Würzburg (POW) Warum engagieren sich Menschen trotz aller Krisen in der katholischen Kirche? Wie kann Kirche trotz Krisen und Umbrüchen glaubwürdig bleiben? Darüber hat sich Bischof Dr. Franz Jung auf dem Social-Media-Kanal Instagram @bistumwuerzburg am Donnerstagabend, 3. März, mit Vanessa Eisert, ehrenamtliche Diözesanvorsitzende im Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und Mitglied im Diözesanrat der Katholiken, und Wolfgang Bullin, Chefredakteur des Würzburger katholischen Sonntagsblatts und Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), ausgetauscht.
Aktuell sei die Situation schwierig, sagt Eisert. Die Veröffentlichung der Missbrauchs-Gutachten habe auch die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche auf den Prüfstand gestellt. In der Coronakrise sei zudem die Kirche vor Ort weggebrochen. Die Pfarrgemeinde, der Verband oder die Ministrantengruppe seien oftmals das verbindende Element, erklärte sie. Wichtig sei vielen das Gemeinschaftsgefühl, das gemeinsame Erleben des Glaubens: „Das ist es, was viele Leute bindet und dazu bewegt, dabeizubleiben, auch wenn es manchmal schwierig ist.“ Auch die großen, medienwirksamen Veranstaltungen, wie 72-Stunden-Aktion oder Romwallfahrten, seien weggefallen. „Aber es braucht auch die großen ,Leuchttürme‘, damit jeder sieht, was wir machen.“ Positiv bewertete Eisert den Synodalen Weg. Probleme würden offen benannt. „Man sieht, es geht etwas voran, wir werden gehört und wahrgenommen.“ Zudem befasse man sich im Ringen um die Strukturen noch einmal tiefer mit der eigentlichen Botschaft des Glaubens: „Indem wir die Strukturen hinterfragen, beschäftigen wir uns mit unserem Kern: Was ist unser Glaube? Was sagt er uns?“
Der Synodale Weg, aber auch Aktionen wie #OutInChurch hätten vielen Menschen einen „Hoffnungsschimmer“ gegeben, sagte Bullin. „Man sieht, dass sich eventuell doch etwas bewegt.“ Auch er betonte die Bedeutung von persönlichen Begegnungen. „Das ist ein ganz wichtiges Pfund der Kirche. Ich kenne etliche Menschen, die aufgrund von persönlichen Erfahrungen eine Bindung an die Kirche haben.“ Seiner Ansicht nach werde es immer wichtiger, dass Kirche trotz aller technischen Entwicklungen den persönlichen Kontakt ermögliche. „Wir müssen versuchen, Kirche nicht als Institution zu vermitteln, sondern die Vielfalt der Akteure in der Kirche stärker in den Vordergrund zu stellen“, sagte er. Auch müsse Kirche deutlicher machen, wofür sie stehe. „Sie ist keine Moralinstanz und kein Sozialkonzern. Die zentrale Botschaft ist, dass es mit diesem Leben nicht zu Ende ist, sondern dass wir eine Hoffnung haben, die darüber hinausgeht. Das kommt mir oft zu wenig vor.“ Bullin sah hierin auch eine Aufforderung zum persönlichen Wachstum im Glauben: „Ich muss auch für mich selber klarkriegen, warum ich in der Kirche bin, und bin dann vielleicht besser in der Lage, anderen darüber Auskunft zu geben.“
Das Ringen um die Kernbotschaft sei auch ein Diskussionspunkt beim Synodalen Weg, berichtete Bischof Jung. „Auch ich sehe die Gefahr, dass das große Gut das wir haben, nämlich Jesus Christus, der uns über uns hinausführt zu Gott, manchmal ein bisschen verloren geht in den vielen Konflikten und Problemen, an denen wir derzeit arbeiten.“ Zugleich habe er nie gedacht, dass die Kirche sich so verändern könne. „Das ist manchmal sehr anstrengend, aber es ist schön zu sehen, dass man etwas mitgestalten kann und sich etwas entwickelt“, sagte der Bischof. Er habe die Erfahrung gemacht: „Da, wo ich Kirche erlebe und mich einbringen kann, habe ich die Erfahrung von Sinn und Freude.“
Das bestätigten die Zuschauerreaktionen aus dem Live-Chat. Kirche sei mehr als eine Institution, hieß es zum Beispiel. Positiv bewertet wurden die vielfältigen Angebote und die Möglichkeiten, sich zu engagieren, ob im Kirchenchor, als Lektor oder bei den Ministranten. Rebecca Hornung, Internetredakteurin des Bistums Würzburg, stellte zudem die Ergebnisse einer Instagram-Umfrage zum Thema „Warum Menschen in der Kirche bleiben“ vor. Auf den ersten drei Plätzen landeten der Glaube und seine Botschaft, die Gemeinschaft mit anderen Gläubigen sowie die Möglichkeit, Veränderungen mitzugestalten.
Das komplette, rund 30-minütige Gespräch kann im Internet auf dem YouTube-Kanal des Bistums Würzburg angesehen werden.
sti (POW)
(1022/0265; E-Mail voraus)
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