Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Künstlerblick auf den „Bauplan“ der Natur

Ausstellung „zugewandt – Paul Diestel“ im Museum am Dom – Moderne Skulpturen treten in Interaktion mit den Werken der Dauerausstellung – Inspirationen aus den Formen der Natur – Eröffnung am 13. November mit einem „Soft Opening“

Würzburg (POW) Im Schaufenster des Museums am Dom ist schon ein Vorgeschmack auf die neue Ausstellung „zugewandt – Paul Diestel“ zu sehen: Ein „Setzling“ aus Bronze streckt im Durchgang zwischen Domplatz und Kiliansplatz die ersten zarten Triebe in die Höhe. Weitere 15 Skulpturen des Bildhauers Paul Diestel (25) aus Unsleben (Landkreis Rhön-Grabfeld) sind bis 30. Januar 2021 in der neu gestalteten Dauerausstellung zu sehen. Kleine und oft unscheinbare Fundstücke aus der Natur entfalten in seinen Plastiken eine abstrakte, schnörkellose Schönheit. Im Zusammenspiel mit der Dauerausstellung geben sie Raum für vielfältige Assoziationen. „Ich mache keine sakrale Kunst. Aber es gibt Elemente, die ganz unterbewusst herauskommen“, sagte der Künstler beim Pressegespräch am Donnerstag, 11. November. Aufgrund der Coronapandemie startet die Ausstellung anstelle einer Vernissage mit einem „Soft Opening“ am Samstag, 13. November, zwischen 15 und 17 Uhr.

Weitere Bilder

Für Diestel ist die Natur voller Inspirationen. In seinen Objekten reduziert er Ahornsamen, welke Blätter oder Schmetterlingspuppen auf ihre innere Form. „Mich interessiert der Aufbauplan. Ich sehe darauf, wie ein Architekt darauf gucken würde.“ Aus der Blüte eines Schneeglöckchens etwa werden drei bläuliche, schlanke Blütenblätter, die über dem Podest zu schweben scheinen, auf dem sie stehen. „Ich gehe sehr frei mit dem um, was die Natur mir zeigt, und versuche herauszufinden, was sich offenbart.“ Das fertige Werk scheint zugleich vertraut und fremd. Durch die vereinfachten Linien lasse es mehr Assoziationen zu, erklärte Diestel. Das schimmernde Gold des „Sprösslings“ wiederholt sich in den Gemälden, die bauchige Rundheit einer Sepiaschale korrespondiert mit der Pietà von Käthe Kollwitz, die sich schützend über ihren toten Sohn beugt. Die Skulptur „Waldwegkreuzung“, inspiriert von einem realen Waldweg, erinnert an eine Kirche: „Links und rechts waren Bäume, die Äste haben ein Dach gebildet. Das hatte etwas Sakrales, wie von einem Kirchenraum.“

Für seine Skulpturen verwendet Diestel ausschließlich natürliche Materialien – Holz, Bronze oder Sandstein, Erdpigment, Kalk und Hasenleim. Die kompakte Farbigkeit der Oberflächen entsteht durch unzählige Schichten, die aufgetragen und poliert werden. In einer „Wunderkammer“ präsentiert er einige der Fundstücke, die ihn inspirieren – Blätter, Samenkapseln, Steine. „Im Mikrokosmos ist der Makrokosmos zu finden. Alle Dramen, die weltweit passieren, spielen sich genauso auf einem Quadratmeter Erde ab“, erklärte er. Nach dem Vorbild des Halleiner Goldschiffs, einem winzigen Schiffchen aus der Keltenzeit, hat er ein Kanu gebaut, groß genug, um darin zu sitzen. Die Paddel ähneln großen Ginkgo-Blättern. „Mein Gedanke war, dass die Natur am Steuer sitzt und wir nur mitfahren.“ Im Namen der Ausstellung – „zugewandt“ – sei auch diese Hinwendung zu den kleinen Dingen enthalten, erläuterte Dr. Jürgen Emmert, Leiter der Abteilung Kunst der Diözese Würzburg.

„zugewandt“ bedeutet für Diestel aber auch eine Haltung gegenüber gesellschaftlichen Themen. So hat er beispielsweise eine jüdische Laubhütte aus Birkenholz gebaut, die in der Ausstellung neben dem Hostienfrevel von Röttingen zu sehen ist. In Unsleben habe vor dem Dritten Reich eine große jüdische Gemeinde gelebt, erzählte er. „Was würde es bedeuten, wenn ihre Nachkommen noch dort leben würden? Würde die Laubhütte zum Ortsbild gehören?“ Und wie würde eine jüdische Gemeinde auf seinen künstlerischen Versuch reagieren, an diese Zeit zu erinnern?

Das „Mohnmännchen“ dagegen basiert auf den Kindheitserinnerungen seiner Mutter. Diese habe erzählt, dass sie früher Mohnblumen abgezwickt und die Blüten und Samenkapseln zu einer Figur zusammengefügt habe. „Ich wollte diese darstellen.“ Entstanden ist eine Skulptur, die mit ein wenig Fantasie an einen rundlichen Menschen mit einem auffälligen Kopfputz erinnert. Das würdevolle „Mohnmännchen“ steht gleich neben den Skulpturen der Heiligen Kilian und Burkard sowie einem Staatsporträt des letzten Würzburger Fürstbischofs Georg Karl von Fechenbach. Die goldene Oberfläche spiegele die Zeichen von gesellschaftlichem Status, Macht und Autorität wider. Der Standort habe sich wie von selbst ergeben, sagte Emmert: „Es gibt Orte, wo die Dinge hinwollen. Und es eröffnet einen neuen Blick auf die eigene Sammlung.“

Die Ausstellung „zugewandt“ ist eine Kooperation mit dem Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) Unterfranken im Rahmen der Debütantenförderung des Freistaates Bayern.

Die Eröffnung findet als „Soft-Opening“ am Samstag, 13. November, zwischen 15 und 17 Uhr statt. Jeweils um 15 und 16 Uhr geben Diestel, Emmert und Max Gehlofen vom Beirat des BBK Unterfranken eine kurze Einführung in die Ausstellung. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Es gelten die aktuellen Coronavorschriften. Die Ausstellung ist bis 30. Januar 2022 dienstags bis sonntags von 12 bis 17 Uhr geöffnet.

Begleitprogramm

Begleitend zur Ausstellung werden Künstlergespräche und Führungen angeboten. Paul Diestel wird am Sonntag, 28. November, und Sonntag, 23. Januar 2022, jeweils um 15 Uhr für ein Künstlergespräch mit Rundgang durch die Ausstellung anwesend sein. Moderiert werden die Veranstaltungen von Dr. Jürgen Emmert, Leiter der Abteilung Kunst. Außerdem bietet der Künstler am Sonntag, 5. Dezember, und Sonntag, 9. Januar 2022, jeweils um 15 Uhr Führungen an. Die Teilnahme kostet pro Person zwei Euro zusätzlich zum Museumseintritt. Anmeldung im Museum am Dom, Telefon 0931/38665600. Weitere Informationen im Internet unter museum-am-dom.de und pauldiestel.com.

sti (POW)

(4621/1100; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet