Unter dem Titel „Einem bekannten Unbekannten auf der Spur“ hatten Sie heute Mittag die Möglichkeit, über einen Spaziergang durch die Würzburger Innenstadt, den Würzburger Hofbaumeister Joseph Greissing kennen zu lernen. Ich denke, dass es auch dem katholischen Religionsunterricht gut ansteht, dem bekannten Unbekannten – Gott auf die Spur zu kommen.
Initialzündung und Ziel ist dabei das Petruszitat: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.“ (1 Petr 3,15) Diese Aufgabe des Religionsunterrichtes ist nicht leicht zu erfüllen. Das gesellschaftliche Umfeld und die Rahmenbedingungen für den Religionsunterricht haben sich in den letzten Jahren verändert. Zum einen gibt es bei den Kindern kaum noch Erfahrungen mit gelebtem Glauben. Kirche, sonntägliche Liturgie, caritatives und missionarische Handeln der Kirche sind weitgehend unbekannt. Zum anderen ist das Lebensumfeld der Kinder durch das Faktum eines religiösen Pluralismus geprägt, der auch synkretistische Züge einer diffusen Religiösität trägt.
Sicherlich haben einige Kinder gelegentlichen Kontakt zur Gemeinde und gemeindlichen Jugendarbeit. Sie nehmen großenteils sogar am Kommunion- und Firmunterricht teil. Aber dem Religionsunterricht im Klassenzimmer kommt dabei eine prägende Rolle zu. Zum Glück gibt es heute wieder „eine große Offenheit für religiöse Fragen, ein neues Interesse an der christlichen Botschaft und ein distanziert-unbefangenes Verhältnis zur Kirche“ , und die Fragen der Kinder richten sich auf religiöse Grunderfahrungen und auf Kernaussagen des Glaubens aus.
Während die PISA-Studie gezeigt hat, dass „deutliche Mängel bei der Vermittlung von grundlegenden kulturellen Fähigkeiten und Fertigkeiten“ festzustellen sind, besteht die schwierige Aufgabe darin, Wissen, Werte und Handeln so miteinander zu verbinden, dass die Schülerinnen und Schüler dies aufnehmen und behalten. Denn das steht fest, dass sie erst dann erfolgreich lernen, „wenn sie davon überzeugt sind oder werden, dass das, was sie lernen sollen, auch tatsächlich wert ist, gelernt zu werden“ .
Die deutschen Bischöfe halten in ihrer Schrift „Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen“ fest:„Bildung zielt auf die Entwicklung der eigenen Person und ihres Verhältnisses zur Welt und ermöglicht dadurch Orientierung und eigenverantwortliches Handeln. Bildung ist ein selbstbezügliches Handeln und erfordert die Selbsttätigkeit der Schülerinnen und Schüler.“
Daraus ergeben sich drei Kernaufgaben mit:
„der Vermittlung von strukturiertem und lebensbedeutsamem Grundwissen über den Glauben der Kirche, dem Vertrautmachen mit Formen gelebten Glaubens und der Förderung religiöser Dialog- und Urteilsfähigkeit.“
Erfreulich ist, – wie jüngere empirische Untersuchungen festgestellt haben –, dass der katholische Religionsunterricht eine hohe Wertschätzung bei Schülern, Eltern und Lehrern genießt.
Als Religionslehrerinnen und Religionslehrer stehen Sie als wichtigste Ansprechpartner in Glaubens- und Lebensfragen nicht nur für Schülerinnen und Schüler an der Schnittstelle von Kirche und Schule, sondern auch für Kolleginnen und Kollegen – und wohl auch immer öfter für die Eltern. Sie erwarten dabei von Ihnen nicht nur eine fachlich fundierte Antwort, sondern auch eine überzeugende Lebensführung.
Zeitgleich mit unserer heutigen Begegnung und der Verleihung der Missio canonica hier im Würzburger Dom findet im Konzentrationslager Dachau die Aufführung des Szenischen Oratoriums „Häfner – eine Entscheidung“ statt. Dieses von Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums Münsterschwarzach einstudierte und mehrfach aufgeführte Oratorium hebt die letzten Tage des von den Nationalsozialisten inhaftierten Pfarrers Georg Häfner in Dachau hervor. Hier tritt auf einmal, szenisch und musikalisch eindrucksvoll interpretiert, die Gestalt eines bislang unbekannten Priesters auf, der – nicht zuletzt durch die Vermittlung junger Menschen, Schülerinnen und Schüler – einem ganz nahe kommt, sozusagen, vertraut wird.
Dieser nach außen hin eher spröde wirkende Pfarrer, der nach Verweigerung des Hitlergrußes keinen schulischen Religionsunterricht mehr geben durfte, hat in seinem Leiden im KZ Dachau eine Seite des Geheimnisses der Berufung gelebt, die durch das engagierte Spiel junger Menschen unmittelbar nachvollziehbar wird und nachhaltig wirkt.
So bleibt auch die Seligsprechung von Georg Häfner am 15. Mai dieses Jahres im Würzburger Dom nicht ein Ereignis, das nur am Rande – etwa in der Krypta des Neumünsters oder hier in einer der Chorfiguren des Domes – einen Nachhall findet, sondern sie gräbt sich durch das aktiv aufrufende und vermittelnde Bezeugen in die Herzen und das Gedächtnis der Menschen ein, die sich auf dieses Erleben einlassen.
Georg Häfner ist ebenso ein Zeuge des Glaubens unserer Zeit wie unsere Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan, die uns vor mehr als 1300 Jahren ihr Lebenszeugnis hinterlassen haben.
Auch Religionslehrerinnen und Religionslehrer sind in den Zeugenstand berufen. Die Verleihung der Missio canonica ist ein sichtbares Vertrauenssiegel des Bischofs in die Kompetenz und Verlässlichkeit der Auszuzeichnenden.
Beten wir gemeinsam um den Heiligen Geist, dass er uns – gemäß dem Leitsatz dieser Kiliani-Wallfahrtswoche „Jetzt ist die Zeit der Gnade“ (vgl. 1 Kor 2,6) – für den Glauben und seine Weitergabe begeistert.
Amen.