Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

„Kirche aus lebendigen Steinen weiter aufbauen“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann zur Wiedereröffnung des Würzburger Kiliansdoms am ersten Adventssonntag, 2. Dezember 2012

Liebe Mitbrüder im Bischofs-, Priester- und Diakonendienst, liebe Schwestern und Brüder,

„Ihr seid Gottes Bau … einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus … Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1 Kor 3,9c.11.16). Dies ruft uns in dieser Stunde der heilige Apostel Paulus zu.

Wir freuen uns zu Recht, dass nach anderthalbjähriger Renovierungszeit heute unser Dom, Zentrum und Herzmitte unseres Bistums Würzburg, wieder eröffnet wird. Viele haben den heutigen Tag sehnsüchtig erwartet.

Neben notwendigen baulichen Sicherungen, neuen Leitungen, Reinigung von Kunstwerken, Bankbestuhlung und vielem mehr wurden auch Maßnahmen zur Erweiterung der Andachtsräume innerhalb der Kathedrale und in der Unterkirche durchgeführt. Hell erstrahlt heute wieder dieses großartige Gotteshaus, das uns bei aller Zerbrechlichkeit unserer Welt und unserer Lebensgeschichte Kunde vom Licht und Leben spendenden Christus geben will. Christus ist als das Licht in die Welt gekommen (vgl. Joh 3,19). Im Credo bekennen wir, dass er „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott“ ist.

Die hiesige Domrenovierung hat viele Schlagzeilen gemacht. Dies ist nicht verwunderlich, da der Würzburger Dom eine lange wechselvolle Geschichte aufzuweisen hat, die heute zu einem Atemholen einlädt.

Mit Fug und Recht kann man den Sankt-Kilians-Dom als eine Wegkirche bezeichnen. Zum einen reicht der Dom geschichtlich bis in das achte Jahrhundert zurück – baulich bis in das elfte – mit all den Spuren von Zerstörung und historischen Veränderungen, und zum anderen weist er theologisch als Ort, wo der Himmel die Erde berührt, dem pilgernden Gottesvolk den Weg zum verheißenen himmlischen Jerusalem.

Die Spuren der Zeit sind deutlich ablesbar: Bauelemente der Frühzeit, die Bischof Bruno (1034-1045) in die Hallenkrypta einbezogen hat und romanische Bauteile, die diesen Dom in der Salierzeit in Deutschland zu einem der wichtigsten werden ließen. Neben Teilen der Romanik und Gotik finden wir ebenso Renaissance- und Barockkunstwerke. Die Westfassade aus dem 19. Jahrhundert ist von der Neoromanik geprägt.

Nach den umfangreichen Zerstörungen infolge des Zweiten Weltkrieges wurde der Dom in der heutigen Gestalt wieder aufgebaut und 1967 eingeweiht. Auch unsere Zeit bringt sich in der sichtbar neuen Anordnung – etwa durch die Aufstellung des kostbaren Taufbrunnens in der Mitte des Langhauses – und in vielfältigen zeitgenössischen Kunstwerken ein.

Warum das alles?

Gott braucht kein irdisches Haus. Seine Wohnstatt ist unfassbar, und wir belegen sie mit dem Ausdruck Himmel.

Als König Salomo Gott ein Haus unter den Menschen baute, wusste er, dass Gott so gewaltig ist, dass ihn nicht einmal die Himmel fassen können. So fragte Salomo mit ausgebreiteten Händen: „Wohnt denn Gott wirklich auf der Erde? Siehe, selbst der Himmel und die Himmel der Himmel fassen dich nicht, wie viel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe.“ (1 Kön 8,27). Dennoch wollte er Gott ein Haus bauen, in dem die Menschen Gott begegnen können. Das ist der Sinn des Kirchbaus: Wir brauchen eine Stätte, um Gott begegnen zu können. Hier kommen wir als Gemeinde zusammen. Hier hören wir Gottes Wort, feiern Gottesdienste und empfangen die Sakramente. Der Dom ist als Bischofskirche das Herzstück der Diözese. Hier werden die Bistumsfeste gefeiert, hier werden die Priester- und Diakonenweihen vollzogen, das heilige Öl geweiht und alle Sakramente gespendet. Hierhin werden alle eingeladen, aus den Glaubenswurzeln Kraft für das heutige Glaubenszeugnis zu schöpfen.

Beim Baubeginn einer Kirche betet der Bischof: „Allmächtiger Gott, du hast deine Kirche auf dem Fundament der Apostel erbaut und sie berufen zur Heiligkeit. Christus selber ist der Eckstein … Mache … (die Gemeinde) zum Tempel deiner Herrlichkeit und führe sie zum himmlischen Jerusalem.“ Hier werden schon die unterschiedlichen Verortungen des Kirchbauverständnisses hervorgehoben: Die Kirche besteht aus lebendigen Steinen. Christus ist der Eckstein.

Das Gottesvolk Kirche ist auf dem Fundament der zwölf Apostel aufgebaut und zur Heiligkeit berufen. Ziel ist die Vollendung im Himmel.

Die Grundordnung unseres Domes folgt diesem theologischen Weggedanken: Durch das Hauptportal, das die Schöpfung aufruft, treten wir in das Gotteshaus. An dem siebenarmigen Leuchter vorbei, der auf die Zerstörung des Tempels von Jerusalem im Jahre 70 n. Chr. wie auch auf die Zerstörung dieses Domes am 16. März 1945 hinweist, gelangen wir durch den Mittelgang zum Taufbrunnen, dem Ort der Taufspendung, an dem das Sakrament der Gotteskindschaft vollzogen wird.

Wir gehen vorbei am Ambo, von dem aus das Wort Gottes in der Heiligen Schrift und in der Predigt verkündigt wird, weiter zum Altar in der Vierung, auf dem sich das Erlösungsgeschehen in der Feier der heiligen Messe vergegenwärtigt. Das Tabernakel, das dem brennenden Dornbusch nachempfunden ist, ist der sichtbare Ort der bleibenden Gegenwart Christi in der Eucharistie.

Während im Langhaus die Epitaphe der verstorbenen Würzburger Bischöfe die Kontinuität der Glaubensweitergabe aufrufen, gelangen wir an den Glaubensgestalten des Chores vorbei zu dem wiederkehrenden Christus, zu dessen Füßen die Bistumsheiligen Kilian, Kolonat und Totnan über der Kathedra des Bischofs Anfang und Auftrag zur uneingeschränkten Glaubensverkündigung signalisieren.

Ziel des irdischen Lebensweges eines jeden Menschen wie der Menschheitsgeschichte ist die Wohnstatt Gottes, zu der uns im Chorscheitel die Gestalt des wiederkommenden Christus mit offenen Armen einlädt.

Ich hoffe sehr, dass der lichtdurchflutete Raum, der in den neu gestalteten Andachtsräumen der Unterkirche einladende Orte der Ruhe hinzugewonnen hat, unseren Gläubigen wie allen Besuchern des Domes eine Ahnung von der Heimat geben wird, zu der wir berufen sind.

Die Restaurierung dieses Domes – ein aus Steinen erbautes Gotteshaus – trägt den Auftrag in sich, die Kirche aus lebendigen Steinen weiter aufzubauen. Dem soll die heute feierlich zu schließende Bistumspartnerschaft mit Óbidos, einem neu gegründeten Bistum im Amazonasgebiet, Rechnung tragen.

In der Urkunde, die der eigens aus Óbidos angereiste Bischof Bernardo Johannes Bahlmann OFM zur Begründung einer wechselseitigen Partnerschaft gleich mit mir austauschen und verlesen wird, heißt es unter anderem:

„Als Teile der einen Weltkirche sehen wir uns als Gebets-, Lern- und Solidargemeinschaft. Im Gebet miteinander verbunden, lernen wir aus den unterschiedlichen pastoralen Erfahrungen und setzen konkrete Zeichen der Solidarität.“

Das ist unser Auftrag für die neue Partnerschaft mit Óbidos und für unsere bewährte Zusammenarbeit mit unserer Partnerdiözese Mbinga in Tansania.

Es ist ein schönes Zeichen weltweiter Verbundenheit, dass auch unser Partnerbistum Mbinga, mit dem am 29. Oktober 1989 ebenfalls eine ähnliche Urkunde ausgetauscht wurde, heute hier vertreten ist. Unsere Partnerschaft zeigt: Kirche lebt in Afrika, Kirche lebt in Lateinamerika und Kirche lebt in Europa. Kirche ist weltweit verbunden!

So ist der heutige erste Adventssonntag 2012 für uns ein besonderer Tag, an dem wir dankend zurückschauen und hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.

Ausdrücklich möchte ich allen, die am Aufbau der sichtbaren wie an der unsichtbaren Kirche beteiligt waren und sind, von Herzen Dank sagen!

Amen.