Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Heimat mit stellvertretender Hoffnung

Zehn Jahre Wohngemeinschaft „Berscheba“ der Oberzeller Franziskanerinnen – Hilfe für psychisch kranke Frauen – Den Weg in die Normalität gestalten

Würzburg (POW) Heimat auf Zeit – das bietet die Wohngemeinschaft „Berscheba“ der Oberzeller Franziskanerinnen seit zehn Jahren. „Wir wollen für die jungen Frauen im Alter von 18 bis 30 Jahren da sein, die aus der Psychiatrie kommen, und sie im Alltag begleiten. Für alle Anliegen soll Platz sein“, erklärt Diplom-Sozialpädagogin Ute Berger. Sie leitet die Einrichtung mit sieben Plätzen. Betreut werden die Frauen von insgesamt vier Sozialpädagoginnen, von denen drei in Teilzeit arbeiten, sowie einer Fachhochschulpraktikantin. „So wie Gott der Hagar und ihrem Sohn Ismael, die schutz- und rechtlos in der Wüste waren, in Berscheba am so genannten Schwurbrunnen neue Hoffnung gegeben hat, will auch dieses Haus den Frauen Hilfestellung und Sicherheit geben“, sagt Schwester Katharina Ganz, Öffentlichkeitsbeauftragte des Fachbereichs Frauen bei den Oberzeller Franziskanerinnen. 55 Frauen hat die Einrichtung bislang auf diese Weise auf dem Weg in die Normalität unterstützt.

Die meisten Klientinnen, die Wohnung in „Berscheba“ beziehen, haben einen oder mehrere Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken hinter sich. „Oft gab es Schwierigkeiten beim Ablösen von der Herkunftsfamilie. Nicht selten haben die Frauen aber auch Gewalt erfahren oder wurden durch Menschenhändler nach Deutschland gebracht“, sagt Berger. Traumatische Erfahrung der unterschiedlichsten Art führten zu Persönlichkeits- und Essstörungen sowie zu Selbstverletzungen.

Als Besonderheit bietet das Würzburger „Berscheba“ neben Begleitung von Frauen für Frauen „stellvertretende Hoffnung“ an, wie Berger formuliert. Den Klientinnen helfen die Betreuerinnen, sich schulisch und beruflich weiterzubilden. „Oft haben sie anfangs recht wenig Durchhaltevermögen. Das entwickelt sich aber im Laufe der Zeit.“ Hilfreich sei in diesem Zusammenhang die enge Zusammenarbeit mit dem Kloster Oberzell. In Küche, Altenheim, Wäscherei und Garten gebe es viele Praktikumsstellen. „Und oft hat jede Praktikantin dort eine Anleiterin für sich ganz alleine“, berichtet Schwester Irmlind Rehberger, die den Fachbereich Frauen bei den Oberzeller Franziskanerinnen leitet.

Darüber hinaus werde in der Wohngemeinschaft viel unternommen, um die Lebensfreude wieder zu wecken. Freizeitangebote unter der Woche wie am Wochenende gehörten zum festen Bestandteil der Betreuung, sagt Berger. „Es ist uns wichtig, dass die Frauen sich freiwillig für einen Aufenthalt bei uns entscheiden. Wir wiederum tun unser Bestes, damit die Frauen zu einer selbstbestimmten, weiblichen Identität finden.“

Die Kosten des Aufenthaltes, der sich meist über ein bis drei Jahre zieht, tragen je nach Zuständigkeit die Jugendämter sowie der Bezirk beziehungsweise bei Frauen aus anderen Bundesländern der Sozialhilfeträger. „Besonders Frauen mit Traumatisierung werden uns oft aus Norddeutschland vermittelt“, berichtet Berger. In den Augen von Petra Gloxin vom Bezirkskrankenhaus Werneck ist die zentrale Lage der Wohngemeinschaft in der Würzburger Innenstadt ein entscheidender Faktor. „Viele Frauen, die nach einer Akutbehandlung einen Schutzraum brauchen, würden sich bei einer Einrichtung auf dem flachen Land abgeschoben fühlen.“ Wichtig sei vielen ehemaligen Patientinnen auch die berufliche Perspektive, die sich durch die Praktikumsstellen im Kloster Oberzell und die vielen Schulen in Würzburg biete. „Das gibt gleich das Gefühl: Hier mache ich einen Schritt in die richtige Richtung.“

Nur gute Erfahrungen hat auch Karin Rixner, psychologische Psychotherapeutin, in der Zusammenarbeit mit „Berscheba“ gemacht. „Das Lernen in sozialen Kontakten, das in der Wohngemeinschaft den Alltag bestimmt, schafft gerade bei traumatisierten Frauen erst den Boden für meine Arbeit.“ Im Miteinander mit anderen Frauen erwachse ihnen Wertschätzung und Trost. „Hervorragende Arbeit“, attestiert auch Dr. Gebhard Angele, der beim Bezirk Unterfranken für die Psychiatriekoordination verantwortlich ist. Wegen der überschaubaren Größe von sieben Plätzen mit jeweils eigenem Zimmer sei die Atmosphäre vorbildlich. Besonderes Lob hat Angele für die Initiative der Oberzeller Franziskanerinnen. „Sie haben den Bedarf gesehen und gehandelt – und nicht vorneweg erst lange nach Finanzierungsmöglichkeiten gefragt.“ Der Bezirk ist laut Angele erst seit rund vier Jahren einer der Kostenträger.

„Wir arbeiten seit 150 Jahren nach den Vorgaben unserer Gründerin Antonia Werr: Hoffnungsorte für Frauen und Mädchen zu schaffen, an denen Mut und Zuversicht wachsen und Freude am Leben neu entdeckt werden kann“, sagt Schwester Irmlind. Deswegen sei 1995, als das Haus Magdala überlaufen war, die Wohngemeinschaft „Berscheba“ in der Würzburger Innenstadt gegründet worden. Im Haus Magdala finden Mädchen und junge Frauen zwischen 15 und 21 ein Zuhause auf Zeit. „Ein Teil der Bewohnerinnen und des Personals ist mit nach Berscheba gekommen. Kontinuität ist uns wichtig.“ Das Konzept, das die Oberzeller Franziskanerinnen der Neugründung gegeben haben, scheint aufzugehen: Die Nachfrage ist allein im vergangenen Jahr um 40 Prozent gestiegen. Wenn eine Frau mit psychischen Problemen kurzfristig ein Dach über dem Kopf finden muss, werde sie nicht abgewiesen, nur weil in „Berscheba“ kein Platz ist, versichert Schwester Irmlind. „Wir können mit dem Haus Antonia Werr im Würzburger Stadtteil Sanderau und dem Haus Magdala im Kloster Oberzell Ausweichmöglichkeit bieten, bis ein Zimmer in Berscheba frei wird.“

(4705/1537; E-Mail voraus)