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„Kleinigkeiten weiß man irgendwann zu schätzen“

Aquilin Hohm aus Estenfeld macht ein Freiwilliges Internationales Jahr in Mexiko – Arbeit mit Jungen im Kinderheim – Ein Gespräch über Kriminalität, Ehrenamt und Orgelsound

Würzburg/Estenfeld/Puebla (POW) Wenn Aquilin Hohm (18) kurz vor 13 Uhr zu seiner Arbeitsstelle läuft, wird er von einer Person aus seinem Projekt begleitet. Wenn er gegen 20.30 Uhr das Jungen-Kinderheim „Hogares Calasanz“ wieder verlässt, ist es das gleiche Prozedere. Er muss sich an- und abmelden – zur Sicherheit. Nachts in den Straßen herumlaufen? Vorsichtshalber nicht. Denn der 18-Jährige aus Estenfeld lebt seit Anfang August in Puebla, Mexiko. Ein Jahr lang wird er im Zuge seines Freiwilligen Internationalen Jahres im Projekt des Kindermissionswerks „Die Sternsinger“ mithelfen.

Schon vor dem Abitur 2023 sei für ihn festgestanden, dass es im Anschluss an die Schule ins Ausland gehen soll, erzählt der 18-Jährige aus Estenfeld am Telefon. Ein knappes Jahr, bevor es losgehen sollte, bewarb er sich bei „weltwärts“, der Freiwilligenbörse des Bundes. Es folgten Gespräche und Vorbereitungsseminare. In Sicherheitstrainings mit Waffenattrappen wurden Szenarien bis zur Entführung und Geiselnahme geübt – für die gefährlicheren Länder. Dass sein Weg schlussendlich tatsächlich nach Mexiko führen würde, stand erst einige Monate später fest und lag nicht in Hohms Hand. Es war eines von drei „Kindermissionswerk“-Projekten auf der Favouritenliste des Abiturienten. Die endgültige Zuteilung traf die Entsendeorganisation. Vor der Abreise habe „ich mir sicherheitsmäßig schon meine Gedanken gemacht“, gesteht der 18-Jährige. Nach drei Monaten im Land reagiert er dagegen gelassen auf die Sicherheitsfrage. Man müsse aufpassen, ja, aber das Kindermissionswerk und Kinderheim vor Ort seien erfahren im Umgang mit Ehrenamtlichen. „Da kann man Vertrauen haben“, sagt Hohm. Und: „Ich bin froh, dass ich in dieses Projekt gekommen bin.“

Was bedeutet es, in einem Kinderheim in Mexiko zu arbeiten? Die Tage in „Hogares Calasanz“ sind geprägt von einer täglichen Routine. Struktur sei für die Jungen, die keine Eltern mehr haben, aus schwierigen Familienverhältnissen kommen oder zuvor auf der Straße gelebt haben, wichtig, erzählt Hohm. So steht er jeden Tag kurz vor 13 Uhr in den Räumen des Projekts. Noch bevor die 22 Jungen – die meisten zwischen vier und 18 Jahren – aus der Schule abgeholt werden, holt Hohm Essensspenden ab, sortiert die Vorratskammer oder hilft seiner Mentorin an anderer Stelle. Am Nachmittag folgt die Arbeit mit den Kindern. Hohm betreut einen neun- und einen elfjährigen Jungen bei den Hausaufgaben. Er erklärt die Aufgaben und motiviert zum Weitermachen. Beide konnten vor der Aufnahme ins Kinderheim weder lesen noch schreiben oder rechnen. Eigentlich sei es egal, wie alt die Jungen sind, sagt Hohm. „Viel wichtiger ist: Wie lange leben sie schon im Projekt? Ab diesem Zeitpunkt beginnt ihre Entwicklung.“ Dieser Gedanke sei manchmal schwer. Bei einem Elfjährigen, der dieses Jahr sein erstes Schuljahr hat, da „fragt man sich schon: Was hat das Kind davor gemacht?“, schildert er. Bereits in Estenfeld hat sich Hohm in der Kinder- und Jugendarbeit engagiert. Die Probleme hier seien andere. „Die Kinder in meinem Projekt gehen nicht nach Hause und heulen sich bei der Mama aus“, sagt er. Er würde immer wieder die Erfahrung machen, „dass es immer noch eine schlimmere Geschichte gibt“. Da brauche es einen Ausgleich.

Das Projekt gebe bereits viel zurück. In den vergangenen Wochen habe eines der Kinder von sich aus die richtige Seite im Heft aufgeschlagen, der andere konnte ein Muster alleine zeichnen. „Solche Kleinigkeiten weiß man irgendwann zu schätzen“, sagt Hohm. „Das merkt der Junge wahrscheinlich nicht, aber für mich ist das ein kleines Erfolgserlebnis.“ Die Arbeit mit den Jungen sei toll und bei 22 Kindern sowieso immer für Spaß gesorgt.

Zum Feierabend taucht Hohm zum weiteren Ausgleich in eine ganz andere Welt ab – bei seiner „Gast-Oma“, wie der 18-Jährige sie nennt. Eine Mexikanerin, die den Ehrenamtlichen bei sich wohnen lässt, immer wieder für ihn kocht und ihn auch zu Familienfeiern und Taufen mitnimmt. So lerne er noch mehr von der mexikanischen Kultur kennen. Eine weniger laute und lebhafte Welt als im Projekt, doch mit genauso bunten Feiern, beschreibt es Hohm. Sonntags geht es gelegentlich mit den Mitgliedern von „Hogares Calasanz“ in den Gottesdienst, der am Anfang wohl ein kleiner Kulturschock für den 18-Jährigen war. Die Kirchen seien kleiner und provisorischer, es gebe keine Gesangsbücher, dafür umfangreiche Predigten und jeden Sonntag Weihrauch, erzählt er. Noch kennt Hohm die Gebete nicht, doch die Jungen im Kinderheim haben versprochen, sie ihm aufzuschreiben. Und „ich vermisse Orgelsound, den gibt es hier eher nicht“, lacht Hohm, der selbst Orgel spielt. Sein Fazit zu den Gottesdiensten: „Es gibt Unterschiede und es gibt ganz viele Gemeinsamkeiten.“

Bis Ende Juli 2024 wird Hohm noch mit den Jungen im „Hogares Calasanz“ arbeiten – Lesen, Schreiben und Rechnen üben und die Kleinigkeiten wertschätzen.

Weitere Berichte von Aquilin Hohm zu seinem Freiwilligen Internationalen Jahr im Kinderheim „Hogares Calasanz“, dem Projekt des Kindermissionswerks „Die Sternsinger“, gibt es unter www.blog.sternsinger.de. Interessierte finden unter www.weltwaerts.de und www.mein-eine-welt-jahr.de Informationen zu den Einsatzorten und der Bewerbung.

chd (POW)

(4423/1204; E-Mail voraus)

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