In den vergangenen Jahren hatte der Film von Mel Gibson „Die Passion Christi“ (2004) die Gemüter erregt. Er schilderte in diesem drastischen Passionsspiel nach Hollywood-Manier das Jesus grausam zugefügte Leiden auf eine so unmittelbare Weise, dass die Menschen schockiert waren. Die filmisch aufgearbeitete Handlung der letzten zwölf Stunden im Leben Jesu beginnt im Garten Getsemani und endet im Grunde mit Jesu Tod am Kreuz. In einer brutalen Szene wird die Auspeitschung Jesu auf Befehl von Pontius Pilatus geschildert bis seine Haut in Fetzen herunterhängt und große Blutlachen auf dem Boden zurückbleiben.
In der Tat, es kann beim Betrachten des Leidens und Sterbens Jesu – auch und gerade am Karfreitag – nicht darum gehen, die Ekel erregenden Details dieses brutalen Hinrichtungstodes vor Augen zu führen. Es darf nicht um Nervenkitzel oder Schauderszenen gehen, sondern um das Verstehenlernen Jesu Sterben aus Liebe.
Ganz anders führt uns dies die beeindruckende Skulptur des Gekreuzigten in der Neumünsterkirche in Würzburg vor Augen. Dort wird nach der Renovierungsphase wieder der Schmerzensmann-Kruzifixus von 1350 zu sehen sein, dessen Gesamteindruck nicht im blutigen Detail verankert ist, sondern in der erschütternden Zuwendung zum Betrachter. Christus hat die Arme vom Kreuz abgenommen und so vor der Brust verschränkt, als wolle er jemanden in seinen Armen bergen. Erschütternd bleiben die aus den Händen heraus stakenden Nägel. Die Füße sind noch mit einem Nagel am Kreuzesstamm fixiert.
Hier wird die sich im Kreuzestod verschenkende Liebe des Herrn als ein Sich-Opfern für uns ganz deutlich! „Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt“, hörten wir eben in der zweiten Lesung (Hebr 5,8) und „Als er auf Erden lebte, hat er mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor den gebracht, der ihn aus dem Tod retten konnte, und er ist erhört und aus seiner Angst befreit worden.“ (Hebr 5,7)
Faktum ist: Er hat zunächst den Tod am Kreuz erlitten und ist erst in der Auferstehung von Angst und Leid befreit worden.
Ohne die Realität der Auferstehung ist die Katastrophe des Karfreitags nicht auszuhalten. Ohne die Erfahrung, dass Christus mit uns gelitten hat und für uns gestorben ist, wird der eigene Zugang zum Leid-Verständnis äußerst erschwert.
Immer wieder werden heute Menschen im Glauben verunsichert, wenn Krisen, Katastrophen – wie zum Beispiel das Erdbeben in den Abruzzen – über uns hereinbrechen. Mehr als 260 Menschen starben dort, 50 werden noch vermisst und fast 30.000 Menschen wurden obdachlos (Volksblatt, 09.04.09). Wenngleich auch Experten in Italien wohl zu Recht die Erdbeben-Vorsorge kritisieren und menschliches Versagen anprangern, die Betroffenen müssen mit dieser schwierigen Situation zurecht kommen. Dabei ist sicherlich erfreulich, welche Hilfsbereitschaft den Überlebenden zuteil wird. Aber wie wollten sie den Tod ihrer Angehörigen verarbeiten, wenn der Glaube an ein Weiterleben nach dem Tod nicht gegeben wäre? Am heutigen Karfreitag trauert ganz Italien mit den Opfern. Ob nicht im Blick auf Christi Leiden und Sterben doch Trost und Hoffnung die Betroffenen umfängt?
Lassen auch wir uns von dem für uns Gekreuzigten umarmen und breiten auch wir unsere Arme weit aus, um mit Christus das Leid der Welt hinweg zu lieben. Amen.