Würzburg (POW) Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele hat ein neues Buch geschrieben. Es beschäftigt sich mit der Gottesmutter Maria. Im folgenden Interview erklärt er, warum er dieses Thema gewählt hat. Außerdem erläutert der Bischof, wie die Beschäftigung mit Maria auch das christlich-jüdische Verhältnis vertiefen kann.
POW: Herr Bischof Scheele, Sie legen eine persönlich geprägte Marienkunde vor. Sie schreiben, es gehe um ein „vielstimmiges gemeinsames Zeugnis von der Mutter des Herrn, der Mutter aller Menschen“. Was genau meinen Sie damit?
Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele: Alle Christgläubigen sind berufen und verpflichtet, ihren Glauben zu bezeugen. Das ist umso wirksamer, je mehr das gemeinsam geschieht. Das gilt auch im Hinblick auf die Mutter des Herrn, die unser aller Mutter ist. Deshalb sind die Stimmen der Volksfrömmigkeit, der Liturgie und der Theologie gefordert, aber auch das Zeugnis der gesamten Christenheit. In der weltweiten Ökumene gibt es diesbezüglich mehr Verbindendes als es gemeinsam bewusst ist. Ich habe mich bemüht, das herauszustellen und zu unterstützen.
POW: Ein Kapitel in Ihrem neuen Werk trägt die Überschrift „Maria im Gottesvolk des Alten Bundes“. Welche grundlegenden Erkenntnisse halten Sie darin für den Leser bereit?
Bischof Scheele: Lange hat man nicht gesehen, wie sehr die Mutter des Herrn in der Gemeinschaft und in der Geschichte des ersten Gottesvolkes verwurzelt ist. Damit ist sie nicht hinreichend in den Blick gekommen. Zusammen mit ihren Volksgenossen lebt Maria in der Glaubensgemeinschaft Israels, im Bund und im Königsbereich Gottes und insbesondere im Kreis der Armen und Leidenden. Das hat ihr Denken und Leben geprägt. Zugleich wirft es Licht auf das, was aller Welt durch das Volk des ersten Bundes geschenkt ist. Die Besinnung darauf kann das Verhältnis von Christen und Juden vertiefen und verstärken.
POW: Warum sind Ihrer Meinung nach theologische Bücher über die Gottesmutter in jüngster Zeit aus der Mode gekommen?
Bischof Scheele: Seit längerem hat sich die Theologie besonders den Fragen nach dem Menschen, nach den Aufgaben der Kirche und nach der Herausforderung der Ökumene zugewandt. Man hat nicht hinreichend erkannt, dass genau auf diese Fragestellung von der Mutter des Herrn erhellendes Licht fällt. Sie kann helfen, das Wesen des Menschen und die Sendung der Kirche vertieft zu erkennen und so der christlichen Einheit zu dienen.
POW: Vielen Zeitgenossen gilt jegliche Form der Marienverehrung als zu süßlich. Manche kritisieren auch, dass damit von Christus als zentraler Figur des Heilsgeschehens abgelenkt wird. Was halten Sie dem entgegen?
Bischof Scheele: Jede Marienverehrung hängt von dem ab, der sie praktiziert. Das kann zu Formen führen, die nicht jedem gefallen. Nicht zuletzt kann sich dabei die Eigenart verschiedener Völker auswirken. Statt andere Praktiken zu kritisieren, sollte man sich zunächst fragen, ob sie nicht helfen können, die eigenen Grenzen zu überschreiten. Dem Leben und Lehren Jesu Christi kann niemand gerecht werden. Umso wichtiger ist es, die Hilfen wahrzunehmen, die seine Mutter uns schenken kann. Sie ist ihm am engsten von allen Menschen verbunden, sie ist am meisten in sein Erlösungswerk einbezogen. Je besser man sie erkennt, umso mehr erweist sich, dass sie nicht von ihrem Sohn ablenkt, sondern zu ihm hinführt.
Paul-Werner Scheele: „Unsere Mutter. Eine kleine Marienkunde“. 296 Seiten, 29 Euro. Echter-Verlag, Würzburg 2015, ISBN 978-3-429-039073.
Interview: Markus Hauck (POW)
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