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Hirtensorge, Internationalität und Zeit für Gott

Predigt von Weihbischof Helmut Bauer beim Kolpingtag am Sonntag, 23. Juli 2006, in Marktheidenfeld

Liebe Kolpingfamilie! Schwestern und Brüder im Herrn!

Wir hätten für den Kolpingtag keine zutreffendere Texte aus der Heiligen Schrift auswählen können, als sie ohnedies heute, am 16. Sonntag im Jahreskreis, in der Liturgie der Kirche uns zum Nachdenken und Bedenken vorgegeben sind. Sicher – das Bild des Hirten ist in unserem Industrie-Zeitalter und im modernen globalen Wirtschaftssystem nicht mehr so vertraut. Aber es bleibt ein Ur-Bild für Fürsorge, Umsicht, Einsatz für andere. Der selige Adolph Kolping hat diese Hirtensorge und -fürsorge am beginnenden Industriezeitalter übersetzt in unsere Lebenswelt. Er verkörpert, was heute einen guten Hirten ausmacht, denn wahrhaftig gerade die moderne Zeit kannte und kennt noch mehr als frühere Zeiten „Schafe, die keinen Hirten haben“, sagen wir es genauer: „Menschen, die keine Lobby haben“, Menschen, junge Menschen zumal, für die sich niemand einsetzt oder zu wenig in ihren Sorgen wahrgenommen werden. Wer sich unter dem Namen von Adolph Kolping versammelt, der muss vom Geist dieses Mannes sich „bewegen lassen und Welt gestalten“. Aber was sagen uns nun die Worte der Heiligen Schrift, die wir gehört haben? Alle drei Lesungen enthalten jeweils eine wichtige Botschaft:

Die erste Lesung zeigt uns, dass Gott sich als umsichtiger, fürsorgender Hüter und Hirte seines Volkes versteht. Er erwartet diese Hirtensorge von allen, die im Volk Gottes etwas zu sagen haben. Er wird sehr hart die zur Rechenschaft ziehen, die die Schafe seiner Weide zugrunde richten oder zerstreuen. Er wird einen Hirten nach seiner Gesinnung, nach seiner Art für das Volk Gottes bestellen.Wir wissen, dass Gott in Jesus Christus den Hirten nach seinem Herzen den Menschen gegeben hat. „Ich bin der gute Hirt“, wird Jesus sagen. Das ganze Leben und Wirken Jesu ist das Vorbild für das einzigartige verantwortungsbewusste Handeln im Einsatz für die Mitmenschen. An ihm orientiert sich Adolph Kolping, an Kolping orientiert sich die Kolpingfamilie. Die wichtigste Aufgabe des guten Hirten wird in der 1. Lesung das Sammeln der versprengten Schafe genannt. Ja – das war und ist die erste Aufgabe der Kolpingfamilie: Diese Gemeinschaft soll und muss, und ich darf auch dankbar sagen, will Menschen auffangen, die unten den heutigen Lebensumständen unter die Räder zu kommen drohen. Vor allem Jugendliche und Menschen am Rande der Gesellschaft. Natürlich brauchen alle Menschen, vor allem unsere Familien, die Alten und die Jungen, einen Ort der Sammlung, das Erlebnis des Miteinanders. Dieser Kolpingtag zeigt an, was dafür alles getan wird. Letztlich seid Ihr in der Kolpingfamilie die Einlösung und Konkretisierung des Gotteswortes: „Ich werde Hirten senden, die sie weiden, und sie werden sich nicht mehr fürchten und ängstigen und nicht verloren gehen“.

Die 2. Lesung zeigt uns auf, was sogar zum Markenzeichen der Kolpingfamilie geworden ist: Ich nenne es die Internationalität. Die Kolpingsöhne und -töchter wirken in vielen Staaten der Erde, in allen Erdteilen. Sie wirken grenzüberschreitend, aber nicht nur äußerlich oder organisatorisch – sondern geistig und geistlich. Diese grenzüberschreitende Kraft kommt natürlich nicht aus rein menschlichen Motiven, sondern aus der Kraft des Heiligen Geistes durch Jesus Christus. „Durch das Blut Jesu“, sagt der Apostel Paulus, „sind wir Menschen uns nahe gekommen“. Wir sind durch Jesu Blut mit allen Menschen blutsverwandt, so versöhnt mit Gott in einem einzigen Leib. Die moderne Geschichte kennt den gigantischen Versuch von Marx und Lenin, eine „Internationale“ der Arbeiter aufzubauen, um so das schreckliche Los, die Not von Millionen Menschen am Rande der Gesellschaft zu lindern. Doch die das Paradies der Werktätigen aus eigener Kraft schaffen wollten, schufen letztlich eine Hölle und noch größeres Elend. Wahrer Friede bringt uns der gute Hirte Jesus Christus, der sein Leben für die Menschen hingab. Seine Revolution ging nicht zuerst gegen die Paläste und Kapitalisten, sondern gegen die Herzlosigkeit und den Hochmut, der in allen Menschen steckt. „Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein“ – stand einmal auf einem LPG-Transparent der DDR. Ein paar Tage später stand darunter: „Ohne Sonnenschein und Gott – macht ihr unseren Staat bankrott!“ Kolpingsöhne und -töchter wissen, was für den seligen Gründungsvater Adolph Kolping erstrangig war: nämlich die Kraft, die vom Leben, Leiden, vom Blut und dem Herzen Jesu ausgeht. Nur aus dieser Kraft kann die Kolpingfamilie grenzüberschreitend, grenzübergreifend wirken.

In der 3. Lesung, im Evangelium, spricht der gute Hirte, Jesus selbst zu uns: Und schaut einmal, hört einmal: Er ruft nicht zu Aktionen auf. Er sagt nicht: Das und jenes müsst Ihr noch tun, um Erfolg zu haben. Er sagt nicht: Ihr müsst noch viel schlagkräftiger organisiert werden und die modernsten Techniken und Ideen umsetzen. Nein: Er sagte zu ihnen: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht euch ein wenig aus!“ Ob das schon einmal ein Konzernchef gesagt hat?! Ob das ein Erfolgsrezept für unsere Zeit sein kann? Oh – doch: Der Herr ist der beste Betriebspsychologe. Er weiß, was alle Menschen brauchen, besonders die Verantwortlichen in seiner Kirche: „Kommt mit“, sagt der Herr. Für Adolph Kolping war es eine Selbstverständlichkeit, dass er nach diesem Wort Jesu gelebt, gehandelt hat. Er nahm sich Zeit, beim Herrn zu sein – im Gebet, im Hören der Worte Gottes, besonders in der Feier der Eucharistie. Daher ist es ja auch eine Selbstverständlichkeit für diesen Kolpingtag, dass Sie vor der sogenannten „Kolpingmesse“ wirklich die heilige Messe angesetzt haben. Und bei dieser Messe soll auch nicht die äußere Aktion oder die Show im Vordergrund stehen, sondern das „Beim Herrn sein!“. Hier ist der einsame Ort, wo wir mit Christus ganz allein sind, wo wir uns einfach beim Herrn, dem guten Hirten, ausruhen dürfen.Wir sind beim Herrn, wenn wir das innerlich mitvollziehen, was er tut. Wenn wir ihm zuhören und mit der Kirche beten, loben und danken. Der selige Adolph Kolping hat seine Söhne besonders zum Mitfeiern der Eucharistie aufgefordert. Denn nirgendwo sonst sind wir so ganz nahe bei Christus als in der Eucharistie. Alles, was wir hier tun, sagen und bedenken, soll auf seine Person ausgerichtet sein und bleiben. Und nichts braucht der moderne Mensch, gerade die am Rand der Gesellschaft Stehenden, so sehr, als diese Erfahrung: „Der Wert meines Lebens wird letztlich bestimmt von der Liebe Gottes“.

Liebe Schwestern und Brüder!

Macht diesen Kolpingtag zu einem Tag der Sammlung! Ja – sprecht alle und alles an, was gefährdet ist! Macht dieses Kolpingtag zu einem grenzüberschreitenden Tag! Denkt an alle Menschen, an alle Nöte und schöpft Mut zu neuen Ideen und Aktionen. Macht diesen Kolpingtag aber zuerst zu einem Tag, der das Wort Jesu beherzigt: „Kommt mit – an einen einsamen Ort.“ Hier ist er. Amen.

(3206/1134)