Würzburg (POW) „Der Regionalexpress 10 nach Nürnberg Hauptbahnhof entfällt heute“: Lautsprecherdurchsagen, ratternde Koffer und Hundegebell zählen gewiss nicht zu den typischen Klängen eines Adventskonzerts. Zumal nicht, wenn ein Vocalensemble ohne instrumentale Unterstützung auftritt. Den Widrigkeiten der Umgebung zum Trotz haben die jungen Sängerinnen und Sänger von „Siamo“ am Nachmittag des dritten Adventssonntags, 17. Dezember, in der Wartehalle des Würzburger Hauptbahnhofs ein ebenso gefühlvolles wie beeindruckendes Konzert geboten. Gemeinsam mit der Bahnhofsmission Würzburg hatten sie zum Adventskonzert unter dem Motto „Was uns Hoffnung macht“ geladen.
Ergänzt wurde der musikalische Beitrag von kurzen Impulsgedanken aus dem Mitarbeiterkreis der Würzburger Bahnhofsmission. Als prominenter Redner und Ideengeber für das Projekt trat auch Bischof Dr. Franz Jung auf. Dem Anlass entsprechend hatte sich der regelmäßige ehrenamtliche Helfer der Einrichtung passend in der hellblauen Weste mit dem markanten Logo der Bahnhofsmission gekleidet.
„Der Dienst der Bahnhofsmission ist es, da zu sein und auf die Menschen zu warten, die uns brauchen“, eröffnete der Bischof seinen ersten Kurzimpuls. Damit schlug er die Brücke zum Lied „You’ve Got a Friend in Me“ („In mir hast du einen Freund“), das der Chor zuvor gesungen hatte. Auch die Bahnhofsmission versuche, zu helfen, wie es ein guter Freund tue, erklärte der Bischof. Hier würden Türen offen gehalten „für die, denen eine Tür im Leben zugefallen ist“.
Den Blick auf das nahende Weihnachtsfest richtete der Bischof in einem weiteren Gedanken, der auf „Viva la Vida“ von „Coldplay“ folgte. Der rätselhafte Text dieses zeitgenössischen Klassikers der Popmusik erzähle von einem König, dem die Herrschaft abhandengekommen ist. „Auch in der Bahnhofsmission begegnen wir vielen Menschen, deren Reiche aus unterschiedlichsten Gründen zusammengebrochen sind.“ Gerade für sie sei die Botschaft des Weihnachtsfestes ein Trost: „Schließlich feiern wir an Weihnachten auch einen König ohne Reich!“
Der Wechsel aus solchen kurzen, tiefgehenden Gedanken und einem abwechslungsreichen Musikprogramm kam beim Publikum sichtlich gut an. Mehrere dutzend Passanten blieben auf dem sonst eher hektischen Weg zwischen Vorplatz und Gleistunnel stehen, viele von ihnen sogar die gesamte Dauer des einstündigen Konzerts. Belohnt wurden sie mit einem vielfältigen Repertoire des Chores von modernen Pop-Hits bis hin zu klassischen Motetten.
Die Impulsgeber griffen die Motive der Musikstücke auf, um den Zuhörern ihre Gedanken aus der Arbeit mit den Gästen der Bahnhofsmission mit in die letzte Adventswoche zu geben. So trat Helmut Fries vom Förderverein der Einrichtung nach der Darbietung von „Maria durch ein Dornwald ging“ ans Mikrofon. „Ich kann die Welt nicht retten“, führte Fries seinen Gedanken ein und ließ damit die eben besungenen Dornen nochmals ins Gedächtnis kommen. Er könne aber helfen, die Dinge beim Namen zu nennen und anzunehmen. Wenn man sich auf diese Weise den Menschen zuwende und versuche, ihnen in ihrer Realität Zuversicht und Hilfe zu geben, würde man die Welt doch besser machen. „Dann ist auch die Bahnhofsmission manchmal ein Ort, an dem der Himmel die Erde berührt“, sagte Fries.
Über himmlische Momente sprach auch Claudia Gloger, die als „Mutmacher:in am Bahnhof“ im Rahmen eines bundesweiten Projekts ein niedrigschwelliges Kontaktangebot für Menschen in psychosozialen Notlagen unterbreitet. „Weihnachten hat für mich etwas damit zu tun, dass das Göttliche in der Welt sichtbar wird.“ Das sei auch in ihrer Arbeit oft der Fall. Zum Beispiel, wenn sie einen Klienten zum Optiker begleite und er mit einer neuen Sehhilfe endlich wieder voll an der Welt teilnehmen könne, oder auch wenn sie einem Menschen nach einer erschütternden Krebsdiagnose mit Nähe und Anteilnahme ein wenig von der Last nehme. „Ich will zutiefst Mensch sein, und in diesen zutiefst menschlichen Momenten bekomme ich einen Geschmack des Himmels“, sagte Gloger.
Trotz der schweren Themen war den Zuhörerinnen und Zuhörern anzusehen, dass sie den kurzen Vorträgen und der Musik viel abgewinnen konnten. Bei althergebrachten Adventsliedern wie „Es ist ein Ros‘ entsprungen“ wurde die sonst so geräuschintensive Bahnhofshalle dann schon beinahe still. Sichtlich Freude an der Musik von „Siamo“ hatte auch eine lateinamerikanische Besuchergruppe, die nicht ganz zufällig zum Hauptbahnhof gekommen war. Gemeinsam mit Bernardo Johannes Bahlmann, Bischof der Würzburger Partnerdiözese Óbidos, hatte eine kleine Delegation des Franziskanerordens aus Brasilien die Gelegenheit eines Zwischenstopps in Würzburg genutzt, um das Konzert am Bahnhof zu erleben.
Der Wirkung dieses besonderen Events konnten auch Sprachbarriere und ungewohnte Umgebung keinen Abbruch tun. Zu zeigen, „was uns Hoffnung macht“, waren „Siamo“ und die Impulsgeber der Würzburger Bahnhofsmission angetreten. Strahlende Gesichter und langer, begeisterter Applaus zum Abschluss machten deutlich, dass das Vorhaben gelungen war.
km (POW)
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