Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

„Ihr könnt die Freude von uns lernen“

Interview mit den Gästen aus der zukünftigen brasilianischen Partnerdiözese Óbidos zum Abschluss ihres ersten Besuchs im Bistum Würzburg

Würzburg (POW) Es war für die brasilianischen Gäste der erste Besuch im Bistum Würzburg: Die dreiköpfige Delegation aus der Diözese Óbidos im nördlichen Bundesstaat Pará lernte in der ersten Dezemberhälfte ihr zukünftiges deutsches Partnerbistum kennen. Im folgenden Interview ziehen Pfarrer José Paulo Alves, Schwester Deca Amaral und Bischofssekretär Antonino Costa Martins Bilanz über ihren Besuch in der Diözese Würzburg, erklären, vor welchen Herausforderungen das Bistum Würzburg in ihren Augen steht, und verraten, was beide Bistümer voneinander lernen können. Christiane Hetterich, Pastoralreferentin im Referat Mission-Entwicklung-Frieden der Diözese Würzburg, hat beim Gespräch übersetzt.

POW: Zwei Wochen lang haben Sie das Bistum Würzburg besucht, haben Land und Leute kennengelernt. Wie hat es Ihnen gefallen?

Bischofssekretär Antonino Costa Martins: Besonders beeindruckt haben mich das Interesse der Menschen im Bistum Würzburg an uns und auch das große Engagement der Laien, die Kirche hier in Würzburg voranzubringen. Wir haben aber auch wahrgenommen, dass die Diözese Würzburg vor vielen Herausforderungen steht.

POW: Welche Herausforderungen meinen Sie?

Martins: Die größte Herausforderung in meinen Augen ist, dass die Jugendlichen fehlen. Wir waren in vielen Gottesdiensten und dabei haben wir nur Erwachsene wahrgenommen. Die Jugend fehlt komplett. Wie geht es in der Zukunft weiter? Das ist die Herausforderung.

Pfarrer José Paulo Alves: Ich sehe noch weitere Herausforderungen. Bei den Treffen in den Pfarreien haben viele Laien gesagt, sie würden gerne mehr Aufgaben übernehmen, vieles sei aber nicht möglich. Das ist für mich ganz klar eine Herausforderung, hier in Würzburg den Laien mehr Verantwortung zu übertragen. Außerdem habe ich auch gehört und gesehen, dass hier in den Pfarreien nicht so viel mit der Bibel gearbeitet wird. Aber die Bibel ist in meinen Augen in der Pastoral und im Glauben der zentrale Punkt. Die Bibel ist das, was den Glauben stärkt. Das nehme ich in meiner Heimat immer wahr. Im Bistum Würzburg besteht also die Herausforderung, wieder mehr mit der Bibel zu arbeiten.

POW: Welche Erlebnisse und Erfahrungen nehmen Sie von Ihrem Besuch in der Diözese Würzburg mit nach Hause?

Schwester Deca Amaral: In Brasilien besteht das Vorurteil, dass die Deutschen menschlich sehr kalt sind. Das habe ich hier gar nicht wahrgenommen. Die Menschen, die uns begegnet sind, waren alle offen, warmherzig und haben sich sehr interessiert. Die Gruppen, die wir besucht haben, sind sehr solidarisch – sei es mit Brasilien oder mit anderen Ländern auf der Erde. Die Menschen hier haben sich sehr sensibel gezeigt, was die Situation der Armen betrifft. Bei unserem Besuch in Kürnach haben wir Pfarrvikar Matthias Karwath kennengelernt. Er hat in seinem Pfarrhaus den Dachstuhl für Meditations- und Kontemplationskurse ausgebaut. Es hat mich sehr beeindruckt, dass auch Priester und Gemeinden neue Wege suchen, um den Glauben weiterzugeben und auch Religiosität zu vertiefen.

POW: In Ihrer Heimat lebt die Kirche von der Arbeit der Laien. Wie sieht das konkret aus?

Amaral: Das hat sich gewandelt. Vor einigen Jahren gab es Nachbarschaftsgruppen, die sich einmal in der Woche getroffen haben, um das Sonntagsevangelium zu lesen und gemeinsam zu meditieren. Jetzt ist es ein bisschen anders organisiert. Es gibt Gruppen, die nennen sich „dauernde Katechese“. Diese Gruppen lesen ein bestimmtes Buch der Bibel. 2011 war es das Buch Exodus. Es gibt vorbereitendes Material dazu, das gemeinsam gelesen und auch zum Beten genutzt wird, sodass es nicht nur beim intellektuellen Bibelstudium bleibt.

Alves: Die brasilianische Kirche hat die Leitlinie, dass die Bibel sehr viel gelesen wird und man sich an ihr orientiert. Die Bibel ist wichtig für das Leben der Gemeinde und auch für das pastorale Tun.

POW: Gibt es auch beispielsweise Wort-Gottes-Feiern?

Amaral: Ja, jeden Sonntag. Das gehört ganz klar dazu.

POW: Wo wird dieser Gottesdienst gefeiert?

Amaral: Den Menschen in Brasilien gefällt es, sich in den Familien zu treffen. Wir treffen uns nicht in kirchlichen Räumen, sondern abwechselnd in den Familien. Und zwar schon auch mit dem Ziel, Familienmitglieder miteinzubeziehen, die sonst der Kirche eher distanziert gegenüberstehen. Das hat also einen missionarischen Nebeneffekt.

Alves: Das zeigt, dass die Kirche ihrem missionarischen Auftrag gerecht wird. Wir versuchen uns immer mit den Menschen in ihren Häusern zu treffen, die nicht so viel am Geschehen der Kirche teilhaben. Durch diese Treffen werden die Menschen wieder motiviert, mehr am Leben der Kirche teilzunehmen.

POW: Das Gemeindeleben spielt sich also ausschließlich in privaten Räumen ab. Gibt es denn keine kirchlichen Räumen?

Alves: Doch, die gibt es schon. Aber es ist kulturell bedingt, dass wir uns gerne in den Häusern mit anderen Familien treffen. Also auch zum Bibelteilen. Die Gruppen der „dauernden Katechese“ sind durch ihr großes Wissen meist sehr lebendig. Wir lesen wirklich sehr gerne die Bibel und ernähren uns sogar von ihr.

POW: Wie meinen Sie das?

Alves: Die Bibel animiert unser Leben. Wir schöpfen Mut und Hoffnung aus der Bibel. Beispielsweise besonders, wenn es im Leben nötig ist zu kämpfen oder es gilt, sich mit anderen zusammenzuschließen. Und wir nehmen auch aus der Bibel den Anstoß, das Leben zu feiern.

POW: Sie sehen sich als missionarische Kirche im Herzen von Amazonien. Ein Beispiel dafür – Sie sagten es bereits – ist das Miteinbeziehen von Familien, die weniger mit der Kirche zu tun haben. Auf welchen anderen Ebenen zeigt sich noch Ihr missionarischer Ansatz?

Alves: Der Hauptinhalt unserer missionarischen Tätigkeit ist, die Person und das Lebensprojekt von Jesus Christus vorzustellen. Und dabei geht es nicht um eine Theorie, sondern es geht darum, dass dieses Projekt von Jesus ein Lebensprojekt für jeden einzelnen von uns werden kann. Mit Jesus glückt das Leben und wird leichter. Man lernt, sich für Gerechtigkeit und Frieden einzusetzen. Mit Jesus wird auch das Leben in den Familien anders.

POW: Wie wird das umgesetzt?

Alves: Das läuft ganz unterschiedlich. Die Pfarrer besuchen die Landgemeinden, die ganz weit weg im Regenwald leben. Dann finden immer wieder Volksmissionen statt. Wir organisieren große Treffen. Und letztendlich spielt die Spendung der Sakramente eine wichtige Rolle.

Amaral: Was auch noch dazugehört ist die Sozialpastoral. Dabei geht es um die sozialen Aspekte und um das Umweltbewusstsein. Die Sozialpastoral hat dazu beigetragen, dass sich die Menschen organisieren, um für oder gegen etwas zu kämpfen.

POW: Wie wichtig ist das?

Alves: Dieser sozio-ökologische Aspekt ist immens wichtig. Es geht darum, dass die Menschen ihren Horizont erweitern, damit sie merken, dass sie kämpfen müssen, um eine bestimmte Lebensqualität zu erreichen. Ausgangspunkt für dieses bessere Leben ist immer das Evangelium, die Frage nach dem Reich Gottes.

POW: Sie binden ganz stark Laien in die kirchliche Arbeit ein. Soll das auch weiterhin so bleiben, oder sollen langfristig mehr Pfarrer ausgebildet werden?

Alves: Jede Gesellschaft hat natürlich ihre eigene Geschichte. Mit der eigenen Geschichte haben sich auch die jeweils eigenen Strukturen entwickelt, auch die der Kirche in Amazonien. Wir sind sehr glücklich und zufrieden mit der hohen Beteiligung der Laien im kirchlichen Leben. Wir können es uns auch nicht anders vorstellen und wollen, dass es so bleibt. Aber ein großes Anliegen von mir sind die Aus- und Weiterbildung der Laien. Da haben wir noch viel zu tun. Und ebenso die Ausbildung der Jugendlichen, dass sie irgendwann die Laien-Arbeit übernehmen können. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Berufungspastoral und dann auch die Ausbildung der jungen Männer zu Priestern. Aber ganz klar: Ohne die Laien geht es nicht. Die Laien sind eminent wichtig. Und auch wenn wir mehr Priester hätten: Wir haben nie so viele, dass die Laien nichts mehr zu tun hätten.

POW: Also steht das Engagement der Laien nicht in Frage?

Alves: Genau. Denn die Laien haben mit der Taufe den Auftrag dazu erhalten. Durch die Taufe haben sie den Auftrag, als Kinder Gottes in der Welt zu wirken. Wir setzen Laien also nicht ein, weil Priester fehlen, sondern weil jeder Mensch mit der Taufe den Auftrag erhalten hat.

POW: Was können wir von Ihrer brasilianischen Diözese lernen?

Alves: Ich komme erst einmal zu dem, was wir von der Diözese Würzburg lernen können: nämlich die Organisation. Natürlich können wir nie die Organisationsstrukturen aus dem Bistum Würzburg übernehmen, aber wir können Organisation lernen. Die Diözese Würzburg kann von uns lernen, wie man eine Gemeinde animiert und wie man mit der Bibel umgeht – sie nämlich als spirituelles Fundament für die Arbeit zu nutzen. Und ein ganz wesentlicher Punkt, den ihr von uns lernen könnt, ist die Freude. Ich habe festgestellt, dass in Deutschland oft zu wenig Freude vorhanden ist.

Martins: Und auch im Jugendbereich kann das Bistum Würzburg von uns lernen. Wir haben eine gute Jugendarbeit. Das wäre auch ein Punkt für die Partnerschaft.

POW: Gibt es bereits konkrete Pläne?

Martins: 2013 findet der Weltjugendtag in Rio de Janeiro statt. Es ist geplant, dass die Gruppe aus Würzburg, die dort hinfährt, vorher bei uns in Óbidos Station macht. Dabei ist es wichtig, dass man einen Austausch von Jugendlichen zu Jugendlichen schafft. Begegnung und Erfahrungsaustausch sollen möglich werden. Und damit das möglich wird, ist es jetzt schon wichtig, dass die jungen Leute, die planen, dorthin zu fahren, Portugiesisch lernen. Erst dann kann ein richtiger Austausch entstehen, wenn man nicht auf Übersetzungen angewiesen ist.

POW: Herr Martins, haben Sie als zukünftiger Partnerschaftsbeauftragter noch weitere Pläne, wie die Partnerschaft gestaltet werden kann?

Martins: Ein Ansatz ist, dass eine kleine Gruppe des Sachausschusses Mission-Entwicklung-Frieden des Würzburger Diözesanrates über Pfingsten 2012 nach Óbidos fahren wird. Und zwar unter dem Aspekt: Laien lernen von Laien. Ich habe aber auch bei den Besuchen in den Pfarreien festgestellt, dass auch die Priester sehr interessiert waren und uns gerne in Brasilien besuchen würden. Aber die Partnerschaft ist ja nichts Fixes, das wird sich entwickeln. Sie entwickelt sich, indem man sich kennenlernt, indem die Menschen sich gegenseitig besuchen. Und dann kann man irgendwann Schwerpunkte setzen.

Schwester Deca Amaral ist Franziskanerin und engagiert sich im Bistum Óbidos für die Umwelt.

José Paulo Alves ist seit 16 Jahren Pfarrer im Bistum Óbidos und Leiter der Pastoral in der Region.

Antonino Costa Martins ist einer der wenigen Laien, der eine Universitätsbildung im philosophisch-theologischen Bereich hat. Martins arbeitet als Bischofssekretär und ist der zukünftige Partnerschaftsbeauftragte. 2012 plant er, für ein halbes Jahr nach Deutschland in die Diözese Würzburg zu kommen, um das Bistum und die Menschen noch besser kennenzulernen und Deutsch zu lernen.

(5111/1343; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet