Liebe Schwestern und Brüder,
wie hätte Gott seine Liebe zu uns noch deutlicher machen können, als mit dem Weg, den er vom heutigen Gründonnerstagabend bis zum Karfreitagmittag gegangen ist? In Freiheit und wohl wissend, was auf ihn zukommt, geht Jesus „bis zum Äußersten seiner göttlichen und menschlichen Möglichkeit. In der tiefsten Erniedrigung Jesu wird seine göttliche Größe offenbar. Die Fußwaschung ist, wie das Abendmahl, Vorausnahme und Darstellung dessen, was am Kreuz geschah: dienende Liebe. Hingabe bis in den Tod. Die Liebe ist das Lebensgesetz Christi und seiner Kirche.“ (So heißt es in der Einführung zum heutigen Evangelium im Schott-Messbuch, B, 162)
Gründonnerstag, Karfreitag aber auch Ostern gehören im eigentlichen Liebesgeschehen Gottes an uns untrennbar zusammen. Sie dürfen nicht einzeln isoliert betrachtet werden, sondern entfalten erst in ihrer Bezogenheit aufeinander die ganze Größe und Tiefe dieses göttlichen Tuns. Dem will ja auch die Liturgie dieser heiligen Tage Rechnung tragen, indem sie ineinander verzahnt eine Einheit bildet und uns zur Mitfeier dieser drei heiligen Tage einlädt.
Wie oft mögen wir mit Christus in der Ölbergnacht ausrufen: „Vater, wenn es möglich ist, lasse diesen Kelch an mir vorübergehen!“ Wie oft bitten wir Gott, unsere eigenen Wünsche zu erfüllen. Das ist zwar verständlich, aber unter Umständen zu kurz gegriffen. Gott sieht den ganzen Weg vom Abendmahlssaal über den Ölberggarten, Verrat, Verurteilung und Geißelung bis hin zum Kreuzestod, der sich in die Auferstehung des Ostersonntagmorgens hinein vollendet.
Johannes hat uns eben im Evangelium zugerufen: „Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung.“ (Joh 13,1) Dann schilderte er die Fußwaschung als sichtbaren Liebesdienst. An kaum einer anderen Stelle im Evangelium fordert Jesus seine Jünger so eindringlich auf, es ihm gleichzutun.
In einzelnen Steigerungen führt er sie in das tiefe Geheimnis der Selbsthingabe an den Nächsten ein. – Natürlich dürfen und sollen wir dabei auch an seine Lebenshingabe für uns am Kreuz denken.
Zuerst fragt er: „Begreift ihr, was ich an euch getan habe?“ Dann verweist er darauf: „Wenn nun ich, der Herr und Meister auch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen.“ Er bekräftigt dies noch einmal ausdrücklich: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe“ Aber auch das erfährt noch einmal eine Steigerung: „Amen, amen ich sage euch: der Sklave ist nicht größer als sein Herr und der Abgesandte ist nicht größer als der, der ihn gesandt hat.“ (16) Und schließlich krönt er diesen Liebesdienst am Nächsten mit den Worten: „Selig seid ihr, wenn ihr das wisst und danach handelt.“ (17)
Liebe Schwestern und Brüder,
eine eindringlichere Aufforderung, einander beizustehen, kann ich mir nicht denken. Hier setzt auch die Berufung durch Christus an. Wir alle sind berufen, Jesu Liebe anzunehmen und durch unser Leben weiterzugeben. Es gibt viele Wege zum Heil. Aber es gibt auch die Berufung zur Nachfolge Jesu in der Ganzhingabe des Lebens unter Wahrung der göttlichen Tugenden von Armut, Keuschheit und Gehorsam. Am heutigen Gebetstag um geistliche Berufungen möchte ich noch einmal ausdrücklich daran erinnern. Auch in unserer Zeit brauchen wir Frauen und Männer, die in ihrem Ja zu Gott, bereit sind, ihr ganzes Leben in der persönlichen Nachfolge Jesu auszurichten. Dies geschieht nicht für uns selbst sondern im Blick auf den Nächsten.
Unsere Liebe zu Gott bedarf unserer ganzen Aufmerksamkeit und Kraft, den Nächsten mit seinen Nöten wahrzunehmen und ihm beizustehen. Es geht nicht darum, einige Almosen zu spenden. Es geht vielmehr darum, unseren Dank an Gott ganz im Dienst am Nächsten zu leben. Diese christliche Grundhaltung ist auch das Kerngeheimnis der Gegenwart Christi unter den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein: Was im Abendmahlssaal begonnen, geschieht in jeder heiligen Messe neu. Jesu Liebe zu uns vergegenwärtigt er bis in die heilige Kommunion, in der er sich wahrhaftig, wesentlich und ganz an jeden einzelnen von uns verschenkt. Aber genau hier verbindet sich der Empfang des Leibes und Blutes Christi mit der Verpflichtung an uns, dem Nächsten sinnbildlich die Füße zu waschen.
Mehr ist das, was ich jetzt tun werde, auch nicht. Die Lebenshingabe Jesu für uns bleibt eine beständige Herausforderung an uns, Mut zu haben, es ihm gleich zu tun.
In diesem Sinne mahnt uns auch der heilige Augustinus: „Empfangt, was ihr seid: Leib Christi. Werdet, was ihr seid: Leib Christi.“
Amen.