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Handeln aus christlicher Überzeugung

Online-Pressekonferenz der Oberzeller Franziskanerinnen zum Kirchenasyl-Prozess gegen Schwester Juliana Seelmann – Generaloberin Ganz: Kirchenasyl nur in Härtefällen – Bischof Jung stellt sich hinter Tradition des Kirchenasyls

Zell am Main (POW) Wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt durch Gewährung von Kirchenasyl in zwei Fällen muss sich Schwester Juliana Seelmann von den Oberzeller Franziskanerinnen am Mittwoch, 2. Juni, vor dem Amtsgericht in Würzburg verantworten. Die Gemeinschaft hatte in den Jahren 2019 und 2020 jeweils einer Frau aus Nigeria Kirchenasyl gewährt. Beide waren vor der Zwangsprostitution geflohen. Die Gewährung von Kirchenasyl werde mit einer Straftat gleichgesetzt, sagte Schwester Dr. Katharina Ganz, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, bei einer virtuellen Pressekonferenz im Vorfeld der Verhandlung am Donnerstag, 27. Mai. „Aber es kommt niemand zu Schaden indem wir das tun, was wir tun.“ Jeder einzelne Fall werde genau abgewogen und Kirchenasyl nur in schwerwiegenden Härtefällen gewährt. Bischof Dr. Franz Jung erklärte sich in einem persönlichen Statement solidarisch mit Seelmann und den Oberzeller Franziskanerinnen. „Das Kirchenasyl kritisiert nicht den Rechtsstaat, sondern hilft in Einzelfällen Menschen in extremen Notsituationen“, betont er darin: „Schwester Juliana hat aus tiefster christlicher Überzeugung gehandelt und zwei Frauen in Not vor Obdachlosigkeit und erneuter Zwangsprostitution geschützt.“

„Es schockiert mich immer wieder neu, was diese Frauen Leidvolles erlebt haben“, sagte Seelmann. Die eine, heute 23 Jahre alt, sei mit etwa 15 Jahren von der eigenen Mutter in die Zwangsprostitution geschickt worden. Ihre Zuhälterin habe sie erst nach Libyen, dann nach Italien gebracht. Zweimal sei sie nach Deutschland geflohen. Sie lebte von September bis Ende Dezember 2019 in Oberzell und hat mittlerweile ein Aufenthaltsrecht zugesprochen bekommen. Ein ähnliches Schicksal erlebte eine heute 34-jährige Frau, die sich bei einem Freier zudem mit HIV ansteckte und aufgrund der Krankheit besonders verletzlich und auf ärztliche Kontrollen angewiesen sei. Sie lebte von Mitte Februar bis Mitte Mai 2020 in Oberzell und wartet immer noch auf ihren Bescheid. „Ich sehe in beiden Fällen einen Härtefall gegeben“, betonte Seelmann und zitierte die Ordensgründerin Antonia Werr: „Wir müssen den auf dem Strom des Lebens Gescheiterten eine rettende Hand reichen.“ Je nachdem, wie am 2. Juni entschieden werde, sei sie auch bereit, den Weg bis in die höchste Instanz zu gehen.

Benediktinerbruder Abraham Sauer, der selbst im April in einem Kirchenasyl-Verfahren vor dem Amtsgericht Kitzingen freigesprochen worden war, erklärte sich solidarisch mit Seelmann und verlas eine Botschaft von Abt Michael Reepen. In begründeten humanitären Härtefällen, unter Einhaltung der Absprachen mit den Behörden und eingehender Gewissensprüfung gewähre man in der Abtei Münsterschwarzach in Einzelfällen Kirchenasyl als Ultima Ratio, heißt es darin. „Damit kritisieren wir nicht den Rechtsstaat; unser Gewissen will aber den Blick auf die extreme Notlage eines Menschen lenken, der Hilfe bedarf.“ Auch Seelmann und die Oberzeller Franziskanerinnen hätten Frauen in einer besonderen Notlage Kirchenasyl gewährt.

Es sei in Oberzell nicht darum gegangen, bewusst rechtliche Bestimmungen zu übertreten, sondern darum, zwei Menschen vor befürchteten schweren Menschenrechtsverletzungen, vor Zwangsprostitution und Verelendung zu bewahren, sagte Jürgen Heß, Geschäftsführer des Würzburger Flüchtlingsrats. Wenn der Staat nicht dazu bereit sei, würden dies die Ordensgemeinschaften und Kirchen tun. „Kirche muss sich immer als Anwalt von Menschen in Not verstehen. Der Staat sollte es sich deshalb gut überlegen, ob er christliches Handeln weiterhin strafrechtlich verfolgen möchte.“

Der Kontakt zwischen den beiden geflüchteten Frauen und den Oberzeller Franziskanerinnen war über den Verein Solwodi zustande gekommen. Ein Kirchenasyl werde im Vorfeld sehr sorgfältig geprüft und die Behörden über den Aufenthaltsort informiert, betonte Renate Hofmann, Leiterin von Solwodi Bad Kissingen. Sie erklärte auch, dass ein Kirchenasyl für die Schutzsuchenden mit massiven Einschränkungen ihrer Freiheit verbunden sei. So könnten beispielsweise Mütter, die sich im Kirchenasyl befinden, ihre Kinder nicht einmal zum Arzt oder auf den Spielplatz begleiten. Ausdrücklich dankte Hofmann den Oberzeller Franziskanerinnen für ihre Hilfe.

Kirchenasyl sei „eine der schwierigsten Fragestellungen“ und werde nur nach einer sorgfältigen Prüfung gewährt, sagte Robert Hübner, Diözesanbeauftragter für Asylseelsorge. „Es ist für uns die Ultima Ratio, um Menschen in höchster Not beizustehen, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind. Wir sind sehr froh um Klostergemeinschaften, die bereit sind, diesen Menschen beizustehen.“

Es sei ein Fehler, Menschen zu kriminalisieren, die anderen Menschen in Not helfen, erklärte Rechtsanwältin Bettina Nickel, stellvertretende Leiterin des Katholischen Büros in Bayern, der rechtlichen Vertretung der bayerischen (Erz-)Bistümer. Ihrer Ansicht nach liege keine Straftat vor, denn der Aufenthaltsort der beiden nigerianischen Frauen sei den Behörden jederzeit bekannt gewesen. Ihre Erfahrung aus dem bundesweiten Austausch sei, dass das Kirchenasyl nur in Bayern so scharf verfolgt werde. Das Recht gewähre hier Interpretationsspielräume und unterschiedliche Auslegungen. Nickel wünschte sich ein Grundsatzurteil, dass die Gewährung von Kirchenasyl nach gründlicher Abwägung des Einzelfalls nicht strafbar sei.

Weitere Informationen gibt es auf der Homepage der Oberzeller Franziskanerinnen. Mehr zum Kirchenasyl unter www.kirchenasyl.de.

Statement von Bischof Dr. Franz Jung

„Ich stehe hinter der Tradition des Kirchenasyls, es geht in allen Fällen um den Schutz der Menschenwürde und der Menschenrechte. Es legt die besonderen humanitären Härten im Rahmen des europäischen Asylsystems offen. Das Kirchenasyl kritisiert nicht den Rechtsstaat, sondern hilft in Einzelfällen Menschen in extremen Notsituationen. Jedem Kirchenasyl geht stets reifliche Überlegung, Beratung und Gewissenserkundung voraus. Bestätigt sehe ich die Praxis des Kirchenasyls durch den Freispruch von Bruder Abraham aus der Abtei Münsterschwarzach, den das Gericht mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit begründete. In diesem Sinne stehe ich auch hinter Schwester Juliana und den Oberzeller Franziskanerinnen, die Frauen in besonderen Notlagen Kirchenasyl gewährt und sich dabei an alle Absprachen gehalten haben. Schwester Juliana hat aus tiefster christlicher Überzeugung gehandelt und zwei Frauen in Not vor Obdachlosigkeit und erneuter Zwangsprostitution geschützt.“

sti (POW)

(2221/0510; E-Mail voraus)

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