Würzburg (POW) Im Vorfeld der Seligsprechung des Märtyrerpriesters Georg Häfner (1900-1942) am 15. Mai in Würzburg ist das von Professor Dr. Klaus Wittstadt und Bischof Dr. Paul-Werner Scheele 1983 herausgegebene Buch „Georg Häfner – Priester und Opfer“ Ende Januar 2011 in einer ergänzten Neuauflage im Echter-Verlag Würzburg erschienen. In folgendem Interview spricht Bischof em. Scheele über die Neuauflage und über seine persönliche Beziehung zu dem künftigen Seligen.
POW: Das Buch „Georg Häfner – Priester und Opfer“ liegt jetzt in einer ergänzten Neuauflage vor. Was zeichnet dieses Buch aus?
Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele: Zunächst bezeugt es, wie die Diözese Würzburg bereits vor der Eröffnung des Seligsprechungsprozesses Pfarrer Häfner geehrt hat und was anlässlich der Übertragung seiner Urne in die Kilianskrypta am 9. Dezember 1982 geschehen ist. Sodann gibt die Neuauflage des Buchs die wichtigsten Texte wieder, die wir von Pfarrer Häfner besitzen. Sie geben uns die Möglichkeit, ihn selber, sozusagen im O-Ton, wahrzunehmen. Außerdem werden Kopien von mehreren Gestapoakten dokumentiert, die einen Einblick in die Methoden geben, denen Pfarrer Häfner wie viele seiner Mitbrüder ausgeliefert war.
POW: In dem Buch erläutern Sie die dokumentierten Briefe Pfarrer Häfners aus dem Gefängnis und dem Konzentrationslager Dachau. Sie bezeichnen die Schreiben als Pastoralbriefe. Was spricht für diese Bezeichnung?
Bischof em. Scheele: Pfarrer Häfner stellt seine Briefe aus der Haft ganz in den Dienst der Pastoral. Er weiß sich dabei allen Gliedern seiner Gemeinden verbunden und verpflichtet. Er will allen helfen durch seine Teilnahme an ihrem Geschick sowie durch konkrete Ratschläge und Wegweisungen. Für alle opfert er seine Leiden auf.
POW: Was sollte beim Lesen der Briefe beachtet werden? Wie sollten die Briefe angesichts der Briefzensur im Konzentrationslager Dachau gelesen werden?
Bischof em. Scheele: Die Möglichkeit, alle zwei Wochen einen Brief an die Angehörigen schreiben zu können, war durch eingrenzende Bestimmungen und durch die Kontrolle sehr eingeengt. Aus dem Lagerleben durfte nur Positives berichtet werden. Deshalb muss man „zwischen den Zeilen“ lesen können, wenn man die Briefe verstehen will. Wenn Häfner schreibt: „Macht euch keine Sorgen um mich, ich bin gesund und ein Zeichen dafür ist ein ausgezeichneter Appetit“, dann signalisiert er: „Wir müssen hungern!“
POW: Sie sprechen von „Klopfzeichen“ in den Briefen. Was verstehen Sie darunter?
Bischof em. Scheele: In den Gefängnissen und Zuchthäusern haben etliche Insassen es verstanden, durch Klopfzeichen Kontakt mit ihren Leidensgefährten aufzunehmen. Zu bestimmten Zeiten klopften sie an Rohrleitungen, die durch die Zellen gingen und verständigten sich auf diese Weise. Natürlich konnten sie sich dabei nicht alles mitteilen, was ihnen wichtig war. Außerdem konnte es auch zu Missverständnissen kommen. In ähnlicher Weise trat Häfner mit Hilfe seiner Briefe in Verbindung mit denen, die ihm nahestanden, auch wenn sie ihm nicht die Möglichkeit gaben, alles mitzuteilen, was ihn bewegte.
POW: Welche spirituellen Impulse gehen von den Briefen Pfarrer Häfners aus?
Bischof em. Scheele: Trotz der starken Einschränkungen hat Häfner in seinen Briefen wichtige menschliche und geistliche Hilfen vermittelt. Immer wieder ruft er zu Gebet und Opfer auf. Das ist umso glaubwürdiger, als er selber das Beten und Opfern verspricht und praktiziert. Besonders liegt Häfner das Segensgebet am Herzen. Was er in verschiedenen Phasen seiner Haft dazu schreibt, ist von bleibender Bedeutung. Häfner dankt besonders seinen Eltern für den von ihnen empfangenen Segen. Im letzten Brief vor seinem Tod erbittet er „ganz besonders“ den täglichen Segen; er fügt hinzu: Ich „bereue es, Euch nicht schon früher immer darum gebeten zu haben“.
POW: Welche Bedeutung haben diese Briefe beim Blick auf das gesamte Leben und Sterben des künftigen Seligen?
Bischof em. Scheele: Die Haftbriefe lassen erkennen, was das ganze Leben und Wirken Häfners geprägt hat. Zugleich zeichnen sich die Schwerpunkte seines priesterlichen Einsatzes ab. Im Zentrum standen die Feier der Heiligen Messe und das Bemühen um die bewusste Mitfeier aller Gemeindemitglieder. Das in der Eucharistie vollzogene Beten und Opfern bestimmten sein Denken und Leben. Häfner verstand seinen priesterlichen Dienst als Nachfolge Christi und damit als Kreuzweg. Der erste Satz, den er seinen Eltern aus dem Würzburger Gefängnis schreibt, kennzeichnet sein gesamtes priesterliches Wirken: „Es ist vom Herrgott bestimmt, dass ich den Kreuzweg weiter gehe.“
POW: Wie trägt Pfarrer Häfner das Kreuz des Martyriums?
Bischof em. Scheele: Pfarrer Häfner ist bereit, das ihm zugewiesene Kreuz auf sich zu nehmen. Er schreibt den Eltern: „Ich trage es, und ihr helft mir dabei durch Euer Gebet, durch Eure Geduld, durch Euer Gottvertrauen, durch Eure Ergebung in den Willen Gottes.“ Auf seinem Kreuzweg setzt er auf die Hilfe seiner Eltern und auch vieler anderer. Eine entscheidende Hilfe ist für ihn, dass er Sinn und Segen des Kreuzwegs im Glauben erkennt, und dass er davon überzeugt ist, durch das Tragen des Kreuzes andern helfen zu können.
POW: Was kann dieses Martyrium aus der NS-Zeit für das Leben der Menschen heute bedeuten?
Bischof em. Scheele: Mitten in den Nachstellungen der damaligen Machthaber hat Häfner gezeigt, dass die Liebe stärker ist als der Hass. Er bezeugt die Worte der Bibel: „Auch mächtige Wasser können die Liebe nicht löschen; auch Ströme schwemmen sie nicht weg“ (Hld 8,7). Uns allen gilt seine Mahnung aus dem Gefängnis: „Seid recht gut auch mit allen Leuten, ob Freud oder Feind.“ Am Ende seines Lebens vermag Häfner zu schreiben: „Für mich gibt es keine Feinde in der Gemeinde.“ Das bedeutet noch mehr als die Bereitschaft, die Feinde zu lieben. Er verurteilt niemanden als seinen Feind; er sieht auch in denen, die ihm übel mitgespielt hatten, seine Brüder und Schwestern.
POW: Sie haben sich über viele Jahre mit Pfarrer Häfner beschäftigt. Wie ist Ihre persönliche Beziehung zu dem künftigen Seligen in diesen Jahren gewachsen?
Bischof em. Scheele: Die stille, zurückhaltende Art Häfners bringt es mit sich, dass man ihn erst nach und nach richtig erkennt. Was mir aufgegangen ist, als ich erstmals auf seine Spur gestoßen bin, hat sich im Laufe der Zeit erweitert und vertieft. Andere Zeugnisse aus dem Konzentrationslager haben mich deutlicher erkennen lassen, was Häfner dort mitgemacht hat. Je mehr man ihm nahe kommt, umso klarer zeichnet sich seine entschiedene Solidarität mit den ihm anvertrauten Menschen ab. Die Seligsprechung lässt uns hoffen, dass Pfarrer Häfner auch jenseits der zeitlichen Grenzen in Solidarität zu uns steht.
POW: Was erhoffen Sie sich von der Feier der Seligsprechung des Märtyrerpriesters am 15. Mai 2011?
Bischof em. Scheele: Die Seligsprechung wirft Licht auf einen vorbildlichen Priester, der in aller Stille tapfer und treu gewirkt hat. Seine Verhaftung hat die Verbundenheit mit seiner Pfarrei nicht gemindert, sie hat sie vertieft und verstärkt. Zugleich fällt Licht auf das Priestertum, auf seine Gaben und Aufgaben. Ich wünsche mir zudem, dass auch das fruchtbar wird, was Georg Häfner von der Berufung aller Christen bezeugt. Es kann zur dringend nötigen Erneuerung der Kirche in unserer Zeit beitragen.
Paul-Werner Scheele, Klaus Wittstadt: Georg Häfner – Priester und Opfer. Briefe aus der Haft. Gestapodokumente. 2. ergänzte Auflage. 143 Seiten, 14,80 Euro, Echter, Würzburg 2011, ISBN 978-3-429-00838-0.
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