust schlagen, wenn man wieder in den altbekannten Fehler zurückgefallen ist; ein Psalmvers; oder ein geistlicher Hilferuf gen Himmel – die Bibel und unser Alltag kennen den Stoßseufzer und das Stoßgebet.

Mozart greift in seiner „Missa Brevis in F-Dur“ gewissermaßen auf die Praxis des Stoßseufzers zurück. Das zeigt sich besonders im Credo, also in der Vertonung des Glaubensbekenntnisses. Denn wie ein Stoßseufzer oder ein Stoßgebet wird hier das Bekenntnis „Credo“, zu Deutsch „Ich glaube“, wiederholt. Der Ruf „Credo“ vor jedem neuen Abschnitt des Glaubensbekenntnisses gliedert das Musikstück. Wie ein Refrain durchzieht er die musikalische Bearbeitung des Glaubensbekenntnisses.

Dadurch unterstreicht Mozart, wie sehr er sich selbst mit den Inhalten dessen identifiziert, was den christlichen Glauben ausmacht. Die charakteristische Wiederholung der 13 „Credo“-Rufe hat dieser „Missa Brevis“ auch die Bezeichnung als „Kleine Credo-Messe“ eingetragen. „Credo“, „Ich glaube“, ist in der Tat ein sehr schönes, kurzes Gebet des Herzens. Es drückt unser Vertrauen in Gott aus und unsere Hoffnung, dass er am Ende alles zum Guten führen möge, was wir in seinem Namen begonnen haben.

Die Zahl 13 möchte ich hier übrigens nicht als Unglückszahl verstanden wissen, sondern als Zahl der Überfülle, was durch das „zwölf plus eins“ zum Ausdruck kommt.

Das Evangelium und das Stoßgebet „Das Himmelreich ist nahe“

Ein Letztes. Schauen wir auf unser heutiges Evangelium von der Berufung der Jünger und ihrer Aussendung, finden wir auch ein Stoßgebet. Es lautet kurz und knapp: „Das Himmelreich ist nahe!“

Diese Zeitansage Jesu verändert alles. Wenn Gottes Reich wirklich nahe ist, wenn seine Herrschaft schon angebrochen ist, dann ist eigentlich nichts mehr unmöglich. Wie das „Credo“ der Messe ist die Ankündigung des nahen Himmelreichs ein Glaubensbekenntnis. Die Folgen dieses Bekenntnisses skizziert Jesus in den Anweisungen für die Jünger.

Das nahe Himmelreich verändert die Welt

Kranke sollen sie heilen. Menschen sollen sie aus der Depression und der Mutlosigkeit herausführen, weil Gesundung möglich ist und weil der Glaube an die rettende Nähe Gottes die eigenen Ressourcen wachruft.

Tote sollen sie aufwecken. Sie sollen Menschen ins Leben zurückrufen, die sich aufgegeben haben oder von anderen aufgegeben wurden. Denn Christus hat die Macht des Todes ein für alle Mal gebrochen.

Aussätzige sollen sie reinmachen. Menschen, die ausgegrenzt wurden und von anderen stigmatisiert werden, sollen sie ihre Gemeinschaft anbieten. Ebenso hat Jesus genau die Nähe derer gesucht, die keinen Platz in der Gesellschaft hatten, um ihnen die Nähe Gottes anzubieten.

Und Dämonen sollen sie austreiben. Diese Dämonen haben nur so lange Macht, solange man sie nicht bei ihrem Namen nennt. Wird aber das Böse offen angesprochen und beim Namen genannt, verliert es in aller Regel seine Macht über uns und unser Leben. Wo das Himmelreich nahe ist, werden die dämonischen Kräfte gebannt und um ihren Einfluss und ihre Macht gebracht.

Das „Göttliche Umsonst“

Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben!

So heißt der letzte Auftrag des Herrn an seine Jünger.

Dieses „Göttliche Umsonst“ vermittelt uns immer neu die Musik von Wolfgang Amadeus Mozart. Begabt wie kein anderer, originell und verspielt zugleich, vermittelte er seinen Zeitgenossen ein Gefühl für die überfließende göttliche Fülle. Sie kommt uns in allen seinen Werken bis heute entgegen, in denen er uns sein Genie umsonst schenkt. Und sie sagen uns immer wieder neu: „Das Himmelreich ist nahe!“ Und: „Ich glaube“, „Credo“.

Amen.