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Jesus ist mit seiner Kirche auf dem Weg

Predigt von Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand bei der Profanierung der Kirche im Missionshaus Sankt Kilian in Lebenhan am 23. November 2008

Fast 90 Jahre nach ihrem Einzug verlassen die Missionare von der Heiligen Familie ihr Kloster in Lebenhan. Auch wenn einige Mitglieder der Ordensgemeinschaft noch weiter im Dekanat tätig sein werden, so wird dieser Abzug doch von vielen Menschen mit Wehmut gesehen; denn die Patres haben das kirchliche Leben im Ort und in der Region ganz wesentlich mitgeprägt. Der einschneidenste Vorgang dabei ist von der Wahrnehmung her sicher die Profanierung der Klosterkirche, in der jetzt zum letzten Mal Eucharistie gefeiert wird und die dann kein liturgischer Raum mehr sein wird. Es wäre aber problematisch, wenn es beim bloßen Bedauern bleibt; von diesem Gottesdienst geht vielmehr eine Botschaft aus, die uns wichtige Glaubensimpulse vermitteln kann.

1. Schauen wir als erstes auf die Botschaft, die im Programm der Ordensgemeinschaft enthalten ist. Die Kongregation der Missionare von der Heiligen Familie wurde 1895 in Holland gegründet; die deutsche Provinz besteht seit 1919 also seit dem Jahr, in dem auch Mitglieder der Kongregation hierher nach Lebenhan kamen. Nomen est omen, im Namen ist schon das Programm enthalten: Die Gemeinschaft wollte und will missionarische Weite mit der konkreten Sorge um die Familien verbinden. Beide Aspekte treffen sich in der Überzeugung, dass die christliche Familie keine selbstgenügsame Lebensform darstellt, sondern als elementare Gemeinschaft im Glauben in die Kirche und in die Gesellschaft hinein wirken soll. Dieser Gründungsgedanke, der auch in verschiedenen Äußerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils auftaucht (GS 48, LG 35, AG 15) ist heute aktueller denn je. Denn in einer Zeit, in der es gesellschaftliche Tendenzen gibt, in denen die Familie relativiert oder gar als Auslaufmodell gesehen wird, ist es wichtig, diesen Zusammenhang zu sehen und ihn offensiv zu vertreten: Gerade in allen Spannungen, Krisen und Konflikten sollen und können unsere Familien ein Lernort des Glaubens sein, weil die Verantwortung füreinander, die hier erlernt und entwickelt wird, letztlich in der Zuwendung Gottes begründet ist. So ist mein erster Wunsch für die Menschen hier, dass sie sich nicht nur dankbar an diese Ordensgemeinschaft erinnern, sondern darüber hinaus ihre Sendung für mich verinnerlichen und darauf achten, dass Familiensinn und missionarische Weltverantwortung miteinander verbunden bleiben.

2. Sehen wir als Zweites auf die liturgische Prägung dieses Tages. Wir feiern unseren Abschiedsgottesdienst am letzten Sonntag des Kirchenjahres, dem Christkönigsfest.

Es erinnert uns zum einen daran, dass wir unser Leben von Jesus Christus und seiner Frohen Botschaft bestimmen lassen – sein Reich bricht überall dort an, wo sich Menschen von Gottes Liebe ergreifen lassen und als Folge daran für Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Frieden eintreten, wie es in der Festtagspräfation heißt. Zum anderen aber hat diese Orientierung an Jesus als dem Sohn Gottes Konsequenzen für den Umgang mit den Menschen. Wenn sich Jesus in seinem Gleichnis für das große Weltgesicht so mit den Bedürftigen, Gefangenen und Obdachlosen identifiziert, dass jede Zuwendung zu ihnen zu einer Begegnung mit ihm wird, darum bedeutet dies doch für uns: Jeder Mensch hat seine Würde, jeder ist so wertvoll, dass in der Begegnung mit ihm etwas von Gott zu finden ist. Ein solches Menschenbild, das den anderen nicht verzweckt und den eigenen Bedürfnissen unterordnet, gehört zur Grundbotschaft unseres Glaubens. Umso schlimmer ist es, deshalb wenn diese Menschenwürde von Christen verletzt wird – dies steht im schreinenden Widerspruch zur Botschaft Jesu. Deshalb sind die jetzt bekanntgewordenen Vorfälle aus den siebziger Jahren, als Schüler des damaligen Internats sexuell missbraucht wurden, nicht nur in sich bedauerlich und beschämend, sondern wirken gerade deshalb bedrückend, weil doch Erziehung im Glauben die menschliche Entwicklung fördern und nicht schädigen soll. Die notwendige Betroffenheit über dieses schlimme Geschehen sollte aber nicht zu selbstgerechtem Richten führen, sondern – ganz im Sinn der Botschaft des heutigen Festes - das Bemühen bestärken, einander aufzurichten. Auch diese Aufgabe bleibt über den heutigen Tag hinaus bestehen.

3. Ein dritter Blick ist schließlich auf das besondere Geschehen des heutigen Datums gerichtet. Was bedeutet die Profanierung einer Kirche? Dass dieses Gebäude nun der kirchlichen Nutzung entzogen wird, erfüllt sicher zahlreiche Menschen mit Schmerz, die hier durch die Teilnahme am Gottesdienst oder auch im stillen Gebet Kraft und Halt für ihr Leben gefunden haben. Die Profanierung einer Kirche heißt jedoch nicht, dass den Glauben hier am Ort die Beheimatung genommen wird und bedeutet schon gar nicht, dass Gott auf dem Rückzug ist. Zum einen bleibt die Kuratiekirche als Versammlungsort, zum anderen wäre es falsch, das Ende dieses Ordenshauses nur unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls einer geordneten religiösen Versorgung zu sehen. Gefordert ist vielmehr von uns allen die verstärkte Sorge darum, wie der Glaube angesichts neuer Herausforderungen vor Ort gelebt und an die nächste Generation weitergegeben werden kann. Danken hat mit Denken zu tun – gerade weil wir dieser Kongregation dankbar sind, sollte ihr Wegzug aus Lebenhan uns alle zum Nach-denken darüber führen, wo wir im Glauben einzeln und miteinander gefordert sind. Kirchengebäude aus Stein könne immer nur die äußere Form des Glaubens darstellen, die durch unser Leben stets neu mit Inhalt erfüllt werden muss. Wenn am Ende dieser Eucharistiefeier das Allerheiligste aus der Kirche gebracht wird, dann ist dieser Vorgang nicht einfach Zeichen für den Abbruch einer wichtigen Phase in ihrer Ortsgeschichte. Sie können diese Handlung im Gegenteil auch als Signal des Aufbruchs verstehen, als Ausdruck der Gewissheit, dass Jesus mit seiner ganzen Kirche und mit jedem Einzelnen von uns auf dem Weg ist und uns seine liebende Nähe niemals entzieht. Bitten wir darum, dass diese Überzeugung immer wieder neu zum Glaubenszeugnis wird, das die Menschen ermutigt.

Amen.