Würzburg/Aschaffenburg/Schweinfurt (POW) Die Diözese Würzburg will mit dem Projekt Jugendkirche einen neuen Zugangsweg zur Kirche für Jugendliche schaffen. „Jugendkirchen wollen Jugendlichen eine Chance bieten, Kirche und ihre Botschaft in einer positiven Weise zu erleben, ihnen gleichzeitig aber auch die Möglichkeit geben, ihre Religiosität beziehungsweise Spiritualität weiterzuentwickeln und in einer Kirche zum Ausdruck zu bringen“, sagt Pastoralreferent Matthias Zöller, Mitglied im Leitungsteam der Kirchlichen Jugendarbeit (kja) und Geistlicher Leiter des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Bistum Würzburg sowie Referent für religiöse Bildung. Im folgenden Interview spricht er über das Projekt Jugendkirche und über Pläne für Aschaffenburg, Schweinfurt und Würzburg.
POW: Im Bistum Würzburg wurden oder werden in drei großen Städten so genannte Jugendkirchen errichtet. Welche Idee steht hinter dieser neuen pastoralen Einrichtung?
Matthias Zöller: Eine kritische Reflexion unserer pastoralen Arbeit – unter anderem durch die Sinus-Milieustudie U 27 – zeigt deutlich auf, dass wir schon lange nicht mehr alle Jugendlichen durch die klassischen Angebote der kirchlichen Jugendarbeit erreichen. Gemeindeleben und Gemeindestruktur vieler Pfarreien wirken auf viele Jugendliche wenig attraktiv, weil sie häufig nicht jugendkulturell geprägt sind. Mit Jugendkirchen wollen wir den Wirkkreis unseres jugendpastoralen Engagements erweitern und auch denjenigen einen Zugang zu der christlichen Botschaft und der Kirche ermöglichen, die sich von den bestehenden Angebotsformen wenig angesprochen fühlen. Im Zentrum des Projekts Jugendkirche steht die Idee, Jugendlichen eine Kirche zur Verfügung zu stellen, die nicht ästhetisch vordefiniert und vorstrukturiert ist, sondern in der Jugendliche auf ihre Weise, mit ihrer Ästhetik und mit ihren Ausdrucksformen auf Kirche und Christentum zugreifen können. Jugendkirchen wollen somit Jugendlichen eine Chance bieten, Kirche und ihre Botschaft in einer positiven Weise zu erleben, ihnen gleichzeitig aber auch die Möglichkeit geben, ihre Religiosität beziehungsweise Spiritualität weiterzuentwickeln und in einer Kirche zum Ausdruck zu bringen. Um eine Jugendkirche als Sachangebot ausschöpfen zu können, braucht es darüber hinaus ein deutliches personales Angebot, das in niedrigschwelligen Begegnungsräumen und -zusammenhängen präsent sein muss. Deshalb bietet es sich an, Jugendkirchen mit Angeboten und Räumen einer offenen und diakonischen Jugendarbeit zu ergänzen.
POW: In Würzburg gibt es die erste Jugendkirche der Diözese im Kilianeum-Haus der Jugend. Wie konnte dort dieses Konzept bisher umgesetzt werden?
Zöller: Seit zirka einem Jahr gibt es das Projekt „Baustelle Jugendkirche“ in Würzburg. Im Rahmen dieses Projektes wurde jetzt schon die Kapelle des Kilianeums-Haus der Jugend für Angebote genutzt. So finden regelmäßig die „Gottseidank“-Gottesdienste am Sonntagabend, diverse Even-Songs – das sind etwas andere Abendgottesdienst für Jugendliche –, Taizé-Gebete oder die „friday-night-church“ in der „Baustelle Jugendkirche“ statt. In naher Zukunft ist eine Umgestaltung der Hauskapelle geplant, um den Kirchenraum für Jugendliche einladender zu gestalten und eine Beteiligung von Jugendlichen an der inhaltlichen Gestaltung der Angebote zu ermöglichen.
POW: Welche Überlegungen gibt es für die Stadt Aschaffenburg?
Zöller: In Aschaffenburg gibt es Überlegungen, die Kirche Sankt Agatha in unmittelbarer Nähe des Martinushauses als eine sogenannte Citykirche zu installieren, in der es sehr verschiedene Angebote für unterschiedliche Zielgruppen geben wird: Pfarreigottesdienste für die Pfarrgemeinde von Sankt Agatha, Angebote der Citypastoral und jugendgemäße Angebot der Regionalstelle für kirchliche Jugendarbeit in Aschaffenburg. Gespräche darüber wurden mit allen Beteiligten geführt. Allerdings gibt es bereits jetzt ein umfangreiches jugendpastorales Angebot der Regionalstelle in Aschaffenburg, die Ansätze der Jugendkirchenarbeit verwirklichen. Unter anderem wurde vor Kurzem eine kja-Wohnung eröffnet, die neue Begegnungsmöglichkeiten für Jugendliche ermöglicht und ein ergänzendes Angebot einer Jugendkirche werden kann.
POW: In Schweinfurt soll die Jugendkirche in der Pfarreiengemeinschaft Zentrum angesiedelt sein. Wie sehen dort die aktuellen Planungen aus?
Zöller: Die Jugendkirche in Schweinfurt wird im Chorraum der Pfarrkirche Sankt Kilian entstehen. Gleichzeitig wird die Regionalstelle für kirchliche Jugendarbeit Schweinfurt nach Sankt Kilian umziehen, um damit eine enge Anbindung der beiden Einrichtungen zu ermöglichen. Der Umzug ist für Ende 2011 vorgesehen. Eine Umgestaltung des Chorraums von Sankt Kilian wird dann in Absprache mit dem Bau- und Kunstreferat der Diözese geplant.
POW: Welche Bedeutung können Ihrer Ansicht nach solche Jugendkirchen künftig für die Jugend im Bistum, aber auch für die gesamte Pastoral haben?
Zöller: Jugendkirchenprojekte sind gute und notwendige jugendpastorale Angebote, die die klassischen Angebote der kirchlichen Jugendarbeit – wie Jugendverbandsarbeit, offene Jugendarbeit oder Ministrantenarbeit – ergänzen. Ein Allheilmittel für die derzeitige Krise der Kirche, wie vielerorts vermutet und erhofft, sind sie allerdings nicht. Ein wichtiges Standbein kirchlicher Jugendarbeit bleibt nach wie vor die lokale und dezentrale Jugendarbeit in den Pfarreien und Verbänden. Hier geschieht wichtige Beziehungs- und Bindungsarbeit. Dass diese Bemühungen erfolgreich sind, zeigt die aktuelle Leistungsstatistik der kirchlichen Jugendarbeit vom Dezember 2010 deutlich auf. Die Auseinandersetzung mit Jugendkirchenprojekte macht aber deutlich, dass wir unsere pastoralen Angebote noch differenzierter und passgenauer ausrichten müssen, um auch neue und moderne Milieus anzusprechen. Das ist eine Herausforderung, der sich die gesamte Pastoral und auch viele Pfarrgemeinden stellen müssen. Darüber hinaus müssen wir uns bei allen pastoralen Angeboten verstärkt darauf einstellen, dass moderne Milieus sich weniger auf Dauerhaftigkeit, Verbindlichkeit und Regelmäßigkeit einlassen wollen, sondern sich zunehmend nur szenenartig und projektförmig erreichen lassen.
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