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„Kein Platz für Antisemitismus“

Gedenken an das Kriegsende vor 70 Jahren – Vertreter christlicher Kirchen in Würzburg tragen „Wort der Verantwortung und Versöhnung“ vor – Dr. Schuster: „Gemeinsam an einer besseren Zukunft arbeiten“

Würzburg (POW) Ein deutliches Zeichen für Frieden und Versöhnung hat die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (AcK) am Freitagnachmittag, 8. Mai, auf dem Würzburger Marktplatz gesetzt. Vor einer großen Menschenmenge trugen Vertreter der christlichen Kirchen in Würzburg am 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs ein „Wort der Verantwortung und Versöhnung“ vor. „Lernen wir aus unserer eigenen Geschichte, wozu der Mensch fähig ist. Werden wir uns der Verantwortung bewusst, wie wichtig es ist, immer wieder neu für das Recht, für Gerechtigkeit, gegen Vorurteile, Feindschaften und Hass einzutreten“, appellierten die Vertreter der AcK an die Zuhörer. Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, dankte den Kirchen für ihren Beistand und das klare Eingeständnis ihrer Schuld während der Zeit des Nationalsozialismus. Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, das zeitgleich seine Frühjahrsvollversammlung in Würzburg abhielt, betonte, das Menschenbild der Nationalsozialisten habe die Grundlage für die Gräueltaten gelegt.

Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt sagte, die Verbrechen der NS-Zeit seien nur deshalb möglich gewesen, weil die Bevölkerung tatenlos zugesehen oder mitgemacht habe. „Dieses Versagen wird für immer ein Teil der Geschichte unserer Stadt bleiben. Wir müssen dafür sorgen, dass sich solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit nie mehr wiederholen. In unserer Mitte ist kein Platz für Rassismus, Antisemitismus oder Fremdenfeindlichkeit.“ Er begrüßte unter anderem Rabbiner Jakov Ebert, die evangelisch-lutherische Regionalbischöfin Gisela Bornowski, Regierungspräsident Dr. Paul Beinhofer, Bischof Dr. Gebhard Fürst (Rottenburg-Stuttgart), Geistlicher Assistent des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, und Albrecht Fürst zu Castell-Castell, der den Anstoß für das „Wort der Verantwortung und Versöhnung“ gegeben habe. Auch Generalvikar Thomas Keßler nahm an der Veranstaltung teil.

Dann trugen Pfarrer Werner Vollmuth, stellvertretender Dekan des Dekanats Würzburg-Stadt, Pastor Andreas Jahreiß von der evangelisch-methodistischen Kirche, Johanna Falk vom Nagelkreuzzentrum Würzburg, Dekanin Dr. Edda Weise, AcK-Vorsitzender Pfarrer Christoph Lezuo und Pfarrer Vladimir Bayanov von der russisch-orthodoxen Kirche abwechselnd das „Wort der Verantwortung und Versöhnung“ vor. „Heute, wo es in unserer Stadt eine jüdische Gemeinde gibt, mit der wir in vielfältiger, guter und freundlicher Weise verbunden sind, wollen wir voller Trauer der sechs Millionen Juden gedenken, die in deutschen Konzentrationslagern ermordet wurden. Die christlichen Kirchen haben es damals mit Ausnahme weniger mutiger Menschen versäumt, Widerstand zu leisten und dem Unrecht entgegen zu treten.“ Damit hätten die Kirchen schwere Schuld auf sich geladen, welche die Christen noch heute belaste, heißt es in der Erklärung. Auch heute noch sei in der Gesellschaft „antisemitischer Bodensatz“ vorhanden. Angriffe und Parolen seien nicht nur eine Bedrohung für die Juden, sondern eine Gefahr für das Gemeinwesen und für das „europäische Haus“, betonten die Vortragenden. „Antisemitismus wie auch Rassismus oder Diskriminierung von Minderheiten dürfen in Deutschland und Europa keinen Platz haben. Unterstützen wir uns gegenseitig, für ein gutes, freundliches und menschliches Miteinander einzutreten.“

Im Anschluss ergriff Schuster das Wort. „Der 8. Mai war der Tag, den jeder Jude verzweifelt herbeigesehnt hatte“, sagte er. An diesem Tag sei die Welt von einem verbrecherischen Regime befreit worden. Der aktuelle Prozess gegen den ehemaligen SS-Mann Oskar Gröning habe die Frage nach Schuld und Vergebung neu aufgeworfen. „Vergebung kann nur individuell geschehen und muss von den Betroffenen selbst kommen. Aber gemeinsam können wir an einer besseren Zukunft arbeiten“, sagte Schuster. Das jüdische Leben in Deutschland sei in einem Ausmaß wieder entstanden, das niemand für möglich gehalten habe. „Ich bin froh und dankbar, dass die christlichen Kirchen an unserer Seite stehen.“ Zugleich forderte er, dass jeder Schüler mindestens einmal eine KZ-Gedenkstätte besucht haben sollte.

„Wie konnte es möglich sein, dass sich in Deutschland ein solcher Geist entwickelt hat?“ Diese Frage richtete ZdK-Präsident Glück an die Zuhörer. Es sei das Menschenbild der Nazi-Ideologie gewesen, das diese Verbrechen ermöglicht habe. Gedenken sei nur dann ehrlich und konsequent, wenn daraus ein Impuls für das eigene Verhalten folge. Im Anschluss an die Veranstaltung verteilten die Organisatoren Blumen als Zeichen des Friedens an die Zuhörer. Für den musikalischen Rahmen sorgte das Duo Schwander-Goltz.

Im Vorfeld waren in den Kirchen Sankt Gertraud, Sankt Stephan, der evangelisch-methodistischen Kirche am Friedrich-Ebert-Ring sowie der russisch-orthodoxen Kirche im Zellertorhaus Andachten gefeiert worden. In Sankt Gertraud wurde die Versöhnungslitanei von Coventry vorgetragen. Pfarrer Vollmuth dankte für 70 Jahre Frieden in Europa und mahnte: „Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, dass Frieden nicht nur bei uns möglich ist, sondern auch in der Welt.“

sti (POW)

(2015/0473; E-Mail voraus)

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