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„Kirchenmusik ist absolut ökumenisch“

Diözesanmusikdirektor Gregor Frede über Orgelunterricht und Kirchenmusik – Organist als Konzertmeister im Gottesdienst – Zwischen Kunst und Handwerk

Würzburg (POW) Die Kirchenbänke sind leer, doch jeder freie Platz ist mit Musik besetzt. An der Orgel der Pfarrkirche Sankt Kilian im Würzburger Juliusspital sitzt Michael Netrval, Orgelschüler aus Karlstadt, und spielt das mächtige, klangvolle Instrument. Hinter ihm steht Würzburgs Diözesanmusikdirektor Gregor Frede und hört seinem Orgelschüler aufmerksam zu. Der 17-Jährige hat erst im Frühjahr dieses Jahres mit dem Orgelunterricht begonnen. Wer bereits Klavier spielen kann, bevor er oder sie Orgelunterricht nimmt, wird schon nach einigen Unterrichtsstunden ein Stück im Gottesdienst an der Orgel zum Besten geben können. „Das ist für die Schüler dann immer spannend, wenn sie sich auf diesen einen Termin, wie auf ein Konzert, vorbereiten“, erklärt Frede. Er ist auf der Suche nach neuen Talenten – der Bedarf an Organisten sei immer groß.

„Die Rückmeldung der Gottesdienstbesucher ist für mich als Organist ein großer Ansporn“, erzählt Benedikt Müller, der den Orgelunterricht bei Frede im Herbst 2016 nach vier Jahren beendet hat. „Vor allem am Ende der Messe ist es immer wieder interessant: Gehen die Leute oder bleiben sie, um das Orgelspiel noch zu hören?“ Wenn die Besucher sitzen bleiben, wisse er, dass sich das viele Üben gelohnt habe. Er bereite die Stücke für Gottesdienste in seiner Ortskirche vor. „Manchmal übe ich mehrere Stunden. Das kommt einem gar nicht so lange vor.“ Dass jemand beim Orgelspielen die Zeit vergisst, kann Frede gut nachvollziehen: „Das Instrument hat einen gewissen Suchtfaktor. Es ist einfach hinreißend laut.“ Die Schüler seien zudem motiviert, weil sie nicht im Wohnzimmer spielen, sondern in absehbarer Zeit ein konkreter Anlass bevorstehe: ein Gottesdienst. „Ich stelle fest, dass die Schüler an der Orgel erschreckend viel üben“, sagt Frede.

Netrvals Begeisterung für das Orgelspielen liege in seiner Familie: Sowohl seine Mutter als auch sein Onkel seien Organisten. Früher habe Netrval schon einige Jahre Klavierunterricht genommen und später im Jugendchor seiner Pfarrgemeinde mitgesungen. „Als ich älter wurde, wurde ich an das Klavier gesetzt, um den Chor zu begleiten“, erzählt er. Der dortige Organist habe Netrval spielen gehört und ihn ermutigt, das Orgelspielen zu lernen. Seit Anfang 2017 nimmt der Abiturient nun Orgelunterricht bei Frede. „Er ist in sechs Stunden doppelt so weit gekommen wie andere in der Zeit“, sagt der Diözesanmusikdirektor stolz. „Mit mehr Spaß und Begeisterung lernt es sich schneller und besser.“ Nachdem er in letzter Zeit kürzer getreten ist, um sich auf sein Abitur vorzubereiten, will Netrval nun wieder an seine anfänglich großen Fortschritte anknüpfen und in seiner Heimatpfarrei den Gottesdienst an der Orgel begleiten. Beruflich allerdings hat er andere Pläne: „Ich möchte Schlagzeug im Hauptfach an einer Musikhochschule studieren. Man kann da schon Parallelen zur Orgel herstellen: Bei beiden Instrumenten mache ich mit Händen und Füßen gleichzeitig Musik.“

Auch Müller entschied sich gegen ein Kirchenmusikstudium: „Ich studiere Informatik und Mathematik im dritten Semester. Damit bin ich erstmal ziemlich glücklich“, erzählt der 19-Jährige. Erstmal – denn das Orgelspielen zum Beruf zu machen, hat er noch nicht ganz abgeschrieben. Derzeit ist er aber froh, das Abitur und die C-Prüfung bestanden zu haben. „Um die C-Prüfung antreten zu dürfen, muss man den C-Kurs belegen. Der geht über zwei Jahre und umfasst neben dem Orgelspiel auch Chorleitung, Gesang und Musiktheorie. Dazu gibt es jede zweite Woche einen Theoriekurs, zu dem Orgelschüler aus dem Kreis Würzburg kommen.“ Nun spiele er seit einem Jahr als Organist, nicht nur in seiner Heimatkirche Waldbüttelbrunn, sondern auch im Umkreis. „Ich mache konfessionell keine Unterschiede. Ich spiele auch im evangelischen Gottesdienst“, sagt Müller. Ein Kirchenmusikstudium fordere ebenfalls keine konfessionelle Festlegung. „Man kann nach dem Studium als evangelischer Christ die Orgel im katholischen Gottesdienst spielen. Kirchenmusik ist absolut ökumenisch“, erklärt Frede.

Organisten werden immer gebraucht, weshalb Frede Müller überreden will, doch noch Kirchenmusik zu studieren. „Erstens, weil er wirklich gut ist, und zweitens, weil wir einen echten Notstand haben.“ Die schwere Aufnahmeprüfung und das anspruchsvolle Studium schreckten viele Interessenten ab. „Kirchenmusik ist das umfassendste Studium. Nicht nur Theorie und Orgelspiel gehören zu den Inhalten, auch Chor- und Orchesterleitung, Kinder- und Jugendarbeit sowie Erwachsenenbildung werden gelehrt“, erklärt Frede, der selbst vor etwa 35 Jahren sein Kirchenmusikstudium abschloss. Im Jahr 2000 wurde er Diözesanmusikdirektor. Eine seiner vielfältigen, zahlreichen Aufgaben ist das Unterrichten von Orgelschülern. Insgesamt unterrichten im ganzen Bistum 50 professionelle Musiker etwa 300 Schüler an der Orgel. „Vor einigen Jahren waren es noch doppelt so viele Schüler“, erklärt Frede. Häufig liege das daran, dass Familien in Städte ziehen, sich von der Kirche und ihren Institutionen entfernen. Somit hätten deren Kinder selten selbst erlebt, wie eine Orgel klingt und wirkt. „Viele der Schüler kommen einzig aus Interesse am Instrument. Natürlich nehmen auch viele Unterricht, wegen ihrer katholischen Erziehung“, sagt Frede.

Im Grunde genommen sei das Orgelspielen ein Handwerk, eine Technik. „Man braucht zu 100 Prozent das technische Wissen zur Orgel. Wenn das automatisiert ist, ist die Basis für das künstlerische Spielen gesetzt“, sagt Frede. Der Orgelspieler sei also Künstler und Handwerker zugleich. Natürlich brauche man einen gewissen Grad an Musikalität, um neben den Literaturstücken auch improvisieren zu können. „Am liebsten spiele ich Literaturwerke von Bach. Die aber einfach in den Gottesdienst einzubauen, ist immer schwierig, weil man ja nie im Voraus weiß, wie lange etwa die Kommunion dauert“, erklärt Müller. Deshalb werde meist auf ein bestimmtes musikalisches Thema oder ein Motiv improvisiert. „Wenn der Text und die Musik Sinn machen und zum Kontext passen, dann spiele ich gerne auch moderne Stücke.“ Für eine Hochzeit, deren Gottesdienst der junge Organist musikalisch gestaltete, wünschte sich das Brautpaar den Beatles-Song „All You Need Is Love“ – den er natürlich auf der Orgel gespielt habe.

Stichwort: Orgel

Die Orgel ist ein Musikinstrument, das mit Tasten gespielt wird. Klänge werden mithilfe des sogenannten Orgelwinds erzeugt, der durch die Pfeifen strömt. Man unterscheidet Labial- und Lingualpfeifen. Bei Labialpfeifen wird durch das Anblasen eines Labiums – wie bei einer Blockflöte – ein Schneideton erzeugt. Lingualpfeifen enthalten Zungen, die durch den durchströmenden Luftstrom zum Schwingen gebracht werden und einen Klang erzeugen. Große Pfeifen bringen tiefe Töne hervor, kleine Pfeifen hohe Töne. Tonhöhen und Klangfarben lassen sich durch sogenannte Register regeln. Eine frühe Form der Orgel gab es schon in der Antike. Heutzutage stehen die Instrumente meist in Kirchen und Konzertsälen.

ch (POW)

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