Würzburg (POW) Für wen faste ich eigentlich? Für Gott, für mich, für die Kirche oder den Pfarrer? „Ich denke, man sollte mit Blick auf sich selbst und die Menschen fasten, mit denen man zusammenlebt.“ Pastoralreferent Hermann Simon, Mitarbeiterseelsorger und stellvertretender Leiter des Referats Geistliches Leben der Diözese Würzburg, sieht die Fastenzeit nicht als eine Zeit des Verzichts. Vielmehr könne man die 40 Tage nutzen, um sich zu fragen: „Was brauche ich für mein Leben? Was kann ich tun oder was kann ich sein lassen, um mich neu auszurichten, sinnerfüllter, froher zu leben?“ Gott wolle den Menschen nicht klein machen, sondern es gehe ihm um dessen Lebendigkeit. Die Kirche gebe einen Rahmen vor, der die Christen einlade, dieses Angebot wahrzunehmen.
„Fasten steht mit einer Stelle im Markusevangelium in Beziehung: ,Kehrt um und glaubt an die Frohe Botschaft!‘. In einer Übersetzung aus dem griechischen Original heißt das ,größer denken‘“, sagt Simon. Darunter verstehe er, dass man sich in den 40 Tagen vor Ostern auf den Weg zu einem anderen Umgang mit sich selbst, in der Beziehung zu Gott und den Mitmenschen machen solle. „Der Schwerpunkt liegt nicht so sehr auf dem Verzicht, sondern auf dem Nutzen, den ich und andere davon haben.“ Mehr Bewegung oder das Vorhaben, aufmerksamer durch die Welt zu gehen, seien Optionen, die über das eigene Wohl hinaus sinnvoll seien. „Die Fastenregeln des Christentums sind wie eine Art Treppengeländer. Ich entscheide: Halte ich mich fest oder gehe ich allein?“, sagt Simon.
Das Ziel, das man sich setzt, dürfe nicht unerreichbar sein, um Frust zu vermeiden. Ein Vorsatz könne nur funktionieren, wenn er Spaß mache. Nach dem Motto „mehr als zwei sind eine Gruppe“ erleichtere das Fasten mit anderen, die eigenen Ziele konsequent zu verfolgen. Die Möglichkeit, sich auszutauschen und seine Gedanken mitzuteilen, helfe. „Wer den spirituellen Aspekt des Fastens wahrnehmen will, dem empfehle ich, eine Art Fastentagebuch zu führen“, sagt Simon. Dazu reserviere man sich am besten einige Minuten pro Tag, um Erlebnisse, Gefühle und Gedanken aufzuschreiben und sie betend zu betrachten. „Ein entscheidender Aspekt der Fastenzeit ist für mich, aufmerksam zu sein – für mich und für andere. Egal, ob man kirchlich-religiös motiviert fastet, Wanderfasten oder Fastenyoga macht oder auf sein Handy verzichtet, um achtsamer durch das Leben zu gehen: Solange es hilft, lebendiger, lebensfroher, zufriedener und friedlicher zu werden, haben viele Formen ihre Berechtigung.“ Letztlich müsse jeder individuell herausfinden, was für einen selbst am besten sei. „Fastenzeit ist für mich eine Zeit des Konzentrierens, um zu neuen Kräften zu kommen“, sagt Simon. Indem man seine Gewohnheiten unterbricht, könne man sich besinnen und neu ausrichten.
Stichwort: Österliche Bußzeit
Am Aschermittwoch beginnt die Österliche Bußzeit, gemeinhin bekannt als Fastenzeit. An diesem Mittwoch vor dem ersten Fastensonntag empfangen Christen im Gottesdienst das Aschenkreuz als Zeichen der Umkehr und Vergänglichkeit. „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium“ oder „Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst“, spricht der Seelsorger beim Auflegen der Asche. Mit diesem Ritus wird die Zeit eingeleitet, die zur Vorbereitung auf Ostern und zur Umkehr und Buße dienen soll. Im zweiten Jahrhundert noch auf ein zweitägiges Trauerfasten vor Ostern beschränkt, war es bereits im vierten Jahrhundert fester Brauch, sich 40 Tage auf das Hochfest der Auferstehung des Herrn vorzubereiten. Dieses Zeitmaß leitet sich aus der Bibel ab; vor allem von der 40‑tägigen Zeit des Betens und Fastens, die Jesus nach der Taufe im Jordan in der Wüste auf sich nahm. Der Beginn der Fastenzeit am Aschermittwoch rührt daher, dass am Sonntag nicht gefastet wird und dennoch 40 Fastentage erreicht werden sollen. Das neue Verhältnis zu Gott, das neue Leben, die Vergebung der Schuld – alles was an Ostern gefeiert wird, ist schon Thema der Fastenzeit. Für Katholiken gehört der Empfang des Bußsakraments zur Österlichen Bußzeit – neben dem Verzicht, zum Beispiel auf Sucht- und Genussmittel, aber auch auf Luxus. Das Geben von Almosen in den Wochen vor Ostern hat in der bischöflichen Aktion Misereor eine weltweite Dimension bekommen. Allgemein wird eine Intensivierung des Glaubenslebens angestrebt. So widmet sich der Kreuzweg als besonderes Gebet der Österlichen Bußzeit dem Leiden und Sterben Jesu. Aschermittwoch als Beginn der Österlichen Bußzeit sowie Karfreitag sind die streng gebotenen Fasten- und Abstinenztage. Katholiken sind angehalten, an diesen Tagen nur eine Mahlzeit zu sich zu nehmen und auf Fleisch und Alkohol zu verzichten.
ch (POW)
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