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Helfer in schwierigen Lebenslagen

Erhard Scholl geht nach mehr als 32 Jahren als Leiter der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle in Schweinfurt in den Ruhestand – Verabschiedung am 29. April

Schweinfurt (POW) Menschen in schwierigen Situationen zu begleiten und ihnen zu helfen: Für Erhard Scholl (65) war das mehr als 32 Jahre das tägliche Geschäft – und zugleich Berufung. Der langjährige Leiter der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle (EFL) der Diözese Würzburg in Schweinfurt wird am Montag, 29. April, um 14 Uhr im Kolping-Bildungszentrum Schweinfurt in den Ruhestand verabschiedet. „Die Aufgabe ist mir ans Herz gewachsen“, sagt Scholl.

Vieles hat sich verändert, seit der Diplom-Theologe und -psychologe nach Stationen als Erziehungsberater in Deggendorf und in der psychosomatischen Klinik Bad Neustadt im September 1980 seine Stelle in Schweinfurt antrat. „Damals hatten wir von der EFL eine defensive Position. Es schwebte die Frage im Raum, ob wir als kirchliche Einrichtung überhaupt Ehepaare begleiten dürfen, die sich trennen. Wir haben es einfach getan.“

Scholl betont, dass er sich aus dem Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils heraus schon damals verpflichtet sah, den „Eigenstand der irdischen Wirklichkeiten“ anzuerkennen und so als „Kirche in der Welt von heute“ zu wirken. „Niemand trennt sich leichtfertig. Oft steckt eine lange und schwere Leidensgeschichte dahinter.“ Mit Genugtuung haben Scholl und Kollegen es zur Kenntnis genommen, dass 2008 der damalige Familienbischof Georg Kardinal Sterzinsky die Begleitung von Menschen in Trennung zu einem wichtigen kirchlichen Auftrag erklärt hat. „Es ist die große Herausforderung, Menschen zu unterstützen, dass ihr Leben und ihre Beziehungen intensiver und befriedigender werden.“ Überhaupt engagiere sich das Bistum Würzburg in vorbildlicher Weise, betont Scholl. Jährlich rund 1,8 Millionen Euro investiert die katholische Kirche in Unterfranken in die Beratung. „Wir bieten Menschen bei Bedarf auch längerfristig Hilfe an, wo andere Stellen das nicht tun können.“

Auch fachlich haben sich über die Jahrzehnte die Schwerpunkte verlagert: Heute stehen die Wechselwirkungen und Verflechtungen der Beteiligten im Mittelpunkt. Früher lag der Schwerpunkt der Beratung bei einem tiefenpsychologischen Ansatz, der die aktuelle Situation aus der jeweiligen persönlichen Geschichte zu erklären suchte. „Und noch etwas hat sich spürbar geändert: Der Druck durch die Arbeitswelt hat zugenommen, die Großfamilie, die den Einzelnen auch entlastet hat, bietet zunehmend weniger Unterstützung an – weil die Eltern selbst im Arbeitsprozess stehen oder die Entfernungen zu den Kindern zu weit sind.“

Um den veränderten Rahmenbedingungen gerecht zu werden, gibt es seit 2002 die bundesweite Onlineberatung. Auch hier engagiert sich Scholl, damit alle Anfragen innerhalb einer Frist von 48 Stunden beantwortet werden. „Online braucht kein Termin vereinbart zu werden, man bleibt, wenn man möchte, anonym“, beschreibt er die Vorteile dieses Angebots. Die Anfragen seien dennoch immer seriös. „Nur einmal habe ich auf die kurze Mail eines Mannes mit dem Text ‚Suche eine Frau‘ ebenso kurz zurückgeschrieben: ‚Weitersuchen!‘“, erzählt Scholl schmunzelnd.

Nicht immer geht es bei der Beratung mit solcher Leichtigkeit zu. „Was mir selbst nahegeht, sind Fälle, wenn Eltern trauern, die ein Kind verloren haben.“ Begleiten, dabei sein, der Trauer Zeit und Raum geben, beschreibt Scholl seine Aufgabe, wenn trauernde Eltern seine Unterstützung suchen. Oft versuche das Umfeld, die Betroffenen mit Floskeln wie „Das Leben geht weiter“ und Ermahnungen wie „Es ist doch schon sechs Wochen her“ vom Trauern abzuhalten.

Zu den positiven Erinnerungen, die er in den vergangenen drei Jahrzehnten erlebt hat, zählen für den angehenden Ruheständler die Momente, in denen das Eis geschmolzen ist. „Es berührt mich jedes Mal, wenn ein Paar plötzlich über zentrale Themen seiner Partnerschaft ins Gespräch kommt.“ Oft geht es um Wünsche, Sehnsüchte, die viele nicht auszusprechen wagen, aber auch um Verletzungen, die lange nachwirken, und die gerade deshalb bisher nicht ausgesprochen werden konnten. „Nähe entsteht, weil keine Vorwürfe gemacht werden, es gelingt, einander zuzuhören und die Sicht des anderen anzunehmen, ohne sich verteidigen zu müssen.“ Eine solche tiefere Ebene des Verständnisses helfe auch dann, wenn eine Trennung nicht mehr zu vermeiden scheint. „Wichtig ist, nicht noch zusätzliches Leid bei den Beteiligten entstehen zu lassen und Hilfe zu bieten, dass nicht noch mehr Porzellan zerschlagen wird.“

Wie seine Kolleginnen und Kollegen versteht Scholl sich als Begleiter, als Unterstützer bei existentiellen Problemen der Klienten. „Was der Einzelne aus dem Hilfsangebot macht, liegt letztlich nicht in meiner Macht.“ Neben der fachlichen Qualifikation und der permanenten Fortbildung ist dieser Grundsatz in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung Teil des professionellen Selbstverständnisses. Dass er seine Klienten im Gebet auch Gott anvertraut, ist für ihn dazu kein Widerspruch.

Mit dem Ruhestand kappt Scholl keineswegs alle Verbindungen zu seiner bisherigen Tätigkeit: Er bleibt bis 2015 Geschäftsführer und Vorsitzender des rund 700 Mitglieder starken Bundesverbands der Katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberater, engagiert sich auch weiterhin im Diözesanfamilienrat und Diözesanrat. Auch als Supervisor werde er weiter aktiv bleiben, kündigt er an. „Ich freue mich aber, dass ich ein wenig mehr Freiraum für das Private habe.“ Dazu zählen neben der Gartenarbeit und dem Radfahren die Arbeit als freier Mitarbeiter der örtlichen Zeitung und nicht zuletzt die Familie. Zusammen mit seiner Frau will Scholl den erwachsenen Kindern in Berlin, Bonn und Fulda künftig öfters mal einen Besuch abstatten. „Es ist schön zu sehen, wie sich in meinem bisherigen Büro das Postfach meines Nachfolgers füllt, meines immer weniger bestückt wird, und die Arbeit der Beratungsstelle gut weitergeht. So langsam merke ich, wie die Last der Verantwortung von meinen Schultern abfällt.“

Zur Person:

Erhard Scholl wurde 1948 in Aschaffenburg geboren und wuchs in Laufach auf. Nach dem Abitur in Miltenberg leistete er von 1967 bis 1969 seinen Grundwehrdienst in Mellrichstadt und Wildflecken. Von 1969 bis 1974 studierte er in Würzburg Theologie, von 1970 bis 1977 auch Psychologie. Beide Fächer schloss er mit dem Diplom ab. Von 1977 bis April 1978 arbeitete er in der Erziehungsberatung in Deggendorf, von Mai 1978 bis Juni 1980 in der Psychosomatischen Klinik Bad Neustadt. Seit September 1980 ist er Leiter der EFL im Schweinfurter Bischof-Stangl-Haus. Scholl ist Supervisor (BDP, BAG), Psychologischer Psychotherapeut und EFL-Berater und lebt in Gernach (Landkreis Schweinfurt).

Markus Hauck (POW)

(1713/0426; E-Mail voraus)

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