Würzburg (POW) „Sie dienten also einem einzigen Ziel: Buben zum Priestertum hinzuführen. Im Idealfall war der direkte Weg vorgezeichnet: Nach dem Abitur wechselte der Zögling unmittelbar ins Priesterseminar, studierte Theologie und wurde dann zum Priester der Diözese geweiht.“ So beschreibt Bernhard Hein in seiner Dissertation „,Wer hier eintritt, der legt sich die Priesterbinde um die Stirne.‘ Das Bischöfliche Knabenseminar Kilianeum Miltenberg von seiner Eröffnung 1927 bis zu seiner Schließung 1983“ die Funktion der Knabenseminare, die in der Diözese Würzburg immer „Kilianeum“ genannt wurden. Die Knabenseminare sollten Jungen ab dem zehnten Lebensjahr in einer religiös orientierten Schule, die scherzhaft „kleines Priesterseminar“ genannt wurde, auf das „große Priesterseminar“ und damit auf das katholische Priestertum vorbereiten.
Um dem Priestermangel entgegenzuwirken, wurde im Konzil von Trient im Jahr 1563 die Einrichtung sogenannter Knabenseminare per Dekret gefordert. In Deutschland kam es erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer flächendeckenden Gründungswelle. Neben dem Kilianeum in Würzburg, das von 1871 bis 1998 Knabenseminar war, und dem in Bad Königshofen, das von 1964 bis 1995 diesen Auftrag erfüllte, gab es in Miltenberg das dritte „kleine Priesterseminar“ der Diözese Würzburg.
Die pädagogische Ausrichtung und das Leben im Seminar waren in allen Bereichen theologisch geprägt. In den 1970er Jahren formulierte Bischof Josef Stangl das Erziehungsziel am Knabenseminar Miltenberg so: „Die Seminaristen sind Söhne eines Hauses, aus dem Menschen hervorgehen, die einmal in Kirche und Staat keine Nieten werden, oder in Bedeutungslosigkeit untergehen. Sie sind Söhne eines Hauses, von dem wir erwarten, dass daraus Menschen mit Format kommen.“
Hein stellt in der ersten Hälfte seiner Arbeit die Rahmenbedingungen der Bischöflichen Knabenseminare im 20. Jahrhundert dar. Dazu geht er auf die kirchlichen und zeitgeschichtlichen Hintergründe ein. Angefangen mit dem Tridentinum als Ausgangspunkt, erfährt der Leser chronologisch die Entwicklung der Knabenseminare auf weltkirchlicher, bundes- und landesweiter sowie diözesaner Ebene. Anschließend werden die Grundlagen der Seminarerziehung erläutert. Im zweiten Teil der Arbeit konzentriert sich Hein ausschließlich auf die Entwicklung des Kilianeums Miltenberg unter Einbezug der Leiter und Direktoren sowie der zeitgeschichtlichen Einflüsse. Weiterhin gibt der Theologe Einblick in die Strukturen und das Leben im Knabenseminar und zieht schließlich auf der Grundlage von Umfragen unter ehemaligen Kilianisten eine Bilanz: Beispielsweise haben wenige der Erstklässler des Miltenberger Kilianeums das Abitur dort absolviert; die Möglichkeit dazu zu haben, erschien vielen als Vorteil, die fromme und strenge Hausordnung als „notwendiges Übel“. Viele Kilianisten seien nicht Priester, sondern Lehrer geworden.
Die Arbeit informiert den Leser umfassend über das Kilianeum Miltenberg. Darüber hinaus wird durch die zeit- und kirchenhistorische Einordnung auch Einblick in größere Strukturen und Vorgänge gegeben. Die Dissertation bietet eine umfang- und inhaltsreiche Basis, um sich den Fragen zu widmen, die in den abschließenden Bemerkungen gestellt werden.
Hein wurde 1949 in Eichelsbach in Unterfranken geboren. Von 1959 bis 1968 war er „Zögling“ im Kilianeum Miltenberg, bevor er in Würzburg, Tübingen und München Theologie und Soziologie studierte und beides mit dem Diplom abschloss. Anschließend arbeitete er bei der Caritas und promovierte in Katholischer Theologie an der Universität Würzburg.
Bernhard Hein: „,Wer hier eintritt, der legt sich die Priesterbinde um die Stirne.‘ Das Bischöfliche Knabenseminar Kilianeum Miltenberg von seiner Eröffnung 1927 bis zu seiner Schließung 1983“. 466 Seiten, 39 Euro. Echter Verlag, Würzburg 2017. ISBN 978-3-429-04431-2.
ch (POW)
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