Ochsenfurt (POW) Das Dekanat Ochsenfurt zählt mit rund 24.000 Katholiken zu den kleinsten im Bistum Würzburg und zeichnet sich besonders durch seine ländliche Struktur aus. Bis 2010 sollen sieben Pfarreiengemeinschaften aus 39 Pfarreien und sechs Kuratien errichtet werden. In folgendem Interview spricht Dekan Klaus Oehrlein (Hohestadt) über den aktuellen Stand der Errichtung von Pfarreiengemeinschaften im Dekanat Ochsenfurt, über kleine Pfarrgemeinden und über die Seelsorge auf dem Land.
POW: Wie würden Sie den aktuellen Stand des Prozesses der Errichtung von Pfarreiengemeinschaften im Dekanat Ochsenfurt umschreiben?
Dekan Klaus Oehrlein: Wir sind in einer relativ guten und geradezu vorbildlichen Situation: Fast überall im Dekanat Ochsenfurt ist heute jeder Pfarrer für das Gebiet zuständig, das den für 2010 geplanten Umfang umfasst. Zwei Pfarreiengemeinschaften sind bereits errichtet: Ochsenfurt-Sankt Andreas mit den zugehörigen Gemeinden und Röttingen mit Umgebung. Im September kommt mit dem Amtsantritt des neuen Pfarrers dann Aub-Gelchsheim hinzu. Hier gab es bereits vor der Vakanz einen guten Wachstumsprozess aufeinander zu – initiiert von den Seelsorgern vor Ort. De facto arbeiten zwei weitere Gruppen von Pfarrgemeinden schon seit vielen Jahren als Pfarreiengemeinschaften: Gaukönigshofen und Hohestadt. Bütthard und Giebelstadt sind erst am Beginn gemeinsamer Gespräche, Acholshausen hat bisher nur wenig Anschluss an seine künftige „Heimat“ Gaukönigshofen. Eibelstadt mit Sommerhausen soll eventuell ins Nachbardekanat wandern, Frickenhausen mit seinen vier Gemeinden dagegen wohl eigenständig bleiben – künftig mit einem „Seniorpfarrer“.
POW: Wo liegen die besonderen Probleme, wo die besonderen Chancen in Ihrem Dekanat?
Oehrlein: Unter bestimmter Hinsicht ist es schwierig, weil hier selbst kleine Gemeinden mit zirka 150 Katholiken kirchenrechtlich eigenständige Pfarreien sind – mit einem entsprechenden „Selbstbewusstsein“ an „Rechten“, wie etwa Sonntags-Gottesdienst, eigener Weißer Sonntag und alle weiteren Feste. Ein Problem ist in gewisser Weise auch, dass wir hier zwar die „Toskana Würzburgs“ sind, also das südlichste Gefilde unseres Bistums. Doch als „Grenzland“ sind wir dabei von anderen Bistümern umgeben. Trotz einer überschaubaren Größe des Dekanats gibt es wohl keine gemeinsame „Mentalität“, weil die drei Kleinregionen Taubertal, Gaufläche und Maintal doch verschieden sind. Positiv wirkt sich die Nähe zu Würzburg aus, weil Ordensleute, pensionierte Priester bis hin zu Domkapitularen zum Teil seit vielen Jahren an Sonn- und Feiertagen zu uns kommen und so vielen auch der kleinen Gemeinden bis heute regelmäßig noch eine Eucharistiefeier ermöglichen.
POW: Im Dekanat Ochsenfurt gibt es viele kleine Pfarreien. Worauf muss bei der Errichtung der Pfarreiengemeinschaften bezüglich der kleinen Gemeinden besonders geachtet werden?
Oehrlein: Viele der Gemeinden haben im Lauf der vergangenen 30 Jahre „Verluste“ erlebt: kommunale Eigenständigkeit, Schule und Geschäfte verschwanden – ebenso der eigene Pfarrer; durch die Umstrukturierung der Landwirtschaft verlagert sich auch der Arbeitsplatz nach außen. Es geht um die Frage der eigenen Identität: Oft sind die Vereine und gerade die kirchlichen Gremien die letzte „Bastion“ von Eigenständigkeit, wenngleich es hier oft Mehrfachbelastungen der Ehrenamtlichen gibt, die Leitungsfunktionen übernehmen. Daher muss zum Beispiel wohl überlegt werden, wann man einen gemeinsamen Pfarrgemeinderat für die ganze Pfarreiengemeinschaft schafft; oder wie es mit den Gottesdiensten vor Ort gehen wird, weil eine Kirche von der Größe her kaum zwei, drei Nachbargemeinden aufnehmen kann – zumindest beim jetzigen Kirchenbesuch. Andererseits muss auch klar benannt werden, dass in bestimmten Bereichen nur auf einer größeren Ebene Seelsorge geleistet werden kann – gerade bei Jugendarbeit, Sakramentenkatechese und Erwachsenenbildung geschieht ja Zusammenarbeit zum Teil seit vielen Jahren.
POW: Das Dekanat ist sehr ländlich geprägt. Welche neuen Aufgaben kommen einer Landpastoral in den veränderten Strukturen zu?
Oehrlein: Die ländliche Struktur bringt eine besondere Mobilität mit sich – Menschen müssen oft vom Kindergarten an weg vom Wohnort. Dies setzt sich fort bei der Arbeit und in den Freizeitangeboten. Ich denke, hier wäre zu fragen, wie man gerade jungen Menschen eine echte „Beheimatung“ – im spirituellen wie emotionalen Bereich – ermöglichen kann, in der das Dorf und die christliche Gemeinde mehr bleibt als etwa Nostalgie oder Schlafquartier. Ich sehe hier selbst auch bei den größeren Fachleuten noch keine klaren Ideen und Wege, wie das zu erreichen wäre.
POW: Wie reagieren die Katholiken im Ochsenfurter Gau auf die Errichtung der Pfarreiengemeinschaften?
Oehrlein: Sicher gibt es im Dekanat eine Ungleichzeitigkeit innerhalb der Gemeinden. Für manche mag – etwas hart gesagt – im Blick auf das Thema Pfarreiengemeinschaft zutreffen, was Paulus bei einigen Jüngern in Ephesus (Apg 19,2) bezüglich des Heiligen Geistes erlebt: „Wir haben noch nicht einmal gehört, dass es einen Heiligen Geist gibt.“ Sie stehen noch am Anfang des Prozesses und sind zunächst manchmal überfordert. In der Mehrheit unserer Gemeinden gibt es schon viele Jahre gute Erfahrungen mit der Zusammenarbeit: Es haben sich bestimmte Regularien eingespielt, so dass es aktuell dort wenig Reaktionen gibt. Aus meiner Beobachtung wird es noch einen großen Einbruch geben, wenn die regelmäßigen Eucharistiefeiern – derzeit gibt es sowieso nur mehr eine pro Gemeinde, mit wöchentlich wechselnden Zeiten – in den einzelnen Gemeinden personell nicht mehr möglich sind. Das wird die „spirituelle Ausblutung“ verstärken, keineswegs allein vom Gottesdienstbesuch her. Zu den Reaktionen bei den Mitgliedern des Pfarrgemeinderats gehört auch die Frage nach der künftigen beziehungsweise modifizierten Aufgabe des Dekanatsrats, denn die Koordinierungsgremien jeder Pfarreiengemeinschaft sind für die Verantwortlichen zuerst die Ebene des Austauschs geworden.
POW: Was möchten Sie am ersten Fastensonntag 2010 mit Blick auf das Dekanat Ochsenfurt sagen können?
Oehrlein: Dieser Tag ist für mich ganz und gar kein magisches Datum, an dem „alles stimmen“ muss – wenngleich es natürlich Zielvorgaben braucht und jeder seinen Teil dazu beiträgt. Mir ist – eben ganz und gar nicht allein, aber auch auf dieses Datum fixiert – wichtig, dass die Menschen den „Geschmack“ am Glauben, am Gespräch mit Gott, am Christsein behalten – oder neu finden können; dass sie sich die Lebendigkeit ihrer Ortsgemeinde viel mehr zur eigenen Sache machen, denn die Idee der Pfarreiengemeinschaft denkt ganz stark von den weniger werdenden hauptamtlichen Seelsorgern her; dass Haupt- und Ehrenamtliche in den Gemeinden miteinander auf dem Weg bleiben und keine Seite den anderen überfordert – das sehe ich als große Gefahr, dass beide daran zerbrechen können; dass alle – einfache Gläubige bis zu den Bischöfen – noch viel, viel mehr betend darüber nachdenken, was Gottes Geist uns damit sagen will, dass es heute so wenige Berufungen zum priesterlichen Dienst gibt.
(2607/0958)