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Hoffnung finden auf der „Fazenda da Esperança“

Kirchliches Hilfsprojekt zeigt jungen Männern im brasilianischen Partnerbistum Óbidos einen Ausweg aus der Drogenabhängigkeit – Spiritualität, Gemeinschaft und Arbeit wichtige Säulen

Óbidos (POW) „Só Tu estás no centro do meu coração“ – „Du allein stehst im Mittelpunkt meines Herzens“, singen rund 35 Männer zu einer ruhigen, meditativen Melodie. Viele von ihnen schauen in sich gekehrt auf den Boden. Den Text können die Männer auswendig, so wie auch alle anderen Lieder, die sie beim Gottesdienst auf der „Fazenda da Esperança“ singen. Das Plätschern eines kleinen Baches, das Zirpen von Grillen und Vogelgezwitscher begleiten die Musik und den weiteren Verlauf des Gottesdienstes mitten in der Natur, am Rande des brasilianischen Regenwalds. Für die Männer, die gerade versuchen, von ihrer Drogenabhängigkeit loszukommen, ist es kein normaler Gottesdienst, wie sie ihn sonst täglich feiern. Zu Besuch sind drei Bischöfe aus drei Kontinenten: Bischof Bernardo Johannes Bahlmann aus dem Bistum Óbidos in Brasilien, Bischof Dr. Franz Jung aus Würzburg und Bischof John Ndimbo aus dem Partnerbistum Mbinga in Tansania.

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„Ich dachte, ich könnte es alleine schaffen, aber leider konnte ich es nicht. Ich brauchte Hilfe“, erzählt Erivaldo. Sein Leben ging in die Brüche. Familie und Freunde wandten sich von ihm ab. Er, wie auch die anderen Männer hier, sahen in ihrem Leben keinen Sinn mehr. Auf der „Fazenda da Esperança“, auf Deutsch „Hof der Hoffnung“, finden die Männer einen Weg aus ihrem kaputtmachenden Alltag. An einem abgeschiedenen Ort am Rande des Regenwalds haben sie die Möglichkeit, wieder zu sich und zu einem selbstverantwortlichen sowie drogenfreien Leben zu finden. Dafür ist das kirchliche Hilfsangebot auf drei Grundprinzipien aufgebaut: das Leben in Gemeinschaft, die tägliche Arbeit und Spiritualität. „Bei Sonnenaufgang beginnen wir den Tag mit einem Rosenkranz oder der Feier der heiligen Messe“, erklärt Erivaldo. Jeder Tag steht unter einem Bibelwort, das die Männer durch den Tag begleitet. In einem Tagebuch können die Männer dazu passend eigene Gedanken notieren. Gemeinsame Arbeitsstunden, Zeiten für das Gebet, Frühstück, Mittag- und Abendessen füllen den weiteren Tagesverlauf auf der Fazenda. „Wir sorgen für die Verpflegung, für die Tiere oder stellen Zäune auf. Die Arbeiten sind nicht für jeden Tag festgelegt.“ Regelmäßige Rundgänge über die Fazenda und durch die darauf stehenden Häuser würden zeigen, was zu tun sei: Küche oder die sanitären Anlagen putzen, Blätter zusammenkehren. Jeder bringe sich für ein harmonisches Zusammenleben ein.

Am meisten hilft Erivaldo aber die Spiritualität. „Als ich hier angekommen bin, habe ich mich wie ein Versager gefühlt. Heute fühle ich mich wie ein Gewinner. Was ich hier gelernt habe, möchte ich gerne draußen weitergeben.“ Markus Bergmann, Leiter der „Fazenda da Esperança“, hört das nicht zum ersten Mal. „Die Bewohner sagen oft, dass das Wichtigste die Spiritualität ist.“ Bergmann war selbst vor acht Jahren als Betroffener ein Bewohner der Rehabilitationseinrichtung für Drogenabhängige. Als er sein Leben wieder im Griff hatte, wollte er in der Einrichtung mitarbeiten, die ihm so sehr geholfen hatte, und übernahm schließlich sogar die Leitungsfunktion. „Ich denke, dass ohne Spiritualität die anderen beiden Prinzipien Arbeit und Gemeinschaft nicht existieren würden.“ Finanziert wird das Leben auf der Fazenda hauptsächlich durch die eigene Erzeugung von Lebensmitteln, wie Obst und Gemüse oder Tierprodukten, und deren Verkauf an Familien und Freunde der Bewohner. Auch Spenden werden gesammelt, und der Staat unterstützt das Hilfsprojekt mit einem finanziellen Zuschuss pro Bewohner.

„Als ich draußen lebte, abseits der Fazenda, hat mir meine Familie nicht getraut. Die Leute vertrauten mir wegen meiner Drogensucht nicht mehr“, erinnert sich Tiago zurück. Er war vor zwei Jahren schon einmal auf der Fazenda und hat einen Neustart gemacht. Nachdem er die Fazenda 2022 verließ, habe er Arbeit gefunden und sei mit seiner Familie in die Kirche gegangen. „Ich habe immer versucht, mir vorzuhalten, dass es mir mit Gott gut geht. Aber ich wurde immer schwächer, und als die erste Versuchung kam, war das mein geistiger Rückfall.“

Tiago ist ein Beispiel dafür, wie der Hilfsversuch scheitern kann. Damit es nicht allen Bewohnern nach ihrem Aufenthalt auf der Fazenda so ergeht, organisieren Ehrenamtliche im Bistum Óbidos wöchentliche Treffen, ähnlich einer Hilfsgruppe. Die ehemaligen Bewohner können sich hierdurch immer noch regelmäßig austauschen und werden nicht sofort ins kalte Wasser geworfen. „Der normale Aufenthalt dauert zwölf Monate, sodass alle Phasen des Jahres durchlaufen werden“, erklärt Bergmann. Die Männer erfahren dadurch, wie es ist, Karneval, Weihnachten oder Geburtstag ohne Drogen und Alkohol zu feiern. Der liturgische Kalender helfe, sich auf die Spiritualität zu konzentrieren und beispielsweise zu lernen, dass es an Weihnachten eben nicht auf die Party ankäme, sondern auf die Geburt Jesu und das Fest mit der Familie. Im zweiten Anlauf will Tiago den Glauben stärker in den Blick nehmen. „Jetzt suche ich verstärkt meine Spiritualität. Das Gebet, die Anbetung, der Gottesdienst sind wichtig für mich.“ In einem halben Jahr möchte er sich überlegen, ob er selbst als Freiwilliger auf der Fazenda arbeiten will. Das Angebot habe er vor zwei Jahren auch erhalten, aber dann abgelehnt. „Dieses Mal habe ich das Gefühl, dass ich mich freiwillig engagieren möchte. Dann weiß ich, ob ich länger auf der Fazenda bleiben möchte, oder ob ich das Charisma der Fazenda mehr für mich selbst nutzen möchte, um es meiner Familie zu vermitteln.“

Bei seiner Reise Anfang Januar durch das Partnerbistum Óbidos war der Besuch der „Fazenda da Esperança“ das eindrücklichste Erlebnis, erzählt der Würzburger Bischof Jung. Nach einem gemeinsamen Gottesdienst hätten vier junge Männer erzählt, wie Drogen ihr Leben zerstörten und wie sie durch das Wort Gottes und einen geregelten Tagesablauf aus dem Teufelskreis der Drogen ausgestiegen seien. „Einer hat ganz beeindruckend gesagt: ‚Das Medikament, das ich hier bekommen habe, heißt Jesus Christus.‘ Er hatte schon etliche Entzüge hinter sich gebracht, aber immer haben sie eine tiefe Leere im Herzen hinterlassen.“ Der junge Mann hätte auf der Fazenda zum ersten Mal gelernt, dass Nächstenliebe und Gemeinschaft einen Menschen positiv verändern können. Auch Domkapitular Albin Krämer, Leiter der Hauptabteilung Seelsorge und Mitglied der Delegation, die Bischof Jung nach Brasilien begleitet hat, fühlt sich bestärkt. Der Besuch der Fazenda habe ihm gezeigt: „Das Wort Gottes ist uns geschenkt als ein Wort, das uns Mut macht, das uns Verheißung und Kraft gibt, um das wir uns versammeln dürfen und das eine verbindende Mitte für uns alle ist.“

Stichwort „Fazenda da Esperança“

Die Entstehung der „Fazendas da Esperança“ geht zurück auf den deutschen Franziskanerbruder Hans Stapel, der in den 1980er Jahren nahe São Paulo lebte und mit der Kirchengemeinde vor Ort das Leben konkret am Wort des Evangeliums ausrichtete. Er wurde auf die menschliche Degeneration, welche die Drogenabhängigkeit anrichtet, aufmerksam und begann, den Abhängigen eine Form des Entzugs anzubieten. Die Grundprinzipien Arbeit, Gemeinschaft und Spiritualität haben nicht nur in Brasilien Anklang gefunden. Inzwischen gibt es über 125 für Männer und Frauen getrennte Fazenda-Gemeinschaften in 20 Ländern in Lateinamerika, Europa, Afrika und Asien.

Weiterführende Informationen zu den „Höfen der Hoffnung“ auch in Deutschland gibt es unter www.fazenda.de.

Rebecca Reljac (Internetredaktion)

(0723/0193; E-Mail voraus)

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