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„Gottes Wille ist immer Wille zum Heil“

Dokumentation
Predigt von Bischof Dr. Franz Jung zum Diözesanen Priestertag am Montag, 3. November 2025, im Würzburger Neumünster

Liebe Mitbrüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst,

liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

etwas vom Schönsten, was ich persönlich seit meiner Münchner Studienzeit mit der Person Pater Rupert Mayers verbinde, ist das Gebet, das in der Bürgersaalkirche in München immer auslag und noch ausliegt. Ich möchte dieses Gebet am heutigen Priestertag mit Ihnen gemeinsam meditieren. Es lautet:

Herr, wie Du willst, soll mir gescheh’n,

und wie Du willst, so will ich geh’n,

hilf Deinen Willen nur versteh’n.

Herr, wann Du willst, dann ist es Zeit,

und wann Du willst, bin ich bereit,

heut und in alle Ewigkeit.

Herr, was Du willst, das nehm‘ ich hin,

und was Du willst, ist mir Gewinn,

genug, dass ich Dein eigen bin.

Herr, weil Du’s willst, drum ist es gut,

und weil Du’s willst, drum hab‘ ich Mut,

Mein Herz in Deinen Händen ruht!

Eingängig ist das Gebet durch die Reimform, in der alle vier Strophen gehalten sind. Die gereimten Strophen lassen sich gut memorieren. Schön ist das Gebet durch die formale Gleichgestaltung der vier Strophen. Jede Strophe hebt an mit der Anrufung Gottes als Herr des Lebens. Der Beter unterstreicht damit die Souveränität Gottes, dessen Wille ihm Befehl ist, dem er bedingungslos entsprechen möchte.

Biblisch klingt in dem Gebet die Ölbergszene an: Wir könnten uns Jesus als Betenden vorstellen, der in der Agonie darum ringt, sich den Willen des Vaters zu eigen zu machen. „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe“, betet Jesus (Mt 26,39), genauso wie er es zuvor seine Jünger in der Übergabe des „Vater-Unser“ gelehrt hatte (Mt 6,10).

Auf den ersten Blick mutet das Gebet fatalistisch an. Es klingt nach totaler Schicksalsergebenheit. Aber der erste Eindruck täuscht. Bei genauerem Hinsehen merkt man, dass der Beter sich nicht einfach passiv in sein Los schickt. Über alle Schicksalsergebenheit dominiert sein Gottvertrauen. Er weiß sich in den Händen des himmlischen Vaters geborgen. Er weiß im Innersten, dass der Vater im Himmel es gut mit ihm meint.

Dieses Gottvertrauen bildet die Grundlage für seine Bereitschaft, aus den Händen des himmlischen Vaters das entgegenzunehmen, was für ihn bestimmt ist. Aus diesem Gottvertrauen gewinnt der Beter die Zuversicht, die Herausforderungen, die das Leben für ihn bereithält, auch meistern zu können. Schauen wir uns die vier Gebetsstrophen kurz an. Ich möchte sie im Folgenden im Blick auf die Grundhaltungen des geistlichen „Empowerments“ auslegen, wie sie der Pastoralpsychologe Christoph Jacobs wiederholt dargelegt hat.

Herr, wie Du willst, soll mir gescheh’n,

und wie Du willst, so will ich geh’n,

hilf Deinen Willen nur versteh’n.

Mein Leben verläuft gerade anders als von mir geplant. Der Beter lehnt sich aber nicht dagegen auf. In Anlehnung an die Worte der Gottesmutter nach der Verkündigung Gabriels sagt er: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Das Neue ist eine Zäsur, vielleicht auch das abrupte Ende des bisherigen Lebensabschnitts. Für den Beter wird aber dieses Ende zum Neubeginn. Ich habe es mir nicht ausgesucht, aber ich will diesen Weg nun gehen, der sich vor mir unerwartet aufgetan hat. Das Einzige, was er erbittet, ist ein vertieftes Verständnis dessen, was da jetzt auf ihn zukommt. Entsprechend der Bitte des heiligen Augustinus, „Gib, was du befiehlst, und befiehl, was du willst“ („Da quod iubes et iube quod vis“ Conf. X.29).

„Ambiguitätstoleranz“ heißt das Zauberwort in der aktuellen Debatte der Pastoralpsychologie. Ambiguitätstoleranz braucht es in neuartigen Situationen, die nicht nur kompliziert sind, sondern komplex. Das heißt, es gibt keine einfachen oder eindimensionalen Lösungen, sondern hier passiert etwas ganz Neues, das uns eine Reaktion auf unterschiedlichen Ebenen abverlangt. Das gilt auch und vor allem für Situationen, die teilweise oder ganz unlösbar erscheinen. Es geht nicht darum, sich auftuende Schwierigkeiten kleinzureden oder dem Einzelnen die komplette Verantwortung für eine Lösung aufzubürden. Als innere Haltung aber hilft die Ambiguitätstoleranz, nicht sofort einen Rückzieher zu machen und aufzugeben, bevor noch der erste Schuss gefallen ist. Maria kann hier Vorbild sein als erste Glaubende in einer scheinbaren Situation totaler Überforderung. Ihr Ja trägt auch uns bis heute.

Herr, wann Du willst, dann ist es Zeit,

und wann Du willst, bin ich bereit,

heut und in alle Ewigkeit.

Der Ruf Gottes trifft Menschen oft unvorbereitet. Sie haben sich den Zeitpunkt nicht ausgesucht. Die Zeitpläne von Menschen werden gehörig durcheinandergebracht. Mose, Jesaja und Jeremia begehren auf gegen den Ruf. Sie führen an, sie wären noch nicht so weit. Aber Gott lässt nicht locker. Umgekehrt erstaunt es immer wieder, wenn wir lesen, dass die ersten Jünger und Levi am Zoll keine Sekunde gezögert hätten, dem Ruf in die Nachfolge zu gehorchen.

Der Beter versichert jedenfalls, er sei bereit, sich unterbrechen zu lassen. Er macht nicht einfach seinen Stiefel weiter wie bisher, sondern signalisiert, neu aufbrechen zu wollen. Er spürt, dass „die Zeit erfüllt ist“ (Mk 1,15), dass etwas Neues ansteht, das sein Recht einfordert.

Gerade im aktuellen Umbruch stehen wir immer wieder vor der bedrängenden Frage: Wann ist es Zeit, einen Einschnitt zu setzen? Wann geben wir dem Neuen eine Chance? In unserem persönlichen Leben, aber auch im Leben der Gemeinden? Wann ist der gute Zeitpunkt gekommen, an dem es allen passt? Aus Erfahrung wissen wir: Diesen guten Zeitpunkt wird es so nie geben. Klar, manchmal passt es besser. Oft aber sind wir gefordert, einen Cut zu machen. Die „Unsicherheitstoleranz“ bewahrt uns davor, uns lähmen zu lassen vor einem Neustart, auch wenn niemand uns genau sagen kann, was uns erwartet. Sie glaubt an die Gnade des Rufes, auch wenn er uns scheinbar zur Unzeit erreicht.

Herr, was Du willst, das nehm‘ ich hin,

und was Du willst, ist mir Gewinn,

genug, dass ich Dein eigen bin.

Nehmen, wie es kommt. Nehmen, was kommt. Das gehört zur geistlichen Lebenskunst. „Gell, Herr Kaplan, wir nehmen’s wie’s kommt“, so hat immer eine alte Dame zu mir gesagt an meiner ersten Kaplansstelle. Ein weises Wort. Man kann natürlich auch die Annahme verweigern, wenn es einem nicht in den Kram passt. Man kann ignorieren, was da kommt. Man kann die Augen verschließen vor dem, was da ansteht. Man kann versuchen, es wegzuschieben. Aber man wird es trotzdem nicht los. Da ist es am Ende doch besser, es anzunehmen. Auch wenn ich noch nicht weiß, was ich damit anfangen soll.

Die „Selbstwirksamkeitserwartung“ bestärkt einen in dem Glauben, dass das, was kommt, kein Verlustgeschäft ist. „Was du willst, ist mir Gewinn“, sagt der Beter. Vielleicht nicht auf den ersten Blick. Aber ich traue mir zu, das Beste daraus zu machen. Ihm genügt zu wissen, bei Gott geborgen zu sein. Die multiplen Krisen der vergangenen Jahre haben in mir so manches Mal Zweifel aufkommen lassen, ob das alles wirklich Gewinn ist, womit man sich als Bischof herumschlagen muss. Aber die Erfahrung lehrt immer neu, dass man an den Herausforderungen auch wachsen kann. Den Gewinn kann man nicht immer gleich verbuchen. Aber allein der Herausforderung nicht ausgewichen zu sein, steigert die Selbstwirksamkeitserwartung und rüstet für neue Aufgaben.

Herr, weil Du’s willst, drum ist es gut,

und weil Du’s willst, drum hab‘ ich Mut,

Mein Herz in Deinen Händen ruht!

Am Ende des Gebets geht es nicht mehr um das Wie, das Wann oder das Was. Am Ende wendet sich der Blick zurück auf Gott selbst. Weil er es will, darum ist es gut. Darum muss es gut sein. Kein blindes Schicksal waltet hier. Keine Willkürgottheit schickt sich an, den menschlichen Willen zu brechen. Nein, der Vater im Himmel ist am Werk. Er kann nur das Beste wollen. Sein Wille ist immer Wille zum Heil.

Diese innere Einstellung korrespondiert mit dem sogenannten „Kohärenzgefühl“. Mit Kohärenzgefühl beschreibt man die Zuversicht, dass das, was auf mich zukommt, nicht willkürlich über mich kommt, sondern grundsätzlich verstehbar ist. Weil ich es einordnen kann, traue ich mir auch zu, es anzupacken. Mich trägt die Überzeugung, dass es im Letzten Sinn hat, auch wenn sich dieser nicht unmittelbar erschließen mag. Neues und Unerwartetes wird uns in der derzeitigen kirchlichen Situation oft abverlangt. Dass dieses Neue uns kohärent erscheint, uns stimmig anmutet, trotz aller Unwägbarkeiten, ist immer auch Gegenstand unseres Betens, so wie es uns Pater Rupert Mayer hier vormacht.

Ich erinnere mich gut, wie ich dieses Gebet in der Bürgersaalkirche gefunden habe. Mich hat es damals sofort angesprochen. Seitdem ist es mein Begleiter, auch und gerade in schwierigen Situationen. Auch am Kranken- und Sterbebett habe ich es oft gebetet und gespürt, wie diese Worte die Menschen tief berühren. Sicher, Probleme müssen gelöst werden, und als Bischof bemühe ich mich um Lösungen. Neben den Bemühungen um Lösungen gehört aber auch eine geistliche Haltung dazu, gut mit den Unsicherheiten und Unwägbarkeiten unserer Zeit umzugehen. Das Gebet Pater Rupert Mayers (SJ) kann dazu eine Hilfe sein. Das wünsche ich Ihnen von Herzen.

Zugleich danke ich allen für Ihren Dienst und Ihre Treue in diesen bewegten Zeiten. Ich freue mich, dass wir heute in so großer Zahl uns zusammengefunden haben, uns in unserem Dienst bestärken zu lassen. Das ist ein ermutigendes Zeichen des Miteinander. Denn die Gemeinschaft stärkt uns auf unserem Weg. Danke!

Herr, wie Du willst, soll mir gescheh’n,

und wie Du willst, so will ich geh’n,

hilf Deinen Willen nur versteh’n.

Herr, wann Du willst, dann ist es Zeit,

und wann Du willst, bin ich bereit,

heut und in alle Ewigkeit.

Herr, was Du willst, das nehm‘ ich hin,

und was Du willst, ist mir Gewinn,

genug, dass ich Dein eigen bin.

Herr, weil Du’s willst, drum ist es gut,

und weil Du’s willst, drum hab‘ ich Mut,

Mein Herz in Deinen Händen ruht!