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„Jesus macht Weltrevolution des Friedens“

Predigt von Weihbischof Helmut Bauer anlässlich des 50. Jubiläums des Heimatkreises Trautenau am 16. Juli 2006 in der Franziskanerkirche Würzburg

Liebe Trautenauer! Liebe mitfeiernde Schwestern und Brüder!

In diesen Tagen gehen Ihre Gedanken zurück in Ihre einstige Heimat. Wohl sind es schon 60 Jahre her, dass Sie, Ihre Eltern und Großeltern vertrieben wurden, aber gerade weil Sie als Kinder und Jugendliche zumeist diese Vertreibung erleben mussten, konnten Sie die Geschehnisse nicht so recht rational begreifen. Sie kannten als Kinder nicht die schreckliche Logik von Gewalt und Gegengewalt. Die Spirale des Unrechts war für die Kinder nicht erfassbar. Sie erlitten Unrecht, mussten Ihr Liebgewordenes verlassen und in eine unbekannte Gegend fliehen, zu fremden Menschen, in fremde Landschaften. Kinder erleben solche Ereignisse mehr mit der Seele, im Unbewussten. Um so tiefer kann das die ganze Weltsicht des kommenden Erwachsenen prägen. Aber ich denke: Kinder können sich auch oft schneller und leichter an die neue Situation anpassen. Erinnerungen sind nicht so dominierend, weil Kinder mehr in der Zukunft und Gegenwart leben. Gerade deshalb sind solche Erinnerungstage wichtig, auch für Nichtbetroffene. Denn Sie, liebe Trautenauer, halten für uns, für unsere Gesellschaft, für uns in der Kirche wach und in bleibender Erinnerung, was nicht vergessen werden darf. So möchte ich Sie mit dem Text der ersten Lesung dieses 15. Sonntags in Verbindung bringen. Amos, der Viehzüchter, weist zurück, dass er von Berufs wegen Prophet ist, der für Geld und soziales Ansehen diesen Prophetendienst ausübt. Er weiß sich als Viehzüchter vom Herrn dazu berufen, die wirklichen Zusammenhänge der Geschehnisse zu deuten und Wege der Rettung aufzuzeigen. Nicht von Amts wegen sagt er, wie es um die Welt steht, was alles in Gegenwart und Geschichte als Fluch und Segen, als Unheil und Heil sich auswirkt. Er sagt: „Der Herr hat mich von meiner Herde weggeholt und zu mir gesagt: Geh und rede als Prophet zu meinem Volk.“ Ja, unsere Vertriebenen zeigten durch ihr Schicksal mehr, als es Prediger je schildern und aufzeigen können, welche Unheilsmächte in dieser Welt noch wirken, Gewicht haben und noch wirken können. Die Vertriebenen zeigen noch auf, wie viel Unrecht, Leid und Not über die Menschen gekommen ist, kommen kann. Es war der Zweite Weltkrieg und seine Folgen eine einzigartige Demonstration teuflischer, gottloser Grundmächte des Daseins. Aber wir dürfen auch feststellen, dass Gott der Herr der Geschichte bleibt. So können gerade die noch lebenden Vertriebenen den prophetischen Dienst der Kirche verstärken. Der Dienst eines wahren Propheten besteht ja darin, zu zeigen, was und wer im Hintergrund des Weltgeschehens in Wahrheit die Akteure sind. Sie, die Vertriebenen, sind mit Ihrem Schicksal lebendige Zeugen eines unheilvollen Geschehens, weil Sie das nicht aus Büchern oder Vorträgen wissen, sondern aus eigenem Erleben. Sie müssen, solange Sie können, in rechter Weise Erinnerungen wach halten in Sorge und Verantwortung für die junge Generation.

Die zweite Lesung des heutigen 15. Sonntages im Jahreskreis greift weit aus. Paulus beginnt damit, dass er bis an die Erschaffung der Welt durch die Liebe Gottes zurück verweist und im Heilshandeln Jesu die ganze Liebe Gottes zur Welt aufzeigt: „Durch sein Blut haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade“. Nichts geschieht also in der Welt, ohne dass Gott trotz allem seinen Heilsplan durchsetzt. Manchmal fragen wir mit einem gewissen Recht: Wo war denn damals Gott? Damals in Auschwitz, Stalingrad, im Sudetenland, in der Zeit der Vertreibung? Auch Jesus fragt nach Gott am Kreuz. Aber gerade wir, die wir auf Auferstehung, Ostern, auf das Hineinwachsen in neue Heimaträume schauen können, müssen bei aller Wehmut im Erinnern doch das Wirken Gottes loben und ihm danken. „Gott lässt seiner nicht spotten“, sagt der hl. Paulus, er erweist sich als rettender Gott. Daher gebührt Gott auch unser Dank, dass er vielen, den meisten Vertriebenen in der neuen Heimat seine stets bleibende Liebe gezeigt hat. „Zum Lobe seiner Herrlichkeit“ – zweimal sagt es der Apostel, sind wir hier zusammengekommen. Gerade Sie, die Sie alles so persönlich und hautnah erlebt haben, werden sicher auch Grund haben, dankbar zu sein, weil sich vieles so gut gefügt hat. Deswegen brauchen wir uns unserer Wehmut und Trauer nicht zu schämen, aber wie immer bei einem herben Verlust sagen auch viele von Ihnen: „Wir danken dir, Gott, dass du uns eine neue Heimat gegeben hast, ja, dafür, dass wir immer bei dir beheimatet sind, wo immer wir auch leben“.

Vom heutigen Evangelium her scheint zunächst keine Verbindungslinie zu unserem besonderen Gottesdienst erkennbar zu sein. Es geht ja darum. Jesus braucht für die Verbreitung und Verkündigung der rettenden Botschaft des Evangeliums Helfer. Er befähigt und beruft seine Jünger, seine Multiplikatoren zu sein, seinen Auftrag mitzutragen, ihm in seinem Erlösungswerk beizustehen. Er steht voll hinter ihnen und gibt ihnen einige wichtige Anweisungen, die genau für jene Zeit konkret waren. Sie, die Missionare der ersten Stunden, gingen also nicht an die Arbeit auf eigene Faust, sondern beachteten die Anweisungen ihres Meisters. Natürlich können wir heute diese Anweisungen nicht 1 : 1 übernehmen und umsetzen, weil sie eben für eine ganz besondere Zeit und Lebensmilieu gegeben wurden. Aber bleibend bleibt: Jesus beruft für seine Arbeit nicht die Profis von damals, die Schriftgelehrten und Hohenpriester, sondern die einfachen Männer vom See Genezareth und anderswo her. Das heißt: Jesus macht Weltrevolution des Friedens, der Güte, der Liebe mit den kleinen Leuten, die eben auch gar nichts mitbringen brauchen – also kein Geld, kein zweites Hemd; die nur mitbringen brauchen: die Treue und Liebe zu Jesus und die Bereitschaft, seiner Sache zu dienen.

Ich denke, Sie können nun aus dem Evangelium Ihre Folgerungen ziehen. Nichts brauchen Sie an äußeren Mitteln zunächst, um für den Herrn und sein Reich Zeugnis zu geben, sondern einzig die Treue zur Sendung. Und in der Kirche ist jeder wichtig. Nicht eine reiche, gut organisierte, hoch intelligente Kirche ist nötig, sondern die Liebe und Treue des kleinen Mannes, der kleinen Frau. Aber was hat das mit unserem Gottesdienst, mit diesem Anlass zu tun?

Die Schlussworte des Evangeliums zeigen, was durch unsere Treue zu Jesus bewirkt wird:

Die Menschen kommen zur Umkehr.

Die Dämonen werden ausgetrieben.

Die Kranken werden geheilt.

Ist Umkehr nicht mehr nötig? Nach Ihren Erfahrungen – o doch!

Sind keine Dämonen mehr in der Welt? Wer steht denn hinter den schrecklichen Ereignissen im Leben, im kleinen und großen Lebensbereich? Dämonisches? Nach Ihren Erfahrungen und Erlebnissen müssen wir immer noch dem Dämonischen Einhalt gebieten.

Und Kranke? Ist nicht unsere Gesellschaft in mancher Hinsicht krank? Nach Ihren Erfahrungen – sicher, ganz bestimmt.

Liebe Trautenauer! Lasst Euch also wieder durch diese Tage der Erinnerung, der Gemeinschaft aussenden als Helfer Christi. Das sind Sie Ihrem Schicksal und Ihren Eltern schuldig. Amen.

(3606/1214)