Würzburg (POW) Eine wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung des Lebens und Wirkens von Fürstbischof Julius Echter ist am Dienstagabend, 4. April, in der Zehntscheune des Würzburger Juliusspitals vorgestellt worden. Herausgeber Professor Dr. Wolfgang Weiß betonte, der vorliegende Band, an dem insgesamt 25 Wissenschaftler mitgewirkt haben, lasse Echter etwas vom „im Würzburger Lokalkolorit entstandenen Nimbus des Einmaligen“ verlieren. Vielfach seien dessen Aktivitäten keineswegs exklusiv gewesen – „weder in den Initiativen, die wir heute negativ bewerten, noch bei denen, die wir besonders loben“. Einen ausführlichen Einblick in einen dafür beispielhaften Teilbereich gab die Historikerin Professor Dr. Sabine Ullmann von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt mit ihrem Vortrag über Echters Judenpolitik. „Sie war kaum allein religiös motiviert, sondern immer eingebunden in ein Geflecht verschiedener fürstlicher Interessensfelder – gleichwohl konnte man sie stets religiös begründen“, erläuterte Ullmann vor rund 150 Gästen, unter anderem auch Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland.
Weihbischof Ulrich Boom, Vorsitzender der diözesanen Vorbereitungskommission für das Gedenkjahr 2017, betonte, sowohl der Beginn der Reformation vor 500 Jahren als auch der 400. Todestag Echters forderten dazu heraus, über Religion nachzudenken – „nicht euphorisch und jubilierend, sondern was Religion und Glaube der Gesellschaft, ja der Menschheit geben kann“. Leitend bei der historischen Reflexion sollte daher sein, das Handeln und die Ereignisse jeweils vor dem Hintergrund eigener Überzeugungen einzuordnen und Rechenschaft über das eigene Tun abzulegen.
Als „sehr erwünschten Beitrag zum Gedenkjahr“ bezeichnete Professor Dr. Wolfgang Riedel, Vizepräsident der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, das vorliegende Buch. Es gewähre wichtige Einblicke über Julius Echter und seine Zeit. Die Würzburger Universität verdanke Echter ihre Wiedergründung und zudem das bis heute genutzte Gebäude der sogenannten Alten Universität. Oberpflegamtsdirektor Walter Herberth hob ebenfalls Echters Verdienste hervor. Dieser habe das Juliusspital nicht nur dank des Weinguts, der Forst- und Landwirtschaft auf eine solide wirtschaftliche Grundlage gestellt, sondern durch ein bis heute dreiköpfiges Leitungsgremium schlagkräftig strukturiert. „Dass wir uns bis heute der sozialen Aufgabenstellung Echters verpflichtet wissen, belegt die junge Palliativstation als aktuelles Beispiel. Auch hier ging es darum, einen Mangel der Zeit zu erkennen und zu handeln“, betonte Herberth.
Herausgeber Weiß verwies auf die Vorgeschichte des aktuellen Buchs. Diesem liege unter anderem eine wissenschaftliche Tagung im April vergangenen Jahres zugrunde. Deren Titel sei – bis auf ein Fragezeichen am Ende – identisch mit dem des jetzt vollendeten Druckwerks gewesen. Der Part „verehrt“ spiele darauf an, dass Echter in der katholischen Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur geradezu heroisiert worden sei. Das hat laut Weiß die Kritik der protestantischen Seite und ab dem 19. Jahrhundert das liberale Lager umso mehr mobilisiert. Das „verflucht“ im Titel bringe das spannungsgeladene Verhältnis zu Echter in seiner Zeit wie auch in der Gegenwart zum Ausdruck. „Es führt in die zeitgenössische, antithetische Kommunikationskultur des konfessionellen Zeitalters, das die ‚Verfluchung‘ und Verteufelung des anderen zum nicht nur medialen Erfolgsrezept erhoben hat.“ Echters Konfessionspolitik sei naturgemäß den Protestanten ein Ärgernis gewesen, hinzu sei ab dem späten 18. Jahrhundert die Kritik der Aufklärung getreten, die Menschenrechte und Religionsfreiheit einforderte. „Auch wurden nun die unter seiner Regierungszeit im Hochstift Würzburg beginnenden Hexenprozesse problematisiert.“ Schließlich sei Echter womöglich auch „verkannt“: „Ich habe vor allem begriffen, dass ich auf die heute so entscheidende Frage: ‚Wer also war der echte Echter?‘ nun noch weniger eine Antwort geben kann, ja dass darauf die Zeit gar keine geben wollte und durfte“, hob Weiß hervor.
Ergänzend zu den Tagungsbeiträgen wurden im Rahmen eines „Call for articles“ interessierte Forscher aufgerufen, Beiträge zu Echter, seinen fürstlichen Zeitgenossen, zur Bistums- und vergleichenden Konfessionalisierungsgeschichte sowie zu Aspekten der Kulturgeschichte mit Bezug zur Thematik einzureichen. Insgesamt sechs Sektionen des Buchs beschäftigen sich folglich mit den Bereichen „Das Urteil der Nachwelt“, „Historische Einordnungen“, „Person und Programm“, „Politische Problem- und Handlungsfelder“, „Katholische Erneuerung und Konfessionalisierung“ sowie „Bildung und Fürsorge“. Weiß betonte, die Gedenkschrift könne nur einen historiographischen Baustein unter vielen darstellen. Das mache das enthaltene, umfangreiche Literaturverzeichnis deutlich.
Professor Ullmann legte in ihrem Vortrag die Motive und Funktionen der Politik Echters gegenüber den Juden dar. Im Hinblick auf Echters überdurchschnittliches Engagement in der Kirchenreformpolitik erscheine es zunächst naheliegend, auch seine Restriktionen gegenüber der jüdischen Minderheit in diesen Kontext zu stellen. „Gegen diesen ausschließlichen Zusammenhang spricht aber schon die zeitliche Diskrepanz.“ Ab 1585 habe der Fürstbischof mit seinen systematischen Rekatholisierungsversuchen begonnen. Schon deutlich früher hatte Echter beispielsweise der jüdischen Gemeinde den Würzburger Friedhof entzogen, um dort 1576 den Grundstein für sein Spital zu legen. „Offensichtlich waren die Intentionen, die Julius Echter mit seiner Judenpolitik verfolgte, stets auch mit territorialen, staatlichen sowie ordnungspolizeilichen Reforminteressen verknüpft.“ Das werde insofern verständlich, als die jüdische Minderheit in den Territorien des Reichs zentrale Belange frühneuzeitlicher Staatlichkeit berührte. „Die jüdischen Gemeinden standen mit ihrer religiösen Praxis nicht nur dem Einheitsbedürfnis des Konfessionsstaates entgegen, sondern durch ihre Rabbinatsgerichte auch der Schaffung eines in festen Grenzen beheimateten Untertanenverbandes, der möglichst keinen anderen Herrschaftsinstanzen und Gerichten zugeordnet sein sollte.“ Die jüdische Geschäftspraxis des Hausiererhandels in territorial übergreifenden Distrikten – ohne die Kontrolle von Zünften – habe zudem die Versuche einer disziplinierenden Ordnung des Wirtschaftslebens unterminiert.
Wolfgang Weiß (Hg.): Fürstbischof Julius Echter: verehrt, verflucht, verkannt (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg, Band 75), 767 Seiten, 59 Euro, Echter Verlag, Würzburg 2017, ISBN 978-3-429-04371-1.
mh (POW)
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