Liebe Schwestern und Brüder,
wieder stehen wir am Beginn einer Kiliani-Festwoche. In diesem Jahr hat Papst Benedikt XVI. am 28. Juni das Paulusjahr eröffnet. Wir schauen mit unseren Diözesanpatronen Kilian, Kolonat und Totnan auf diesen großen Völkerapostel, der unter unglaublichen Schwierigkeiten den Glauben in die damals bekannte Welt hinaus getragen hat. Paulus hat das große Thema „Hoffnung“ in die Köpfe und Herzen der Menschen getragen und so die Botschaft Jesu Christi vielfach verwurzelt.
„Auf Hoffnung sind wir gerettet“ (Röm 8,24) sagte Paulus den Römern – ein Satz, den unser Heiliger Vater Papst Benedikt XVI. in einer eigenen Enzyklika am Ende des vergangenen Jahres entfaltet hat.
Ohne Hoffnung kann kein Mensch leben. Kleine und große Hoffnungen begleiten unser ganzes Leben. Ein Mensch ohne Hoffnung ist das traurigste, was man sich denken kann. Letztlich ist er verloren, weil er keine Lebensfreude mehr hat und keinen Sinn mehr im Leben sieht.
Der Völkerapostel Paulus schrieb nicht nur den Römern: „Auf Hoffnung sind wir gerettet“, sondern ruft dies auch uns in dieser Stunde zu. Was meint er mit „Auf Hoffnung sind wir gerettet“? Der heilige Paulus argumentiert auf Zukunft hin. Hoffnung hat ja immer schon etwas mit Zukunft zu tun: Ich hoffe, dass dies oder jenes eintritt oder eben nicht auf mich zukommt und ähnliches.
Paulus aber denkt in viel größeren Zusammenhängen. Er blickt auf die Vollendung des Menschen und der Menschheitsgeschichte. Er schaut schon auf das Ende der jetzigen Schöpfungsrealität und die im Glauben verkündete Neuschöpfung. Mit dem Blick auf das Ziel göttlichen Heilswillens kann er sagen: „Ich bin überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll.“ (Röm 8, 18) Und er begründet dies mit dem nächsten Satz: „Denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes.“ (Röm 8,19)
Was meint er damit? Paulus bekennt, dass die Gebrochenheit der Schöpfung, die wir nur allzu gut am eigenen Leib erfahren, geheilt werden wird. Christus ist Mensch geworden und hat durch sein Leben und Sterben diesen Bruch wieder aufgehoben. Wir sind also schon durch ihn in diese heile Zukunft hinein genommen worden. Aber die Realität der Unvollkommenheit und Sünde, des Leidens und des Todes bleibt weiterhin schmerzlich erfahrbar. Das ist ja auch ein Grund, warum viele Menschen unserer Verkündigung nicht glauben! Sie halten unser Reden von Erlösung, von vollkommenem Glück und ewigem Leben für illusorische Wunschträume.
Paulus sagt, obwohl die Schöpfung der Vergänglichkeit unterworfen ist, soll sie „von der Sklaverei und Vergänglichkeit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes.“ (Röm 8,20). Wieso ist dies keine Sprechblase, keine leere Versprechung, sondern Realität? Paulus weiß selbst, dass dies leicht so verstanden werden kann. Deshalb fügt er an: „Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Heiligen Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden.“ (Röm 8, 23) Unser Problem ist, dass wir auf eine Zukunft verwiesen werden, die uns im Glauben vorgestellt wird, die wir aber zum jetzigen Zeitpunkt entweder als eine wunderbare Vision oder als eine unrealistische Fata Morgana ansehen. Es bleibt uns – so scheint es – nichts anderes übrig, als im Glauben darauf zu vertrauen, dass diese Zukunftshoffnung auch Wirklichkeit werden wird.
Ist das nicht zu viel verlangt? Paulus ringt mit dem Zweifel der Menschen. Er versteht sie nur allzu gut. Deshalb fügt er – fast um Worte ringend – an: „Wir sind gerettet, doch in der Hoffnung. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung. Wie kann man auf etwas hoffen, das man sieht? Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld.“ (Röm 8,24 und 25)
Liebe Schwestern und Brüder, es ist wahr, was Papst Benedikt XVI. dazu sagt: „Erst wenn die Zukunft als positive Realität gewiss ist, wird auch die Gegenwart lebbar.“ Aber wie können wir dies vernünftiger Weise annehmen? Wie können wir – auch vom Verstand her – dieser verheißenen Zukunft vertrauen? Auch hier hat der Papst einen entscheidenden Gedanken entfaltet, der uns den Einstieg in das Glaubenkönnen ermöglicht: „Die christliche Botschaft war nicht nur ‚informativ’, sondern ‚performativ’ – das heißt: Das Evangelium ist nicht nur Mitteilung von Wissbarem; es ist Mitteilung, die Tatsachen wirkt und das Leben verändert. Die dunkle Tür der Zeit, der Zukunft, ist aufgesprengt. Wer Hoffnung hat, lebt anders; ihm ist ein neues Leben geschenkt worden.“
Das heißt: Wir sind nicht nur durch die christliche Botschaft auf eine Zukunft vertröstet, sondern die christliche Botschaft, die Tatsachen bewirkt und konkret das Leben verändert, ist von uns – wenn wir sie denn annehmen und beherzigen – jetzt als lebensverändernde Kraft erfahrbar.
Schauen wir nur auf einen einzigen Kernsatz unseres Glaubens: Jeder Mensch ist von Gott geliebt und hat seine unantastbare Würde in seiner Gotteskindschaft.
Nehmen wir dies im Glauben an, dann lautet die Konsequenz: Das Leben eines jeden Menschen – vom ersten Augenblick seines Daseins an bis zum letzten Atemzug – ist für den Menschen nicht verfügbar. Das heißt ganz konkret: Bei Umsetzung dieser Glaubenseinsicht ist nicht nur alles zu tun, um das Leben zu schützen, sondern diese Akzeptanz ist die Voraussetzung für ein Leben in Würde und Freiheit eines jeden Menschen. Das hat Konsequenzen für eine gerechte Verteilung der Güter, für Schaffung von Bildungsgleichheit und für gleichwertige Akzeptanz auch behinderter, kranker oder alter Menschen.
Sollten wir uns von dieser im Glauben errungenen Wertevorstellung verabschieden, ist die Zukunft nicht nur einzelner Menschen sondern der Menschheit bedroht.
Der Staat ist auf solche Werte, die er nicht selber schafft, angewiesen, damit er überhaupt sinnvoll existieren kann. Von daher sind kirchliche Appelle an Politiker, an Wissenschaftler und Wirtschaftler nicht unbotmäßiges Einfordern kirchlicher Privilegien, sondern verantwortungsvolles Handeln zugunsten der Menschen.
Wenn wir also darauf hoffen, dass Gott am Ende der Zeiten alle Sehnsüchte der Menschen nach Gerechtigkeit, Liebe und ewigem Leben erfüllt, ist diese Hoffnung in das Heute hinein verwoben. Gott will ja auch durch uns, dass wir an dem Kommen dieses Gottesreiches konkret mitwirken. Von daher ist die verändernde Kraft des Glaubens ein Teil der eschatologischen Vollendung und hat doch ganz konkrete Auswirkungen für unser jetziges Leben.
So können wir in der Tat und dankbar vom Völkerapostel Paulus annehmen: „Der Gott Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater der Herrlichkeit, gebe euch den Geist der Weisheit und Offenbarung, damit ihr ihn erkennt. Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid…“ (Eph 1, 17 und 18)
Amen.