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Hilfe ohne Umwege

Sozialküche der Malteser aus der Diözese Würzburg versorgt in Sankt Petersburg vor allem arme Rentner – Weiterhin dringend notwendig

Am 8. Februar sind die Malteser aus der Diözese Würzburg mit ihrer Sozialküche in Sankt Petersburg in die 15. Kochsaison gestartet. Über 500 Essen werden täglich ausgegeben. Die Hilfe für Arme, Rentner, Behinderte, Obdachlose und kinderreiche Familien ist weiterhin dringend notwendig.

Eigentlich darf in dieser Häuserruine niemand mehr übernachten. Doch wer fragt bei minus 25 Grad danach, wenn er auf der Straße lebt. 32 Männer und Frauen sind in dieser eisigen Februarnacht gekommen. Eng liegen sie nebeneinander. Bettgestell an Bettgestell, verrostet, durchgelegen, kalt. Verstaubte Mäntel dienen als Decken, von Dutzenden Menschen abgetragen und abgenutzt. Die Luft ist muffig und verbraucht. Der Geruch der gezeichneten Körper hängt in der Enge des Raums. Wer in die seit 14 Jahren leerstehende Wohnruine kommt, zählt zu den 54.000 nichtregistrierten Obdachlosen dieser Stadt. 8000 bis 10.000 von ihnen leben auf der Straße – wie der 47-jährige Alexander oder die

71-jährige Nina. Sankt Petersburg im eisigen Winter 2006.

Tee, ein mit heißem Wasser angerührter Kartoffelbrei und Brot: die Mahlzeit des Tages. Seit drei Jahren liefern die Malteser der russischen Metropole täglich Essen für 25 Personen in die „Nochlezhka“, in das seit Dezember 2005 illegale Nachtasyl. Und sie sorgen für die medizinische Betreuung. Mittlerweile sind vor allem die kranken Obdachlosen, die hier wohnten, in die neuen „Nochlezhka“ umgezogen. Ein Haus, das von der Stadtverwaltung renoviert wurde und 40 Obdachlosen Platz bietet. „Aber für die Speisung der Armen fehlt uns das Geld. Das haben die Malteser übernommen. Ihr Dienst an Tausenden in Sankt Petersburg wird sehr geschätzt“, sagt Ljubov Kalatschova, die Sozialreferentin des Zentralbezirks der Stadt. Hilfe für verwahrloste Kinder, Pflegeprojekte in zwei Krankenhäusern, Speisung von Obdachlosen, Betreuung armer alter Menschen und die Sozialküche: „Die Arbeit der Malteser in Sankt Petersburg ist in unserem Bezirk sichtbar. Ihre Hilfe ist ganz konkret, direkt am Menschen“, unterstreicht Bezirksbürgermeisterin Svetlana Schtukova.

Die „Uliza Tschaikovskogo“ liegt mitten im Zentralbezirk, nicht weit vom zugefrorenen kilometerbreiten und Sankt Petersburg prägenden Fluss Newa entfernt. Die Hausnummer 81 in dieser Straße lässt nicht sofort das größte Malteserprojekt in der Stadt vermuten. Erst durch die Toreinfahrt des Häuserblocks, dann in den Hinterhof: An einem bescheidenen Nebeneingang hängt das achtspitzige Malteserkreuz und weist auf die Sozialküche hin. Seit 1992 besteht das von den Würzburger Maltesern initiierte und finanzierte Projekt. 140.000 Euro müssen sie jährlich aufbringen, 105.000 Euro sind Spendengelder. Räume, Strom, Wasser und Brot stellt die Bezirksverwaltung. „Die Finanzierung steht jedes Jahr auf Messers Schneide, und unsere knappen Mittel lassen keine großen Sprünge zu“, sagt Würzburgs Malteser-Diözesangeschäftsführer Herbert Kiesel nicht ohne Sorge beim Besuch in Sankt Petersburg. Die Küche schließen zu müssen – das wäre für ihn ein Albtraum.

Bierzeltgarnituren, ein großes Banner des deutschen Malteser-Hilfsdienstes an der Wand, eine kleine Malteser-Fahne mit russischer Aufschrift gegenüber, Kreuz und Klavier: die Einrichtung der Sozialküche der Malteser ist bescheiden. Rund 510 Menschen erhalten hier derzeit fünfmal pro Woche eine warme Mahlzeit: zum Beispiel Hähnchen mit Reis oder Eintopf mit Wurst. Für das Wochenende gibt es ein Lunchpaket. Rund 300 Bedürftige essen in der Sozialküche, über 200 holen die Mahlzeiten ab. Dreimal pro Jahr dürfen sie jeweils einen Monat lang die Hilfe der Malteser nutzen. Das städtische Sozialamt und die Kirchen bestimmen, wer Essensmarken erhält. „Die Menschen akzeptieren, wenn sie nach einem Monat wieder gehen müssen“, sagt Küchendirektorin Raissa Guseirova.

„Wir werden hier nicht nur ernährt, sondern können uns auch wärmen“, erzählt der alte Mann mit der roten Jacke, während er den Eintopf isst. Die 66-jährige Arma hatte vor zehn Jahren einen Schlaganfall und kommt immer wieder in die Malteserküche. Ihre Rente liegt unter 2000 Rubel, knapp 50 Euro, obwohl sie früher als Krankenschwester arbeitete. Das Existenzminimum ist auf 2395 Rubel festgelegt. 30 Prozent der Rentner im Sankt Petersburger Zentralbezirk erhalten eine Rente unter dieser Marke, rund 17.000 Menschen. Den fehlenden Betrag zum Existenzminimum gibt ihnen der Staat. Doch was sind 70 Euro im Monat: zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig. „Die alleinstehenden alten Menschen sind das große Problem unserer Stadt“, sagt Bezirksbürgermeisterin Schtukova. „Die Sozialküche der Malteser ist oft die einzige Rettung.“ Solange es noch so viele Arme und Hilfsbedürftige in Sankt Petersburg gebe, seien die Menschen für die Hilfe aus Deutschland sehr dankbar.

Die Zukunft der Malteserküche: Im Büro der Bezirksbürgermeisterin wird sie bei der Begegnung mit der Malteser-Delegation aus Deutschland klar angesprochen. „Wir wissen, dass unsere Stadt irgendwann das Projekt übernehmen muss“, sagt Schtukova. Doch sei der Zeitpunkt noch weit entfernt. „Wie sind hier, weil wir die Arbeit eigentlich nicht mehr selbst finanzieren können“, gesteht der Präsident des Malteser-Hilfsdienstes in Deutschland, Dr. Constantin von Brandenstein-Zeppelin, ein. Es wäre sinnvoll, zunehmend Sponsoren bei den Unternehmern in Sankt Petersburg zu suchen, schlägt er vorsichtig vor. „Wenn unsere Wirtschaft saniert ist, dann kommt die Zeit, Unterstützer zu suchen“, entgegnet die Bürgermeisterin. Und der Leiter des 1998 gegründeten Malteser Hilfsdienstes Sankt Petersburg, Michael Kalashnikov, ergänzt: „Wir hoffen, dass die russische Gesellschaft irgendwann zu Werten wie die Wohltätigkeit der Reichen zurückkehrt.“

Dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist, davon ist der erfahrene russisch-orthodoxe Priester der bedeutenden Sankt Petersburger Fürst-Vladimir-Kathedrale, Vladimir Sorokin, überzeugt. „Unsere Gesellschaft ist sehr krank. Die Menschen sind wie Sklaven, die auf Anweisungen von oben warten und von Angst durchdrungen sind“, sagt Sorokin, der Mitglied des Aufsichtsrats der Malteserküche ist. Deshalb sei es auch sehr schwierig, Solidarität zu erwarten. Viele Menschen gingen davon aus, dass sich schon irgendjemand um die anderen kümmere. Das Verantwortungsgefühl für die Schwachen fehle. „Unsere Menschen suchen immer jemand anderen, der für sie Verantwortung trägt, aber nicht sie selbst. Das ist die schreckliche Psychologie des sowjetischen Menschen.“

Sorokin selbst sieht die soziale Initiative einer römisch-katholischen Organisation in Russland sehr positiv. „Die Sozialküche der Malteser ist eine gewaltige Hilfe. Sie hilft konkret.“ Wenn er von orthodoxer Seite wegen der Zusammenarbeit mit den Maltesern kritisiert werde, weise er immer auf die Küche hin: „Wenn Ihr es besser machen könnt, dann macht es!“ Anfragen der Kritiker würden dann von selbst verschwinden.

Eine Anfrage stellen auch die Menschen, die in die Sozialküche der Malteser kommen: Arma und die anderen Rentner, die Armen und Behinderten. Sie können es nicht verstehen, weshalb sich Menschen im fernen Deutschland um so unwichtige und kleine Leute in Sankt Petersburg kümmern. „Das ist für uns unglaublich!“ Doch seien sie voller Dank für die Hilfe. „Danke, dass Sie uns aus Deutschland helfen!“, sagt Arma für die vielen, die in die Küche kommen. Der sehbehinderte 21-jährige Anton fügt hinzu: „Wir brauchen die Hilfe weiterhin und hoffen, dass Sie diese auch künftig leisten können.“

Weitere Informationen zur Sozialküche der Malteser: Malteser Hilfsdienst e.V., Diözesangeschäftsstelle Würzburg, Mainaustraße 45, 97082 Würzburg, Telefon 0931/4505101, Fax 0931/4505199, Spendenkonto: Ligabank Würzburg, Bankleitzahl 75090300, Kontonummer 103007057, Kennwort „St. Petersburg Sozialküche“.

Bernhard Schweßinger (POW)

(0806/0295)

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