Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Kreuzigung mitten im Spessart

Beim Bühnenstück vom Leiden und Sterben Jesus in Dammbach wirkt fast die halbe Bevölkerung mit – Wie aus der Idee eines Einzelnen ein fester Brauch wurde

Dammbach (POW) „Lasset die Kinder zu mir kommen“, ruft Jesus aus – und erntet schüchterne, fragende, unsichere Blicke von etwa einem Dutzend Kinderaugenpaaren. Regisseurin Waltraud Amrhein reagiert prompt. „Welches Kind geht als erstes auf Jesus zu? Wer traut sich?“, fragt sie die Gruppe von Kindern. Darsteller Michael Lattus darf seinen Satz wiederholen, und Hanna springt ihm entgegen. Eine Handvoll Jungen und Mädchen folgen ihr. Bei der ersten Probe auf der richtigen Bühne verkündet Jesus dem Volk von Gottes Reich. Am 3. Mai steht die Premiere der Passionsspiele 2014 in der Spessartgemeinde Dammbach an. Die Szenenkomplexe Abendmahl, Kreuzweg, Kreuzigung und Auferstehung stehen bei den nächsten Terminen auf dem Probenplan.

Insgesamt mehr als 100 Personen sind an diesem sonnigen Sonntagnachmittag im Frühling in der Dammbachtalhalle, der Turnhalle der örtlichen Grundschule, versammelt, etwa die Hälfte aller, die am Passionsspiel mitwirken. Sie alle leben in Dammbach im Landkreis Aschaffenburg oder stammen von dort. Der jüngste Mitwirkende hat gerade mit dem Laufen angefangen, der älteste zählt 75 Lenze. Erstmals proben sie alle heute in Kostümen und auf der großen Bühne für die Passionsspiele 2014. Eine große Gruppe von Frauen und Kindern füllt die eine Hälfte der Spielfläche, auf der anderen haben sich die zwölf Apostel um ihren Meister geschart. Genauer gesagt: um ihre Meister. Denn Jesu Rolle ist wie auch andere große, zum Beispiel die der Maria oder der Maria Magdalena, doppelt besetzt. Jede Szene wird zweimal geprobt, damit alle Beteiligten zum Zug kommen.

Den gesamten Freitagnachmittag bis in den Abend hinein und den Samstag lang haben die Techniker um Schreinermeister Hubert Hein die Bühne aufgebaut. Einige neue hölzerne Gebäude, die auch als Auf- und Abgang für die Darsteller dienen, sind diesmal neu hinzugekommen, ebenso eine breite Treppe, die zentral von der Bühnenkante hinunter in den Zuschauerraum führt. Die neuen Bühnenteile warten noch auf einen Anstrich. „Ein paar weitere Dinge müssen ebenfalls erst noch fertiggestellt werden“, erklärt Martin Anderl, der gemeinsam mit Ina Herrmann eine zentrale Rolle hinter den Kulissen der Passionsspiele innehat. Licht- und Tontechnik werden heuer erstmals über der Bühne aufgehängt werden. Zwei Löcher in der Hallendecke zeugen von den dafür notwendigen Umbauten. „Jetzt gibt es keine Ständer mehr, die den Blick auf die Bühne stören“, sagt Herrmann. Erstmals wird diesmal auch die Halle klimatisiert, nachdem es in der vergangenen Spielzeit unangenehm heiß geworden war.

Bereits eine Stunde vor dem offiziellen Probenbeginn herrscht reges Treiben in einem ehemaligen Klassenzimmer der Schule. Adolf Englert und seine Ehefrau Friederike geben die Kostüme an die Darsteller aus. Englert, einst selbst im Bekleidungsgewerbe tätig, hat sie 2001 angefertigt – mit Stoffen, die er sich von früheren Lieferanten schenken ließ. Damals gab es erstmals Passionsspiele in der 1800 Einwohner großen Ortschaft. Englerts Einsatz ist wie der aller Beteiligten ehrenamtlich. „Der Erlös aus dem Kartenverkauf abzüglich einiger Rücklagen für die nächste Passionsspielzeit geht an sozial-karitative Einrichtungen im Ort oder solche, zu denen Menschen aus Dammbach Bezug haben, wie die Kinderklinik in Aschaffenburg“, sagt Herrmann.

Unterdessen gibt es wieder eine Unterbrechung auf der Bühne. „Die Betonung muss auf ‚uns‘ liegen, denn Ihr wollt ja, dass Jesus sich wieder Euch zuwendet“, sagt Regisseurin Amrhein. Also ruft einer der Apostel erneut „Herr, lehre uns beten“, diesmal mit Akzent auf dem gewünschten Wort. Paul Kroth, nach drei Passionsspielen als Judas diesmal als Jesus-Darsteller aktiv, folgt der Aufforderung und lehrt den Seinen das Vaterunser.

Alfred Krott, Rentner mit wallendem braunem Haar und faltenlosem Gesicht, ist einer der Apostel und seit Anfang an dabei. Er sah in den 1990er Jahren einen Bericht über einen italienischen Passionsspielort und war fortan beseelt von der Idee, auch in seinem Heimatort ein Passionsspiel aufzuführen. „Den Text habe ich selbst geschrieben, weil ich eine stimmige und geerdete Vorlage wollte“, erzählt der bescheiden auftretende gelernte Schlosser. Im Jahr 2000 stellte er seine Idee dem damaligen Pfarrer Anton Heußlein und dem Pfarrgemeinderat vor. 2001 gab es die ersten Passionsspiele, 2004 die zweite Auflage, fünf Jahre später die dritte, jeweils mit Krott als Hauptdarsteller. 2009 kam Michael Lattus als Jesus-Zweitbesetzung hinzu.

„Bei den ersten Passionsspielen waren wir 65 Mitwirkende“, berichtet Krott. Seit 2004 gibt es alle fünf Jahre eine neue Auflage, verbunden jeweils mit Veränderungen am Text, der Inszenierung oder der Bühnentechnik. Erstmals wird in diesem Jahr zum Beispiel ein Sänger live zum Spiel auf der Bühne singen. Die 4000 Karten für die zehn Vorstellungen dieses Jahres sind großteils ausverkauft. Krotts Anliegen, die Frohe Botschaft zu verkündigen, kommt offensichtlich an.

„Musik bitte“, tönt es durch die Halle, und Streichermusik füllt den Raum. „Da kommt Jesus“, ruft Lazarus aus der linken Ecke der Bühne herunter. Diesmal führt Jesusdarsteller Lattus seine Zwölf durch den Mittelgang hinauf zur Bühne. Am Ende einer langen Szene verabschiedet er sich von seiner Mutter Maria und geht nach Jerusalem, um dort den Leidensweg auf sich zu nehmen. Allerdings ist er eine Spur zu schnell. Keiner der Apostel ist ihm gefolgt. Als er am Ende der Bühnentreppe angelangt ist, bemerkt er seinen Fehler, dreht sich um und ruft grinsend: „Brüder, kommt!“

Die Apostel wie auch alle anderen Beteiligten auf und hinter der Bühne kommen aus Wintersbach und Krausenbach im Landkreis Aschaffenburg. Die zwei Orte wurden im Jahr 1976 im Rahmen der Gebietsreform zur Gemeinde Dammbach „zwangsverheiratet“. Von den Animositäten von einst ist heute nichts mehr zu spüren. „Beim Passionsspiel ziehen alle an einem Strang. Die Vereine kümmern sich um das Drumherum wie die Bewirtung. Wenn man alles zusammenrechnet, sind etwa 40 Prozent der Bevölkerung in irgendeiner Weise beteiligt“, sagt Bürgermeister Roland Bauer. Wie die meisten anderen Männer auch hat er für seinen Auftritt Haare und Bart wachsen lassen, damit alles stilecht aussieht. Sein Amtsstellvertreter Christian Wirth ist auch als Jünger auf der Bühne aktiv, außerdem noch ein paar Gemeinderäte. „Die Freundschaften, die durch das Passionsspiel zwischen den beiden Ortschaften entstanden sind, haben einen positiven Einfluss. Wenn es die Passionsspiele nicht gäbe, man müsste sie glatt erfinden“, sagt Bauer.

Nähere Informationen im Internet unter www.passionsspiele-dammbach.de. Die Premiere findet am Samstag, 3. Mai, um 18 Uhr in der Dammbachtalhalle, Frühlingsstraße 10, statt. Weitere Vorstellungen gibt es am Sonntag, 4. Mai, Freitag, 9. Mai, Samstag, 10. Mai, Sonntag, 11. Mai, Samstag, 16. Mai, Sonntag, 17. Mai, Freitag, 23. Mai, Samstag, 24. Mai, sowie am Sonntag, 25. Mai. Kartentelefon 0162/1837898.

Markus Hauck (POW)

(1514/0341; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet 

Weitere Bilder