Würzburg (POW) Die bayerischen Bistümer übernehmen ab 1. Oktober 2005 die Tarifreform des Öffentlichen Dienstes. Für Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand handelt es sich um eine Grundsatzentscheidung, die Tarifstruktur des Öffentlichen Dienstes für die kirchlichen Angestellten weiter zu übernehmen. Der Aufbau eines eigenen Tarifsystems wäre viel zu personal- und kostenintensiv und würde dem diözesanen Prozess „Erneuern und Sparen“ entgegenlaufen. Von dieser Voraussetzung her hat der Allgemeine Geistliche Rat der Diözese Würzburg der Übernahme des neuen Tarifs am Dienstag, 27. September, zugestimmt. Einzelheiten des neuen Tarifrechts erläutert der Personalleiter im Bischöflichen Ordinariat Würzburg, Thomas Lorey (47), in folgendem Interview. Lorey ist Mitglied in der Bayerischen Regional-KODA, der Kommission zur Ordnung des diözesanen Arbeitsvertragsrechtes.
POW: Wie viele Mitarbeiter sind im Bistum Würzburg von den Änderungen betroffen?
Lorey: Im Bistum Würzburg sind zirka 1500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen. Dazu gehören die Angestellten im Bischöflichen Ordinariat Würzburg, in den Bildungshäusern der Diözese, in den katholischen Verbänden und in den Kirchenstiftungen vor Ort. Beispielsweise gilt der neue Tarif für die Mesner und Pfarrsekretärinnen, aber auch für alle anderen Beschäftigten in den Pfarreien. Für die rund 14.000 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas im Bistum Würzburg entscheidet in diesen Tagen die Arbeitsrechtliche Kommission des Deutschen Caritasverbands.
POW: Was ist das Neue am kommenden Tarif?
Lorey: In der Vergangenheit wurde unter anderem auch von der Mitarbeitervertretung gefordert, stärker leistungsorientiert zu vergüten. Künftig erhalten jüngere Mitarbeiter schneller eine höhere Vergütung als bisher, während sich eine Lohnerhöhung mit zunehmendem Alter abflacht.
POW: Welche Änderungen stehen den kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bevor?
Lorey: Ab 1. Oktober 2005 erhöht sich die Arbeitszeit von 38,5 auf 39 Stunden pro Woche – ohne Lohnausgleich. Mitarbeitern, die vor dem 1. Juli 1994 angestellt wurden, wird die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gekürzt. Ab 2007 wird auf eine leistungsorientierte Bezahlung umgestellt, Teile der bestehenden Vergütung werden dann als Leistungsentgelt bezahlt. Im Zeitraum 2005 bis 2007 gibt es pro Jahr eine Einmalzahlung in Höhe von 300 Euro als Tarifsteigerung.
POW: Haben die Mitarbeiter mit Gehalteinbußen zu rechnen?
Lorey: Alle Mitarbeiter, die vor dem 1. Oktober 2005 angestellt wurden, genießen Besitzstand auf der Basis des Septembergehalts 2005. Sie haben aber in den kommenden Jahren keine Lohnerhöhung zu erwarten. Über die Leistungskomponenten können aber Gehaltsminderungen ausgeglichen werden. Einbußen werden sicher bei den Neuanstellungen ab 1. Oktober 2005 zu spüren sein. Zum Beispiel fällt der Ortzuschlag für Kinder weg, die so genannte Kinderzulage.
POW: Welchen finanziellen Ausgleich will die Kirche für Familien schaffen?
Lorey: Auf Ebene der bayerischen Diözesen wird eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit dem Ausgleich der wegfallenden Familienförderung befasst. Denkbar sind beispielsweise eine Erhöhung der Geburtsbeihilfe oder eine längere Freistellung bei Erkrankung des Kindes.
POW: Welche bisherigen kirchenspezifischen Regelungen bleiben auch im neuen Tarifrecht erhalten?
Lorey: Die Entscheidungen sind noch nicht getroffen. Kirchenspezifische Regelungen müssen noch in das neue Vertragsrecht eingearbeitet werden, zum Beispiel beim Samstags- und Sonntagsdienst der pastoralen Berufsgruppen.
POW: Mit welchem Weihnachts- und Urlaubsgeld können kirchliche Mitarbeiter in den kommenden Jahren rechnen?
Lorey: 2005 erhalten die Mitarbeiter die Leistungen wie im vergangenen Jahr. Beim Weihnachtsgeld bedeutet das 65 bis 70 Prozent des Monatslohns je nach Vergütungsgruppe. Ab 2006 wird es nur noch eine Jahressonderzahlung geben, die Urlaubs- und Weihnachtsgeld zusammenfasst. Die Zahlung bewegt sich zwischen 60 und 90 Prozent je nach Entgeltgruppe, wobei niedrigere Entgeltgruppen den höheren Prozentsatz erhalten.
POW: Wo können sich Mitarbeiter näher über das neue Tarifrecht informieren?
Lorey: In den kommenden Tagen erhalten alle Mitarbeiter der Diözese ein Schreiben, in dem sie über die Änderungen informiert werden. Weitere Informationen gibt es bei der Mitarbeiterversammlung am 25. Oktober. Ausführlich sind die Änderungen in der neuen Ausgabe der Zeitschrift „KODA-Kompass“ beschrieben, die jeder Mitarbeiter erhält.
POW: Welches Signal geht von der Entscheidung der Tarifkommission aus?
Lorey: Leistung wird viel stärker als bisher einbezogen. Zurückgenommen wird die beamtenmäßige Versorgung. Das neue Tarifrecht führt zur Vereinfachung der Verwaltungsaufgaben. Der Leistungsgedanke wird erheblichen Einfluss auf die Führungsqualität und den Leitungsstil der Dienstvorgesetzten haben. Die Einführung des Leistungsgedankens ist eine große personalpolitische Herausforderung, aber auch eine große Chance, auf veränderte Entwicklungen im Berufsleben einzugehen.
Interview: bs (POW)
(3905/1222; E-Mail voraus)