Liebe Verantwortliche in Erziehung und Schule,
liebe Schwestern und Brüder Christi,
„Ist das Kunst oder kann das weg?” Diese Redewendung ist seit einigen Jahren zum geflügelten Wort geworden. Das Zitat bezieht sich ursprünglich darauf, dass moderne Kunstwerke – mangels Erkennbarkeit – nicht immer eine entsprechende Wertschätzung erfahren, wenn moderne Kunst sozusagen auf Wirklichkeit trifft. „Ist das Kunst oder kann das weg?” ist auch deswegen zum geflügelten Wort geworden, weil moderne Kunstgegenstände bei Ausstellungen tatsächlich schon versehentlich zweckentfremdet oder gar irrtümlich von Reinigungskräften entsorgt wurden.
Wenn uralter Glaube auf moderne Lebenswirklichkeit trifft stellt sich mitunter auch die Frage: „Ist das Religion oder kann das weg?” Ebenso wie moderner Kunst in Museen wird auch dem christlichen Glauben nicht selten noch ein geschütztes Reservat zugestanden, zum Beispiel in der Schule. Aber die Relevanz und der Wert des Glaubens erschließt sich vielen nicht mehr.
Das Evangelium der Weisen aus dem Morgenland weist uns hier in eine andere Richtung. Im Text wird ja weder Folkore noch Volksfrömmigkeit initiiert, sondern eine Botschaft vermittelt, die unmittelbar mit dem christlichen Glauben verbunden ist. Nicht umsonst ist dem Matthäus-Evangelium dieser Abschnitt vorangestellt. In mehreren Schritten wird darauf verwiesen, was wesentlich für unseren Glauben, für sein Bekenntnis und damit auch für seine Vermittlung ist.
Zunächst beginnt der Text mit einem geschichtlichen Bezug: „zur Zeit des Königs Herodes”. Ohne die Umstände jetzt historisch-kritisch zu erörtern ist das ein nicht zu unterschätzender Hinweis, dass sich christlicher Glaube und wie wir ihn leben und vermitteln keine Idee oder Theoriekonstrukt ist. Er hat einen Sitz im Leben und in der Geschichte. Das gilt nicht nur für den im Evangelium bezeugten Ursprung, das gilt auch für den Gang durch die Jahrhunderte. Wenn wir heute hier im Dom zur Eucharistiefeier in der Kiliani-Woche zusammenkommen wird das unmittelbar greifbar.
Im nächsten Schritt wird vom einem Stern als entscheidendem Impuls berichtet, der die Sterndeuter hat aufbrechen lassen. Wir können darin einen Hinweis sehen, dass sich niemand ohne Beweggrund auf den Weg des Glaubens macht. Und dass Gott es nicht an wegweisenden Zeichen fehlen lässt. Der kulturelle Hintergrund und die Kompetenz der Weisen werden im Evangelium nicht eigens erwähnt, aber der Text wäre schlicht unverständlich, würden wir ihre entsprechende Sensibilität und ihre waches Auge für die augenblickliche Situation nicht berücksichtigen. Darin ist auch für uns eine wichtige Botschaft enthalten: Gott und seine Wegweisung im Glauben vollzieht sich nicht an uns und unserer aktuellen Welt- und Lebenssituation vorbei.
Der nächste Schritt ist so versteckt, dass er leicht übersehen werden kann. Die Sterndeuter gibt es im ganzen Text nur im Plural. Als Gemeinschaft haben sie sich auf den Weg gemacht. Erst im Verlauf der Überlieferungsgeschichte sind ihre Namen und ihre Anzahl später über den biblischen Text hinaus so konkretisiert worden, wie wir sie heute mit der Dreizahl von Kaspar, Melchior und Balthasar gleichsetzen. Aber die bleibend wichtige Botschaft für uns liegt darin, dass wir nur in Gemeinschaft zum Glauben finden. Kein Christ ist Solist.
Der vorletzte Schritt indes ist deutlicher im Text ausgeführt durch die Gestalt des Königs Herodes. Er setzt den Weisen und ihrem Weg seinen verdeckten Widerstand entgegen. Mit List bekämpft er, was er fürchtet: den Verlust seiner Macht. Die Botschaft lautet: wenn Glaube öffentlich wird, wenn wir ihn nicht als Privatsache ansehen, sondern vielmehr in die erzieherischen Vermittlung und Bildungsprozesse einbringen, ruft das Widerstände auf den Plan.
Und dann ein letzter Schritt, der uns im Evangelium geschildert wird: die Weisen erreichen ihr Ziel in einer menschlichen Begegnung, die Göttliches offenbart. Sie finden, was sie suchten. Indem sie Jesus das bringen, was sie an Kostbarem mit sich führten, kommen sie nicht nur an ihren Bestimmungsort, sondern in eine lebendige Beziehung. Auch hier schwingt die Botschaft mit, dass wir auf Begegnung hin geschaffen sind. Christlicher Glaube vollzieht sich nicht in der Anonymität, sondern auf ein göttliches Du hin. Wir sind angesprochen, eingeladen, aufgefordert in Begegnungen, die uns erfüllen, dem Geheimnis Gottes auf die Spur zu kommen:
„Ist das Religion oder kann das weg?” Überall dort, wo unser Glauben in seinem geschichtlichem Bezug und mit seinen lebenpraktischen Impulsen als gemeinschaftliche Suche erfahrbar wird, die uns in erfüllender Begegnung mit Gott und untereinader führt.
Wo immer Sie in Erziehung, Unterricht oder Bildung Ihren Bestimmungsort haben; mit welchen Widerständen Sie sich auch immer auseinandersetzen müssen, wenn Sie in institutionellem Rahmen oder nach entsprechenden Maßgaben unterwegs sind; was immer Sie an Persönlichkeit und Kompetenz in die Waagschale werfen, hören Sie nicht auf, nach dem zu suchen, und von dem mitzuteilen, was ihr Leben erfüllt. Das „kann nicht weg”! Amen.