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Dokumentation

Hoffnungsträger werden zu allen Zeiten benötigt

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung beim Gottesdienst zur bundesweiten Eröffnung der Diaspora-Aktion des Bonifatiuswerks am Sonntag, 8. November, im Würzburger Kiliansdom

Liebe Schwestern und Brüder,

Die Diaspora durch die Corona-Pandemie

„Werde Hoffnungsträger!“, so lautet das Motto der diesjährigen Diaspora-Aktion des Bonifatiuswerkes, die wir heute gemeinsam im Dom zu Würzburg eröffnen. Die Aktion dient dazu, die Aufmerksamkeit auf unsere Schwestern und Brüder zu richten, die in der Diaspora, in der Zerstreuung, leben. Damit meint man in der Regel die Glaubensangehörigen, die als Minderheit in Gegenden leben, in denen mehrheitlich Angehörige anderer Konfessionen oder Religionen leben. Diaspora oder Zerstreuung bedeutet in diesen Tagen des teilweisen Lockdowns aber mehr als nur eine konfessionelle Minderheitensituation. Unser Land durchlebt in diesem Monat angesichts der Corona-Pandemie insgesamt eine Diaspora-Erfahrung, wenn man so sagen kann. Wegen der Einschränkungen können wir nur noch wenige Familienangehörige und Freunde treffen. Wir leben aufgrund der Kontaktbeschränkungen gewissermaßen alle in der Diaspora. Das Motto könnte deshalb kaum besser gewählt sein, auch wenn bei der Planung die jetzige Situation wahrscheinlich noch nicht im Blick war. Aber das macht nichts. Hoffnungsträger werden zu allen Zeiten benötigt, aber jetzt sicher besonders dringlich.

Das Gleichnis von den törichten und klugen Jungfrauen

Jesus erzählt uns im heutigen Evangelium das Gleichnis von den fünf törichten und den fünf klugen Jungfrauen. Ich betrachte es als Einladung, das Motto der diesjährigen Diaspora-Aktion „Werde Hoffnungsträger“ anhand dieses Gleichnisses in fünf Punkten etwas näher zu erläutern.

Erstens: Hoffnung braucht „Jungfrauen“ und nicht „alte Jungfern“

Hoffnung braucht Gemeinschaft. Es ist schwer, allein hoffen zu müssen, ohne dass andere mit einem die Hoffnung teilen. Kirche versteht sich als eine solche Hoffnungsgemeinschaft, eine Hoffnungsgemeinschaft von Jungfrauen, um im Bild des Gleichnisses zu bleiben. „Jungfrau“ wird hier in einem geistlichen Sinn verstanden. Die Jungfrau steht dann für den im Geist jung gebliebenen Menschen, der in großer Lebensfreude und Zuversicht seinen Weg geht und vom Leben und von Gott alles erwartet.

Papst Franziskus greift immer wieder gerne auf das Bild von der Kirche als Jungfrau zurück und setzt dem als Warnung das Bild von „der alten Jungfer“ entgegen. Ein nicht gerade charmanter Vergleich. Denn im Gegensatz zur Jungfrau sieht er in der alten Jungfer den enttäuschten Menschen, der müde geworden ist und dem eigenen Leben und den verpassten Chancen nachtrauert, anstatt frohgemut in die Zukunft zu blicken. Die Hoffnung aber schaut nicht griesgrämig zurück, sondern geht beherzt in die Zukunft.

Nicht alte Jungfern, sondern Jungfrauen sucht Gott, echte Hoffnungsträger auch jetzt in der Corona-Krise. Nicht Menschen, die den guten alten Zeiten hinterhertrauern, sondern die trotz der wenig erfreulichen Umstände auf den Herrn schauen und im Blick auf ihn zuversichtlich die Herausforderungen angehen.

Zweitens: Hoffnung braucht den langen Atem

Die geistliche Haltung der Jungfräulichkeit muss sich bewähren in der Ausdauer. Das Gleichnis erzählt davon, wie die zehn Jungfrauen lange auf den Bräutigam warten mussten. Es war eine harte Geduldsprobe. In der Zeit des nächtlichen Wartens brannten die Lampen der Jungfrauen langsam ab, bis sie kurz vor dem Verlöschen waren.

Diese Erfahrung ist uns nicht unbekannt. Wir beginnen mit großem Elan und ordentlich Schwung. Dann tauchen die ersten Probleme auf. Ernüchterung stellt sich ein. Die einstigen Ideale verlieren ihren ursprünglichen Glanz. Stück für Stück erlahmt der Eifer. Man schleppt sich dahin unter einiger Kraftaufbietung, aber im Grunde ist die Luft raus.

Das gibt es in allen Lebensbereichen. Wir erfahren es auch jetzt aktuell in Corona-Zeiten. Der Glaube kann nur sehr eingeschränkt im Gemeindegottesdienst gelebt werden. Wir sehen uns auf uns selbst zurückgeworfen. Müdigkeit macht sich breit. Was bringt es denn? Brauche ich den Gottesdienst und die Gemeinschaft denn noch? Vermisse ich überhaupt etwas, oder komme ich auch so ganz gut zurecht? Man schaut ab und zu noch in den Fernseher oder ins Internet. Aber alles rückt in immer weitere Ferne. Es ist eine schleichende Erfahrung der Entfremdung. Unversehens ist man weit weg von dem, was einem einmal viel bedeutet hat.

Wie heißt es im Hebräerbrief so eindrücklich: „Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, überzeugt sein von Dingen, die man nicht sieht.“ (Hebr 11,1) Den Glauben zu pflegen bedarf also einer festen Entscheidung. Man muss sich mit ihm auseinandersetzen. Ihn vertiefen im Gespräch mit anderen, durch Lektüre und vor allem und immer wieder durch das beständige Gebet. Was nicht gepflegt wird, verkommt. Das gilt nicht nur im menschlichen Miteinander, sondern auch in der Beziehung zu Gott. Hoffnungsträger aber sind Menschen mit einem langen Atem. Sie wissen um die Durststrecken im Leben, die uns gegeben sind zur Ernüchterung, aber auch zur Konzentration auf das Wesentliche. Es sind nicht selten Zeiten der Läuterung.

Drittens: Hoffnung braucht Wachsamkeit

Um Mitternacht, so heißt es im Gleichnis, ertönten plötzlich die Freudenrufe: Der Bräutigam kommt, geht ihm entgegen! Zur dunkelsten Stunde, um Mitternacht, kommt der Bräutigam, als es eigentlich schon keiner mehr so richtig glaubt, dass sich noch etwas tut. Mitternacht ist der Moment größter Müdigkeit auf der einen Seite. Aber auf der anderen Seite ist die Mitternacht auch der Moment, in dem der Mensch am Empfänglichsten ist, weil er weiß, dass er es aus eigener Kraft und Anstrengung nicht schafft.

So ist es kein Zufall, dass die großen Feste des Christentums immer um Mitternacht gefeiert werden. Die Weihnacht und Osternacht verdeutlichen, dass Gott dem entgegenkommt, der selbst noch in der größten Dunkelheit auf ihn wartet. Die Braut im Hohelied Salomos sagt es so treffend: „Ich schlief, doch mein Herz war wach.“ (Hld 5,2) Wer Hoffnungsträger ist, verzagt nicht. Wenn alles verloren scheint und der Mensch nichts mehr erzwingt, wenn der Mensch wirklich loslässt und alles Gott anvertraut, ist der Zeitpunkt des Bräutigams gekommen. Zeit auch für uns, uns vom Schlaf zu erheben, um ihm entgegenzugehen wie die Jungfrauen.

Die Mitternacht wird so unversehens zum Beginn eines neuen Tags. Gott entzündet uns das Osterlicht in der Finsternis, das Licht, das keine Finsternis der Welt mehr auszulöschen vermag. Das Licht der Hoffnung. Das sei auch all denen zugesagt, die jetzt in diesen Tagen und Wochen nur schwarzsehen und denen die Hoffnung zu schwinden droht.

Viertens: Hoffnung wächst durch den Aufschub

Es gehört zu den verstörenden Zügen des Gleichnisses von den zehn Jungfrauen, dass die Klugen den Törichten nichts abgeben von ihrem Öl, wie man es vielleicht ja hätte erwarten können. Aber das Öl der Hoffnung kann man nicht wie eine Flüssigkeit oder eine materielle Gabe einfach teilen. Dieses Öl muss man ein ganzes Leben lang ansammeln. Papst Gregor der Große hat einmal ein großes Wort gesprochen als er sagte: „Sehnsucht, die durch Aufschub abnimmt, war nie Sehnsucht gewesen.“

Der Aufschub fördert die Sehnsucht. Oder, um im Bild des Gleichnisses zu bleiben: Der Aufschub weitet die Fassungskraft unseres Herzens, um der Sehnsucht nach Gott Raum zu geben. Die klugen Jungfrauen haben in diesem Sinn ihre Herzen weit gemacht, so dass von Gott her das Öl der Hoffnung in ihre Herzen fließen konnte. Wo aber die Sehnsucht erkaltet und der Aufschub lähmt und träge macht, da kann man auch keine Hoffnung mehr kaufen. Sie ist nicht äußerlich zuzuführen, sondern muss aus dem Inneren des Herzens kommen und dort die Flamme der Hoffnung hüten.

Die Erfahrung, weggeschickt zu werden, bleibt auch uns bisweilen nicht erspart. Wir spüren, mit leeren Händen dazustehen, wo wir eigentlich aus dem Vollen hätten schöpfen müssen. Eine Demutsübung im Leben, aber zugleich eine Einladung, der eigenen Sehnsucht noch einmal nachzugehen und unser enges Herz dem Herrn zu öffnen und hinzuhalten mit der Bitte, er möge es von Neuem füllen.

Fünftens: Hoffnung lebt von Momenten der Erfüllung

Wer eine große Hoffnung im Herzen trägt, der braucht immer wieder Momente, in denen aufblitzt, dass er sich nicht vergebens auf den Weg gemacht hat. Für uns Christen ist das die Feier der Eucharistie. Sie ist das wahre himmlische Hochzeitsmahl. Die Teilnahme an der Eucharistie wird zum Vorgeschmack göttlicher Erfüllung. Sie stärkt uns auf unserem Glaubensweg und verbindet uns mit unseren Schwestern und Brüdern im Glauben weltweit, aber auch mit den schon vollendeten Schwestern und Brüdern, wie wir es am vergangenen Sonntag an Allerheiligen gefeiert haben. Sie dürfen wir um ihre Fürbitte anrufen, wenn immer uns das Öl unserer Lampen auszugehen droht und wenn wir ermatten auf unserem Weg der Nachfolge.

Wenn Christus, der Bräutigam seiner Kirche, uns von innen her die Tür zur großen Festfreude öffnet, erfüllt sich, was der Apostel Paulus im Römerbrief beschreibt: „Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ (Röm 5,3-5)

Dass die Hoffnung nicht zugrunde gehen lässt, weil Gottes Liebe in unsere Herzen ausgegossen wird, das wünsche ich Ihnen und uns allen von Herzen in diesen bedrängenden Diaspora-Corona-Tagen. Der diesjährigen Diaspora-Aktion des Bonifatiuswerkes wünsche ich gutes Gelingen und Gottes reichen Segen besonders für die uns anvertrauten Schwestern und Brüder in den Gebieten der Diaspora in unserem Land und in der weltweiten Diaspora. Helfen wir durch unser Gebet und unsere Spende tatkräftig mit, dass sie ihren Glauben aus der wachsamen Hoffnung auf Christus als den kommenden Bräutigam der Kirche leben können. Amen.