Würzburg (POW) Einen kostenlosen Online-Kurs zum Thema „Reformation“, der zeit- und ortsunabhängig absolviert werden kann und keine Teilnehmerbeschränkung hat: Professor Dr. Rainer Leng vom Institut für Geschichte der Universität Würzburg hat einen Massive-Open-Online-Course (MOOC) unter dem Titel „Die Reformation“ konzeptioniert, um den Diskussionsprozess zum Gedenken an 500 Jahre Reformation zu fördern. Der Kurs ist eine Lehrveranstaltung, bei der Teilnehmer das Thema „Reformation“ anhand von Videosequenzen und Textmaterial im Internet behandeln und sich darüber in Foren und sozialen Netzwerken austauschen können. Start ist am 1. Mai 2017.
„Die Reformation wäre ohne den Buchdruck und die rasante Verbreitung von Luthers Thesen nicht die gleiche gewesen“, sagte Leng bei einer Pressekonferenz am Mittwoch, 15. März, im Medienhaus der Diözese Würzburg. Ähnlich trage das Internet derzeit wesentlich zu einem Umbruch bei. Durch den auf diesem Medium basierenden MOOC könne man Inhalte an die Menschen herantragen, die sie sich selbstständig nicht erarbeiten würden. Leng konzipierte bereits zwei solcher Projekte mit dem Thema „Karl der Große – Pater Europae“ und „Orientierung Geschichte: Zeit – Raum – Mensch“. Die Trägerschaft des aktuellen Projekts erfolgt in einer ökumenischen Kooperation des evangelisch-lutherischen Dekanats Würzburg mit seinem evangelischen Bildungszentrum Rudolf-Alexander-Schröder-Haus und des Bistums Würzburg mit seinem Bildungszentrum Domschule Würzburg.
„Die Entstehung zweier Konfessionen, die Auswirkungen des konfessionellen Zeitalters, die 95 Thesen – wer weiß darüber so genau Bescheid?“, stellte Leng als Frage in den Raum. Der Online-Kurs bereite geschichtswissenschaftliches und mediendidaktisches Grundlagenwissen über Vorgeschichte, Verlauf und Folgen der Reformation auf. „Was wirklich zählt, ist die Arbeit der Teilnehmer. Die historische Urteilsbildung zu fördern, ist das große Ziel des Kurses.“ Leng entwickelte einen frei zugänglichen MOOC mit einer Laufzeit von zwölf Wochen. Vermittelt werden soll historisch fundiertes Wissen und kritische Reflektion der Reformation als historisches Phänomen, das bis heute die Gegenwart prägt. „Jede Kurseinheit beginnt mit einem Einführungsvideo im E-Lecture-Format“, erklärte Leng. Das jeweilige Video vermittle die Inhalte in rund 15 Minuten. Zu jeder Einheit werde Textmaterial zur Verfügung gestellt, das die Inhalte unter anderem mit Hintergründen zur Quelle oder Lesehinweisen ergänzt. „Jede einzelne Einheit wird mit einem kurzen Quiz-Test versehen“, erklärte Leng. Fünf bis 15 Fragen müsse der Teilnehmer dort beantworten. Das fordere eine tiefergehende Beschäftigung mit dem Material. „Die meisten Kurseinheiten nehmen mit der Bearbeitung aller Materialien rund drei bis vier Stunden in Anspruch“, sagte Leng. Schaue man sich nur das Videomaterial an, brauche man lediglich rund eine Stunde. Pro Woche werden im Kurs bis zu drei Videos freigeschaltet.
Welche Bedeutung hat die Reformation heute? Wie prägt sie unsere Identität? Das seien Fragen, zu denen das Projekt anregen möchte und die es aber auch klären wolle, sagte Dr. Edda Weise, Dekanin des evangelisch-lutherischen Dekanats Würzburg. „In der Gegenwart prägt das Reformationsjubiläum unsere ganze Gesellschaft, unser Leben, unsere Sprache.“ Dabei schauten die Menschen jedoch nur auf die Folgen der Reformation in ihrer Region. Deswegen solle der Kurs dazu beitragen, den Blick der Menschen zu weiten und Menschen in ganz Deutschland und der Welt erreichen. „Ich glaube, dass wir in der Konzeption einen guten Kurs dafür gefunden haben.“ Der Online-Kurs sei ebenfalls eine wissenschaftliche Annäherung an die Reformation. Sie freue sich, dass die Ökumene durch dieses Projekt gefördert werde.
Dr. Anni Hentschel, Direktorin des Rudolf-Alexander-Schröder-Hauses, sagte, das Projekt hebe die Bedeutung der Reformation als wichtiges epochenbezeichnendes Ereignis hervor. „Geschichte ist für mich kein Wissen, das man sich nur zum Spaß aneignet.“ Das E-Learning wolle aber auch unterhalten. Videos und Quizze fragten das Wissen des Teilnehmers spielerisch ab. „Inhaltlich geht es dabei nicht nur um die Vorgeschichte der Reformation, sondern auch um die Veränderungen, die sie für die heutige Zeit hat.“
„In ökumenischer Gemeinsamkeit und Verbundenheit auf 500 Jahre Reformation zurückblicken“: Diese Möglichkeit schaffe der MOOC, sagte Dr. Rainer Dvorak, Leiter der Domschule Würzburg. „Es war für uns keine Frage, uns an diesem Reformationsjubiläum zu beteiligen, auch wenn es besondere Bedeutung für die evangelisch-lutherische Kirche hat.“ Als epochenmachendes Ereignis betreffe es ebenso die katholische Kirche. „Der Online-Kurs führt über das hinaus, was die Domschule als klassische Bildungsmöglichkeiten anbietet, wie zum Beispiel Vorträge oder Lesungen.“
Um an dem Kurs teilzunehmen, legt man sich im Internet unter mooin.oncampus.de/login/index.php einen kostenlosen Account an. Ergänzt wird der Kurs durch Präsenzveranstaltungen im Rudolf-Alexander-Schröder-Haus, Wilhelm-Schwinn-Platz 1, 97070 Würzburg. Die Vortragsreihe „Reformation vor Ort – Ein epochaler Prozess und seine lokalen Auswirkungen“ bietet am Donnerstag, 30. März, 6. April und 27. April eine historisch fundierte Einführung in die Reformation. Referent ist Professor Dr. Rainer Leng. Die Kosten pro Vortrag betragen sechs Euro, ermäßigt vier Euro. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Das evangelisch-lutherische Dekanat begeht das Jubiläumsjahr der Reformation unter dem Motto „reformation fränkisch frei – 500 Jahre Reformation in Mainfranken“ mit Gottesdiensten, Vorträgen und Konzerten. Am 16. Juli findet zum Beispiel das Stephaner Emporenkonzert „Die Musik des Martin Luther“ in der evangelischen Pfarrkirche Sankt Stephan in Würzburg statt.
bw (POW)
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