Der Kontrast könnte nicht größer sein: Sittenlosigkeit auf der einen und Flucht ins Eremitendasein auf der anderen Seite.
Der heilige Ordensvater Benedikt, Patron Europas, setzte dagegen: Nicht Flucht in die Einsamkeit sondern gemeinsamer Aufbau der „Neuen Stadt“ ist das rechte Gegenmittel. Dies erkannte der heilige Benedikt, nachdem er selbst drei Jahre in völliger Einsamkeit, in Gebet und Buße verbracht hatte.
Just in dem Augenblick, in dem die alte heidnische Universität Athens ihre Tore schloss, öffnete er im Jahre 539 im Ordo Sancti Benedicti ein neues Kulturzentrum. Hier entstand die heilige Regula des Benediktinerordens, die – wie Theodor Schnitzler schrieb –„ (die) neue Stadt Gottes, die von der Ordnung des geistlichen und geistigen Menschen durchwaltet ist“. (Die Heiligen im Jahr des Herrn. S. 235).
Seitdem baut sich um diese heilige Ordnung das neue Abendland und Europa heraus.
Benedikt stützte sich in dieser - Europa bis in unsere Zeit hinein bestimmenden – Ordensregel nicht nur auf eigene Erfahrungen und frühere Regeln in monastischen und patristischen Schriften, sondern vor allem auf die Heilige Schrift. Er wollte einen Weg „unter Führung des Evangeliums“ (Prolog 21) weisen. Indem er zunächst auf die Grundhaltung des „Horchens“ verwies, legte er ein spirituelles Fundament, das neben Regeln für das Klosterleben die Grundsatztugenden wie Liebe, Gehorsam, Schweigen und Demut entfaltet. Der Schlusssatz ist zugleich der Höhepunkt und die Zusammenfassung der ganzen Regel: „Christus überhaupt nichts vorziehen, der uns gemeinsam zum ewigen Leben führe.“
Sie, lieber Abt Michael, haben Ihren Wahlspruch aus dem 49. Kapitel der Regel Benedikts gewählt: „CUM GAUDIO SANCTI SPIRITUS – IN DER FREUDE DES HEILIGEN GEISTES.“ Wir hörten diesen Satz (1 Thess 1,6) eben in der Lesung aus dem Ersten Thessalonicherbrief.
Der heilige Paulus schreibt mit Silvanus und Timotheus voller Dank und Lob an die Gemeinde von Thessalonich, dass sie das Wort Gottes „trotz großer Bedrängnis mit der Freude aufgenommen (habe), die der Heilige Geist gibt“, so dass sie Vorbild für die damalige Kirche geworden sei.
Damals war die Zeit nicht viel besser als im 6. Jahrhundert, dem Jahrhundert des heiligen Benedikts oder heute. Angesichts der Sittenlosigkeit und Dekadenz unserer Zeit könnte man auch auf den Gedanken kommen, in die Wüste zu fliehen. Benedikt aber ruft uns zur gemeinsamen Gegenwehr. Der neue Abt Michael legt in seinem Wahlspruch den Akzent fest: IN DER FREUDE DES HEILIGEN GEISTES.
Hinter diesem einfachen Satz verbirgt sich ein ganzes Programm: Unser Bemühen, Christus mit ganzer Hingabe nachzufolgen, bedeutet nicht ein Aufgeben des eigenen Lebenswillen, wohl aber ein Eintauchen in die vom Heiligen Geist gewirkte Freude. Das bewahrt einen nicht vor Schwierigkeiten, Prüfungen, Bedrängnissen, aber es schenkt einem schon jetzt Anteil an der Freude, die uns im eschatologischen Ziel unserer irdischen Pilgerreise verheißen ist.
Unsere Kinder und Jugendlichen sind auf der Suche nach Lebenssinn, -erfüllung und Freude.
Hier in Münsterschwarzach wird seit langer Zeit eine hervorragende Jugendarbeit geleistet. Und auch unser neuer Abt hat sich hier als Erzieher – später Rektor – im Lehrlingsheim Sankt Plazidus, als Schulseelsorger am Egbertgymnasium und als Novizenmeister betätigt. Zu Recht verweist er in seinem Leitwort auf eine Freude, die bei uns zu oft von anderen vermisst wird. Vielleicht vermitteln wir, die wir versuchen einen geistlichen Weg zu gehen, zu wenig von der Freude der Berufung, zu wenig von der Freude des sakramentalen Geschehens und des gemeinsamen Weges mit dem lebendigen, auferstandenen und erhöhten Herrn.
Berufung zu einem geistlichen Leben ist auch gerade in unserer Zeit eine echte Alternative, die nicht nur den eigenen Lebensraum umspannt, sondern auch den unserer Mitmenschen.
Dazu gehört ein Glaube, der in der Liebe sichtbar wird. „Der Mensch empfängt die Liebe als Geschenk und antwortet darauf mit seiner Liebe“, lesen wir im katholischen Erwachsenenkatechismus. Es lohnt sich, dort einmal diesen Passus nachzulesen!
„Liebe ist nicht nur ein Wort, Liebe das sind Worte und Taten“, singen wir in einem neuen geistlichen Lied. Liebe will sicherlich immer das Wohl des anderen, aber im Sich-Verschenken finden wir zugleich immer auch die eigene Glück- und Sinnerfüllung. Das Maß dieser Liebe ist letztlich Jesus Christus selbst, der sich – geradezu unvorstellbar – in völliger Liebe bis hin zu seinem Kreuzestod an uns verschenkt hat.
Dies zu erkennen, zu bejahen und für sich selbst daraus die eigenen Konsequenzen zu ziehen, geschieht in der Freude des Heiligen Geistes. Wir brauchen den Durchblick und die damit verbundene Freude, um uns ganz für Christus entscheiden zu können.
Das Ziel ist das vollkommene Glück in Gott und - um im Bild zu bleiben - „die Himmlische Stadt Jerusalem“, von der es in der Offenbarung des Johannes heißt: „Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat. Da hörte ich eine laute Stimme vom Throne her rufen: Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen. Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein.“ (Apk 21,2f,)
Der heilige Mönchsvater Benedikt hat Maßstäbe gesetzt, die zeitlos gültig sind, weil sie aus dem Lebenswort der Heiligen Schrift und der lebendigen Gotteserfahrung geronnen sind. Sie gilt es, auch heute zu erkennen und zu beherzigen.
Ihnen, Alt-Abt Fidelis, möchte ich von Herzen für Ihr überwältigendes Zeugnis während der vielen Jahre Ihres Wirkens danken. Ihre Bescheidenheit, Demut und Einsatzbereitschaft haben leuchtende Strahlkraft. Aber auch der ganzen Mönchsgemeinde von Münsterschwarzach, die ein großer Segen für unser Bistum Würzburg ist, und allen die hier leben und mitarbeiten, danke ich von Herzen für ihren treuen Dienst.
Ihnen, lieber Abt Michael, wünsche ich, dass Sie als 75. Abt von Münsterschwarzach in der Freude des Heiligen Geistes und mit der gelebten Überzeugungskraft des Guten Hirten lange segensreich wirken können.
Amen.
(2606/0926)