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Im Gespräch

Küsse für das Jesuskind

Padre Dr. Joaquim Carneiro da Costa über Traditionen der portugiesischen Gemeinde in Deutschland

Nürnberg (POW) Weihnachten ohne portugiesischen Kohl? Das ist für Padre Dr. Joaquim Carneiro da Costa immer noch ein seltsames Weihnachten. Da Costa ist seit 24 Jahren zuständig für die katholische Mission portugiesischer Sprache von Nordbayern. An Weihnachten feiert er fünf Messen in Nürnberg, Bamberg, Würzburg, Miltenberg und Schwarzenbach: am 25. Dezember zwei und am 26. Dezember drei. Der Hauptsitz der portugiesischen Mission ist in Nürnberg, dort wohnt da Costa auch. Im Gespräch berichtet er von den portugiesischen Traditionen, die auch in Deutschland gepflegt werden.

POW: Welche Besonderheit hat die portugiesische Weihnacht?

Padre Dr. Joaquim Carneiro da Costa: In Portugal heißt die Christmette, die normalerweise am
24. Dezember um Mitternacht stattfindet, „Missa do galo“. Das heißt wortwörtlich übersetzt „Hahnen-Messe“. Ich weiß nicht genau, warum. Aber vielleicht, weil der Hahn der erste ist, der am Morgen kräht. Die „Missa do galo“ findet mittlerweile auch in Portugal immer häufiger nicht um Mitternacht, sondern früher am Abend statt.

POW: Wie viele Gläubige besuchen Ihre portugiesischen Weihnachtsgottesdienste?

Da Costa: In Bamberg ist der Unterschied zu der Besucherzahl der normalen Messen am größten. Es kommen mehr als doppelt so viele Besucher als sonst. Normalerweise besuchen um die 40 Personen die Messe in Bamberg, an Weihnachten sind es bis zu 150. In den übrigen portugiesischen Gemeinden kommen auch ein bisschen mehr Besucher als sonst: Statt 40 kommen ungefähr 70. In Bamberg ist die Feier auch am größten. Jedes Jahr inszenieren Kinder und Jugendliche eine Weihnachtsgeschichte und es gibt sogar einen Chor, der extra für Ostern und Weihnachten probt.

POW: Welche Weihnachtslieder werden in den Gemeinden gesungen?

Da Costa: In diesem Chor versuchen wir jedes Jahr ein Poplied mit weihnachtlichem Text umzuschreiben. Manchmal schreibe ich den Text und manchmal gibt es auch schon ein passendes Lied. Wir haben auch Gemeindemitglieder aus Brasilien oder Afrika. Deshalb singen wir auch Volkslieder aus Brasilien und Afrika. In jeder Gemeinde singen wir an Weihnachten „A todos um Bom Natal“. Das heißt übersetzt „Wir wünschen allen schöne Weihnachten“. „Noite Feliz“ singen wir auch immer. Das ist „Stille Nacht“ mit portugiesischem Text.

POW: Gibt es bestimmte portugiesische Traditionen, die an Weihnachten in den Gemeinden umgesetzt werden?

Da Costa: Eine sehr schöne Tradition ist, dass die Gemeindemitglieder bei der Christmette die Figur des Jesuskindes küssen, während der Pfarrer die Figur hält. Das findet so ähnlich statt wie bei der Kommunionausgabe: Jeder kommt nach vorne, küsst das Kind oder deutet einen Kuss an. Ich habe zwar immer ein Tuch dabei und wische nach jedem Kuss die Figur ab, aber manche Gläubigen möchten das Jesuskind nicht küssen. Dieses Jahr werden wir dieses Ritual wegen Corona nicht durchführen.

POW: Was vermissen Sie von den portugiesischen Weihnachtstraditionen hier in Deutschland?

Da Costa: In Portugal essen wir am 24. Dezember traditionsmäßig „Batatas com Bacalhau e couves“ (Kartoffeln mit Stockfisch und Kohl). Der Kohl ist ein ganz bestimmter, den gibt es in Deutschland nicht. Zwar importieren mittlerweile manche Menschen diesen Kohl extra aus Portugal, aber das ist selten. Wir haben das auch für unser Weihnachtsessen am 24. Dezember gemacht. An diesem Tag organisieren wir jedes Jahr ein Essen für bedürftige Menschen im Centro Português in Nürnberg. Wegen Corona haben wir jetzt leider geschlossen. Auch hat das Centro durch seinen Umzug leider an Nähe und familiärer Atmosphäre verloren.

POW: Gibt es auch bestimmte Naschereien?

Da Costa: In den Gemeinden hier backen die Familien sehr oft „Bolo Rei“. Das bedeutet Königskuchen auf Deutsch und gehört zu einem portugiesischen Weihnachten dazu. Ich bekomme von den Gemeindemitgliedern auch immer welche geschenkt. Manche dieser Kuchen sind auch wirklich lecker, manche leider nicht so (lacht). Der Kuchen ist so ähnlich wie der Stollen hier. In der Mitte sind Früchte und Nüsse. Darüber kommen kandierte Früchte. Im Kuchen ist eine Bohne oder eine kleine Spielzeugfigur versteckt. Wer die Figur erwischt, muss am Silvesterabend den Kuchen bezahlen. Ich habe gehört, dass das aber mittlerweile verboten wurde, damit sich niemand die Zähne ausbeißt.

POW: Was ist der größte Unterschied zwischen Weihnachten in Portugal und in Deutschland?

Da Costa: In Portugal ist die familiäre Atmosphäre stärker. Das heißt, die Kinder und Jugendlichen gehen an Weihnachten nicht weg. Der Abend wird in der Familie verbracht. Die Geschenke gab es in Portugal ursprünglich auch nicht vor Mitternacht. Entweder blieben die Kinder also bis Mitternacht wach oder sie standen am nächsten Tag sehr früh auf, um die Geschenke zu suchen. Der Brauch des Adventskranzes ist auch ein Unterschied. In der portugiesischen Gemeinde hier in Deutschland haben wir Adventskränze. In Portugal selber kommt das mittlerweile auch mehr, aber früher gab es das nicht. Durch Immigration und das Internet, denke ich, ist der Brauch nach Portugal gekommen. Die Tradition gibt es vielleicht seit zehn Jahren, mehr nicht.

Interview: Magdalena Rössert (POW)

(0121/0011; E-Mail voraus)

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