„Hoffnung voll Unsterblichkeit“
Viel ist im Lauf der Zeit zum Lob der Frankenapostel gesagt und gesungen, geschrieben, gemalt und gemeißelt worden. Zum Bewegendsten gehören die Worte, die aus dem Buch der Weisheit entnommen und auf die Heiligen hin gebraucht werden: „Ihre Hoffnung ist voll Unsterblichkeit“ (Weish 3,4). Diese Worte beleuchten nicht nur ihr Martyrium, sie werfen Licht auf ihr ganzes Leben und Wirken; sie können auch unser aller Leben und Wirken erhellen. Kilian, Kolonat und Totnan haben das Gottesgeschenk der Hoffnung empfangen. Hoffnung, die über die Grenzen unserer Welt hinaus reicht, Hoffnung, die nicht tot zu kriegen ist, „Hoffnung voll Unsterblichkeit“ hat ihr Leben geprägt. Was Gott ihnen gegeben hat, haben unsere Heiligen an unendlich viele weitergegeben; sie tun es bis zur Stunde.
Hoffnung für viele
Die Frankenapostel sind und bleiben exzellente Hoffnungsboten, Hoffnungszeugen und Hoffnungsmittler.
Hoffnungsboten
Ihr Weg nach Würzburg beginnt mit dem Evangelium der Hoffnung. Schon in jungen Jahren ist Kilian von „großem Eifer beseelt, die heiligen Schriften kennenzulernen“ (p 1). Mehr als alle anderen Schriften der Menschheit sprechen sie von einer „Hoffnung voll Unsterblichkeit“. Im Hören auf ihr Zeugnis vernimmt Kilian im Evangelium die Stimme des Herrn, der in einzigartiger Weise Hoffnung geben kann und will. „Ganz und gar im Herzen und im Geist davon ergriffen“ (p 2) nimmt Kilian das Wort des Herrn auf und ist sogleich darauf aus, es anderen mitzuteilen. Das gelingt. Er gewinnt Gefährten, die bereit sind, „gemäß dem Evangelium“ zu leben und „ohne alles Christus nachzufolgen“ (p 2). Sie lassen alles zurück (p 3), um den Menschen, für die sie sich bestimmt wissen, „voll Vertrauen den Namen unseres Herrn Jesus Christus zu verkündigen“ (p 4).
Ihre Botschaft können wir mit den Worten des Apostels zusammenfassen: „Jesus Christus, gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Er, der für uns gestorben und auferstanden ist, hat Sünde und Tod überwunden. Weil er „voll Unsterblichkeit“ ist, kann die Hoffnung, die er uns gibt, „voll Unsterblichkeit“ sein. Von dieser Hoffnung spricht das Festevangelium, wenn es nicht müde wird, das „selig… selig“ zu wiederholen. Weil Hoffnung und Freude untrennbar zusammengehören, entspricht der „Hoffnung voll Unsterblichkeit“ die Freude ohne Grenzen, die Seligkeit. Jede der acht Seligkeiten ist ein Hoffnungssignal, das in eine notvolle Situation hinein gesendet wird. Wir werden mit dem Elend menschlicher Misere konfrontiert, wenn von Armen die Rede ist, von Trauernden, von Hungernden und Dürstenden, von Beschimpften und Verfolgten. Unser Herr weiß um die Not, die all das machen kann; er hat sie am eigenen Leib erlebt. Er verharmlost die Not nicht; er überwindet sie, indem er sie für uns auf sich nimmt. Wie er mitten in unserer Not lebt, soll die Hoffnung, die er uns schenkt, mitten in aller menschlichen Not verwirklicht werden. Wer ihn inmitten aller Not findet, findet „Hoffnung voll Unsterblichkeit“, findet Hilfe und Heil, Sättigung und Trost, Erbarmen und Frieden, findet das Himmelreich.
Hoffnungszeugen
Die Frankenapostel haben diese Botschaft nicht nur mit Worten verkündet; sie haben sie durch ihr Leben bezeugt. Wir wissen nicht, wie weit sie in der Lage waren, in relativ kurzer Zeit die Sprache unserer Vorfahren zu lernen. Vermutlich ist ihnen das nicht vollkommen gelungen. Umso wichtiger war es, dass sie die Frohbotschaft überzeugend verkörperten. Offenkundig war das der Fall. Schon dass sie als verschworene Gemeinschaft in den Blick traten, machte sie zu qualifizierten Zeugen gelebter Hoffnung. „Fest miteinander vereint brachen sie auf“ (p 3), heißt es im Blick auf den Anfang ihres missionarischen Abenteuers. Miteinander verkünden sie das Wort Gottes (p 6). Selbst angesichts des frühen Todes halten sie zusammen. In der ältesten Lebensgeschichte lesen wir: „Tag und Nacht gaben sie sich dem Gebet und dem Fasten hin, froh ohne Traurigkeit, ergeben ohne Furcht“ (p 9). Nicht der Tod beherrschte ihr Denken, sondern das verheißene ewige Leben. Als die Mörder sie zur Nachtzeit überfallen, finden sie die drei „einmütig zum Lob Gottes vereinigt“ (p 10). Kilians letzte Worte sind ein Hoffnungsappell an seine Gefährten. Er weist sie auf den Herrn hin, der ihre gemeinsame Hoffnung ist; er erinnert sie an das, was er gesagt hat, und kann ihnen deshalb ans Herz legen: Kämpft zusammen mit mir, „ohne Furcht, ohne Zittern, gemäß dem Wort des Herrn: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können“ (p 10). So bezeugen sie noch im Sterben, dass ihre „Hoffnung voll Unsterblichkeit“ ist; so werden sie zu Blutzeugen des Herrn, der unsere Hoffnung ist.
Hoffnungsmittler
Was sie zeitlebens praktiziert haben, ist mit ihrem Tod nicht vorbei. Für immer mit dem Herrn vereint, können sie immerzu seine Boten, seine Zeugen, seine Helfer, kurzum: Mittler seiner Hoffnung sein. Ihre Lebensbeschreibung endet deshalb nicht mit dem Bericht über ihr Sterben; sie schildert in der Folge, wie sie weiterwirken. Ihre Geschichte ist noch lange nicht zu Ende. Der Same, den sie ausgesät haben, ist aufgegangen. Der gewaltsame Tod hat ihn nicht zerstört, er hat zu seinem Fruchtbarwerden beigetragen. Mit Recht singen wir im Kilianslied: „Er hat besprengt mit seinem Blut den ausgestreuten Samen gut.“ Immer wieder erweisen sich die Frankenapostel als Hoffnungsmittler, wenn wir dem apostolischen Appell folgen: „Denkt an eure Vorsteher, die euch das Wort Gottes verkündet haben, schaut auf das Ende ihres Lebens und ahmt ihren Glauben nach“ (Hebr 13,7).
Das Buch der Weisheit, dem wir die Worte von der „Hoffnung voll Unsterblichkeit“ verdanken, sagt im Blick auf das himmlische Leben und Wirken der Heiligen: „Ihre Seelen sind in Gottes Hand“ (Weish 3,1). In ihr sind sie geborgen; von ihr werden sie als Werkzeuge seiner Liebe gebraucht. Je mehr einer mit dem Herrn vereint ist, umso mehr ist er in sein Wirken einbezogen. Je mehr einer vom Herrn empfängt, um so mehr kann er anderen davon mitteilen. „Die Treuen werden bei ihm bleiben in Liebe“, heißt es (Weish 3,9). Wir dürfen darauf vertrauen, dass dieses In-der-Liebe-bleiben immer auch ein In-der-Liebe-helfen ist. Deshalb setzen wir auf die Fürsprache der Heiligen und auf ihre stete Hilfe.
Auf den Spuren der Frankenapostel
Wir werden am Ende mit den Frankenaposteln vereint sein, wenn wir ihnen auf Erden nachzufolgen suchen. Die Hoffnung, die sie vermitteln, ist jedem von uns ganz persönlich zugedacht; zugleich sollen viele andere sie empfangen und zwar durch uns. Wir alle sind dazu berufen, Hoffnungsboten, Hoffnungszeugen und Hoffnungsmittler zu sein. Angesichts der vielen Hoffnungsdefizite in unserer Zeit hängt viel davon ab, ob und wie wir diese Aufgabe wahrnehmen. Wir feiern erst dann in der rechten Weise Kiliani, wenn wir bereit sind, als Gefährten Kilians in unserer Welt zu leben und zu wirken. Das Konzil sagt: Gott selbst zeigt den Menschen in den Heiligen „in lebendiger Weise seine Gegenwart und sein Antlitz. In ihnen redet er selbst zu uns, gibt er uns ein Zeichen seines Reiches“ (Kirchenkonstitution n. 50). Gebe Gott, dass wir seine Stimme hören, seinem Ruf folgen; dass wir in den Heiligen die Zeichen seines Reiches und die Zeichen der Hoffnung erkennen. Gebe Gott, dass wir selber alles daran setzen, um trotz unserer Grenzen und Schwächen als Boten, Zeugen und Mittler der Hoffnung zu wirken. Amen.