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Jugendarbeit in einer Bretterbude

Erna Kirchhof ist eine der ersten Seelsorgehelferinnen des Bistums – Kommunionjahrgänge mit über 100 Kindern waren keine Seltenheit – Erste Berufsjahre in Aschaffenburg – Fast 25 Jahre im Dienst der Dompfarrei

 

 

Würzburg/Aschaffenburg (POW) Als Erna Kirchhof 1953 als Seelsorgehelferin in Aschaffenburg-Schweinheim den Dienst antrat, war sie eine der ersten Frauen, die im Bistum Würzburg diese Aufgabe innehatten. „Bischof Dr. Julius Döpfner hat zu uns gesagt: Geht in Schwesterntracht in die Gemeinden, dann nehmen euch die Leute eher an“, erzählt die vitale 90-Jährige, die 15 Jahre jünger wirkt. Dass heute Frauen wie Männer als Gemeindereferenten, wie der Beruf heute heißt, nicht mehr wegzudenken sind, ist auch Kirchhofs Verdienst. Von 1961 bis zu ihrer Versetzung in den Ruhestand im Jahr 1985 wirkte sie in der Würzburger Dompfarrei. Bischof Dr. Friedhelm Hofmann zeichnete sie 2005 für ihre besonderen Verdienste mit dem päpstlichen Orden „Pro Ecclesia et Pontifice – Für Kirche und Papst“ aus.

Schon in ihrem böhmischen Heimatdorf Hermannsthal war Kirchhof klar, dass sie ihr Leben später einmal in den Dienst der Kirche stellen wollte. „Nur wie genau, das wusste ich damals noch nicht.“ Deswegen erlernte sie nach der Schule den Beruf der Schneiderin, ehe sie zunächst zum Pflichtjahr und dann als Helferin auf einen Bauernhof eingezogen wurde. Nach der Vertreibung gelangte Kirchhof mit ihren Eltern über Zittau und Gera nach Saalfeld in Thüringen. „Dort traf ich auf die Seelsorgehelferin Cläre Barwitzky und gute Priester. Und schnell war mir klar: Ich will auch Seelsorgehelferin werden.“

Also ging sie auf Vermittlung von Monsignore Robert Kümmert, der als Leiter des Diözesan-Caritasverbands damals für die Seelsorgehelferinnen verantwortlich war, 1949 nach Freiburg im Breisgau, um sich dort ausbilden zu lassen. „Ich musste damals heimlich bei Probstzella über die innerdeutsche Grenze gehen, um überhaupt dorthin zu gelangen.“ Ihren Lebensunterhalt bestritt Kirchhof in Freiburg mit Näharbeiten – „so wie es der Apostel Paulus als Zeltmacher bei seinen Missionsreisen getan hat“. Ihre Eltern waren inzwischen nach Karlsruhe gezogen, konnten aber aufgrund der schwierigen Nachkriegsbedingungen nur wenig Geld beisteuern. Bedingt durch eine schwere Lungentuberkulose musste Kirchhof ihr Studium für 14 Monate unterbrechen. 1951 konnte sie die Ausbildung fortsetzen. Gleich nach dem Abschluss im Jahr 1953 trat sie in der Pfarrei Mariä Geburt im Aschaffenburger Stadtteil Schweinheim ihre erste Stelle an. Der damalige Pfarrer, kurz zuvor aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, habe der neuen Berufsgruppe nicht wirklich getraut und sich bei seinem Kollegen in Damm erkundigt, was es damit auf sich habe. „Die kannste genemm, ich hab‘ ach enne und bin sehr zufrieden mit dem, was sie macht“, habe dessen Urteil gelautet. Kirchhof erinnert sich gerne an ihre ersten Jahre am Untermain. „Es gab viele Kinder, eine umfangreiche Jugendarbeit und tüchtige, junge Kapläne.“

Ihrer zweiten Wirkungsstätte, der Würzburger Dompfarrei, ist sie bis heute treu geblieben. Als sie dort 1961 antrat, waren die Spuren des Kriegs an vielen Stellen noch deutlich zu sehen. Für die Jugendarbeit nutzte sie eine Bretterbude, die auf der Ruine eines Gebäudes errichtet und nur über eine Leiter zugänglich war. „Das war an der Stelle, an der heute die Liborius-Wagner-Bücherei zu finden ist. Im Erdgeschoss befand sich damals eine Schmiede.“ Zum Beheizen des Raumes diente ein alter Kanonenofen. „Die Kinder und Jugendlichen waren damals noch nicht so reizüberflutet wie heute.“ Kirchliche Angebote hätten daher großen Zulauf gehabt. Noch heute bekomme sie Briefe von ehemaligen Pfarreikindern und Jugendlichen, die schreiben: „Wir haben damals eine christliche Prägung bekommen, die unser Leben bis heute trägt.“ Viele seien bis heute in ihren Gemeinden engagiert, zum Beispiel als Leiter von Seniorenkreisen. Mit jungen Familien gründete Kirchhof einen Familienkreis. Die Kommunionvorbereitung war ebenfalls ihre Aufgabe. „Jahrgänge mit über 100 Mädchen und Jungen waren keine Seltenheit.“ Ein weiterer Schwerpunkt Kirchhofs war der Religionsunterricht an der Grundschule im Bechtolsheimer Hof. In enger Zusammenarbeit mit dem Mutterhaus der Erlöserschwestern mobilisierte die Gemeindereferentin Helferinnen und Helfer in der Dompfarrei, die Sachspenden für die Mission sammelten oder selbst herstellten: mal Strickdecken, mal Babywäsche oder Windeln.

„Großer Rückhalt und Motivation für mein Wirken war die ‚Berufsgemeinschaft katholischer Frauen im pastoralen Dienst‘, der ich seit 1953 angehöre“, sagt Kirchhof. Die Entscheidung, ehelos zu bleiben, habe sie ganz bewusst getroffen. „Zum einen gab es nach dem Krieg ja kaum junge Männer zum Heiraten. Zum anderen wollte ich mich meiner Aufgabe ganz widmen.“ Durch die regelmäßigen Treffen der Berufsgemeinschaft in den verschiedenen Diözesen bundesweit habe sie nicht nur Einblicke in die ganz unterschiedliche Arbeit in den Regionen bekommen, sondern auch Zeit zum Austausch gehabt und viele Praxisanregungen erhalten. „Die Besinnungstage, Exerzitien und Einkehrtage haben mir viel Kraft geschenkt.“

1985 ging Kirchhof in den Ruhestand, um mehr Zeit für die Pflege ihrer Mutter zu haben. Als diese kurze Zeit später verstorben war, fragte Marianne Petzelt, damals Diözesanreferentin für die Gemeindereferenten, nach, ob Kirchhof bereit sei, für ein halbes Jahr auszuhelfen – „ausgerechnet in Mariä Geburt, meiner früheren Aschaffenburger Pfarrei“. Nach kurzem Überlegen habe sie sich dazu bereit erklärt. „Ich bin vorübergehend im Haus einer Frau eingezogen, die ich vor über 30 Jahren in einer meiner Jugendgruppen betreute.“ Nach dem halben Jahr war beruflich dann aber endgültig Schluss. Erfreulicher Nebeneffekt des kurzen Gastspiels an der ehemaligen Wirkungsstätte: Bis heute trifft sich seither regelmäßig der Freundeskreis derer, die in den 1950er Jahren mit der jungen Seelsorgehelferin zu tun hatten. Pfarrer i. R. Josef Wirth, ehemals Kaplan in der Aschaffenburger Pfarrei, hat erst kürzlich einen Besinnungstag für die Gruppe gehalten, berichtet Kirchhof: „Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, kann ich sagen: Ich fühle mich sehr beschenkt.“

mh (POW)

(1615/0376; E-Mail voraus)

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